BT-Drucksache 17/3724

Fakten zum sogenannten Jobwunder

Vom 10. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3724
17. Wahlperiode 10. 11. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Jutta Krellmann, Diana Golze, Matthias
W. Birkwald, Heidrun Dittrich, Werner Dreibus, Klaus Ernst, Katja Kipping,
Cornelia Möhring, Yvonne Ploetz, Ingrid Remmers, Jörn Wunderlich und der
Fraktion DIE LINKE.

Fakten zum sogenannten Jobwunder

Die offizielle Arbeitslosenstatistik vermeldete im Oktober dieses Jahres weni-
ger als drei Millionen Menschen. Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales
Dr. Ursula von der Leyen ließ es sich nicht nehmen, diese Arbeitsmarktzahlen
höchst persönlich und einen Tag früher als üblich zu verkünden. Sie sprach von
einem „großen Erfolg“ und den besten Zahlen seit den frühen 90er-Jahren. Für
den Bundesminister für Wirtschaft und Technologie Rainer Brüderle ist der
deutsche Arbeitsmarkt sogar „auf der Schnellstraße zur Vollbeschäftigung“.

Während die Bundesregierung ein „Jobwunder“ feiert, weisen kritische Vertreter
der Wissenschaft auf die beschränkte Aussagekraft der offiziellen Arbeitslosen-
statistik hin, Gewerkschaften kritisieren den Boom prekärer Beschäftigung. Eine
ehrliche Bilanz zur Arbeitsmarktentwicklung seit Anfang der 90er-Jahre sowie
über den Zeitraum der letzten Wirtschaftskrise erfordert es, umfassend auf diese
Kritik und Aspekte einzugehen.

Anmerkung: Im Folgenden werden meist Vergleichsdaten für die Oktober-
monate der Jahre 1992, 2005, 2008 und 2010 abgefragt. Sollten keine aktuellen
Daten für den Oktober 2010 vorliegen, wird darum gebeten, den letzten verfüg-
baren Monatsdaten dieses Jahres die entsprechenden Monatsdaten der Jahre
1992, 2005, 2008 gegenüberzustellen. Soweit für einzelne Monate keine Daten
vorliegen, wird darum gebeten, entsprechende Jahreszahlen heranzuziehen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass wir gegenwärtig ein Jobwunder
erleben, und wenn ja, worauf begründet sich dieses?

2. Ab welcher Arbeitslosenquote kann man nach Ansicht der Bundesregierung
von Vollbeschäftigung sprechen?

3. In welchen Phasen der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
herrschte nach Ansicht der Bundesregierung bisher Vollbeschäftigung?
4. Gibt es einzelne Regionen der Bundesrepublik Deutschland, in denen nach
Ansicht der Bundesregierung derzeit oder in naher Zukunft Vollbeschäfti-
gung herrscht?

5. Inwiefern ist es nach Ansicht der Bundesregierung sinnvoll, die derzeitige
Arbeitsmarktlage mit der zu Beginn der 90er-Jahre zu vergleichen?

Drucksache 17/3724 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

6. Wie hoch war die offiziell registrierte Arbeitslosigkeit und die Unter-
beschäftigung in den Oktobermonaten der Jahre 1992, 2005, 2008 und
2010 (bitte jeweils einzeln absolut wie relativ angeben für den Bund,
nach dem Gebiet der neuen und alten Bundesländer sowie den einzelnen
Bundesländern)?

7. Wie hat sich seit 2005 bis heute der Anteil der Arbeitslosigkeit an der
Unterbeschäftigung entwickelt (bitte jährliche Daten angeben für den Bund
sowie die neuen und alten Bundeländer)?

8. Wie hoch war bzw. ist in den Jahren 1992, 2005, 2008 und 2010 die
geschätzte stille Reserve?

9. Wie hoch waren absolut das Erwerbspersonenpotenzial sowie die Erwerbs-
quote in den Oktobermonaten der Jahre 1992, 2005, 2008 und 2010 (bitte
Zahlen nennen für den Bund sowie nach neuen und alten Bundesländern)?

10. Welchen Einfluss auf das Erwerbspersonenpotenzial haben seit Beginn der
90er-Jahre bis heute die Zu- bzw. Fortzüge nach bzw. aus Deutschland ge-
habt?

11. Welchen Einfluss zur Entlastung des Arbeitsmarktes bzw. zur Entwicklung
des Erwerbspersonenpotenzials seit 2005 bis heute misst die Bundesregie-
rung der demographischen Entwicklung zu (bitte jährliche Zahlen nennen
für den Bund sowie nach neuen und alten Bundesländern)?

12. Wie viele Erwerbstätige gab es jeweils in den Oktobermonaten der Jahre
1992, 2005, 2008 und 2010?

Wie viele waren davon selbständig, wie viele in einer unbefristeten sozial-
versicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung, und wie viele in einem
atypischen Beschäftigungsverhältnis: befristete Beschäftigung, Teilzeit,
geringfügig und in Leiharbeit (bitte insgesamt für den Bund, nach neuen
und alten Bundesländern sowie Geschlecht aufgliedern)?

13. Zu welchem Anteil war die Erwerbstätigkeit in den Oktobermonaten der
Jahre 1992, 2005, 2008 und 2010 eine selbständige Tätigkeit, eine un-
befristete sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung und eine
atypische Beschäftigung (bitte die atypische Beschäftigung einzeln auf-
gliedern sowie insgesamt für den Bund, nach neuen und alten Bundes-
ländern sowie Geschlecht)?

14. Wie würden sich die absoluten Erwerbstätigenzahlen in den Oktober-
monaten der Jahre 1992, 2005, 2008 und 2010 ändern, legt man einer Neu-
berechnung Vollzeitäquivalente zugrunde (sofern eine Beantwortung mit
Monatsdaten nicht möglich ist, bitte auf Jahreszahlen ausweichen)?

15. Wie hoch war absolut und relativ die Niedriglohnbeschäftigung in Deutsch-
land in den Oktobermonaten der Jahre 1992, 2005, 2008 und 2010 (bitte ab-
solute Daten und den Anteil insgesamt für den Bund, nach neuen und alten
Bundesländern sowie Geschlecht aufgliedern)?

Wie bewertet die Bundesregierung diese Zahlen?

16. Wie viele Beschäftigte haben in den Oktobermonaten der Jahre 1992, 2005,
2008 und 2010 ergänzend zu ihrem Erwerbseinkommen Sozialleistungen
bezogen (bitte aufschlüsseln nach geringfügiger Beschäftigung, sozial-
versicherungspflichtige Beschäftigung in Voll- und Teilzeit, Leiharbeit,
selbständige Tätigkeiten)?

Wie bewertet die Bundesregierung diese Zahlen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3724

17. Wie hoch war die durchschnittliche tatsächliche geleistete wöchentliche
Arbeitszeit in den Oktobermonaten der Jahre 1992, 2005, 2008 und 2010
(bitte insgesamt angeben sowie nach Vollzeitbeschäftigung, Teilzeitbe-
schäftigung, geringfügige Beschäftigung getrennt)?

Wie unterscheiden sich diese jeweiligen Arbeitszeiten nach Geschlechtern?

18. Wie gliederten sich in den Oktobermonaten der Jahre 1992, 2005, 2008
und 2010 die als frei gemeldeten Stellen nach folgenden Merkmalen auf:
sozialversicherungspflichtige unbefristete Vollzeitstellen/befristete Voll-
zeitstellen, sozialversicherungspflichtige unbefristete Teilzeitstellen/be-
fristete Teilzeitstellen, geringfügige Beschäftigung, Leiharbeit, Selbstän-
dige?

19. Wie viele der in den Oktobermonaten der Jahre 1992, 2005, 2008 und 2010
neu besetzten Stellen gliedern sich nach folgenden Merkmalen auf: sozial-
versicherungspflichtige unbefristete Vollzeitstellen/befristete Vollzeit-
stellen, sozialversicherungspflichtige unbefristete Teilzeitstellen/befristete
Teilzeitstellen, geringfügige Beschäftigung, Leiharbeit, Selbständige?

20. Wie hat sich die Erfassung der älteren Arbeitslosen (58 Jahre und älter) in
den Angaben der Bundesagentur für Arbeit seit 2005 zum Oktober jährlich
verändert, und wie viele dieser Älteren beziehen Leistungen (getrennt nach
dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch) ohne arbeitslos zu sein
(bitte nach Bund und nach Bundesländern angeben)?

21. Wie hoch wären die geschätzten jährlichen Mehreinnahmen für Sozial-
versicherungen und an Steuern, würde man für das Jahr 2010 die Beschäf-
tigungsstruktur des Jahres 1992 zugrunde legen?

22. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Entwick-
lung atypischer Beschäftigung, und ist es ein Ziel der Bundesregierung,
diese Form der unsicheren und schlechtbezahlten Beschäftigung voranzu-
treiben?

Berlin, den 10. November 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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