BT-Drucksache 17/3679

zu der vereinbarten Debatte zum neuen Strategischen Konzept der NATO

Vom 10. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3679
17. Wahlperiode 10. 11. 2010

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Jan van Aken, Christine Buchholz,
Sevim Dag˘delen, Dr. Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Heike
Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Harald Koch, Stefan Liebich, Niema Movassat,
Thomas Nord, Alexander Ulrich, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

zu der vereinbarten Debatte zum neuen Strategischen Konzept der NATO

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

vor der Zustimmung der Bundesregierung zum neuen Strategischen Konzept
der NATO dieses Dokument dem Bundestag zur Abstimmung vorzulegen.

Berlin, den 10. November 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Die für November 2010 in Lissabon geplante Verabschiedung des neuen Strate-
gischen Konzepts der NATO wird erhebliche Konsequenzen für den Handlungs-
spielraum der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik haben. In An-
lehnung an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1994 zum Einsatz der
Bundeswehr in der Adria, welches die Eckpunkte für die Beteiligung des Bun-
destages festsetzte, das Urteil zum 1999 verabschiedeten Strategischen Konzept
der NATO von 2001, welches den Ermessensspielraum der Bundesregierung
hinsichtlich des Eingehens neuer (völker-)rechtlicher Verpflichtungen be-
stimmte, sowie dem jüngsten Urteil zu den Lissaboner Verträgen 2009, in dem
das Mitwirkungsrecht des Deutschen Bundestages bei intergouvernmentalen
Entscheidungen gestärkt wurde, ist es nur folgerichtig, dass der Deutsche Bun-
destag vor dem Treffen des NATO-Rates über das neue Strategische Konzept
diskutiert und der Bundesregierung ein Mandat für deren Abstimmungsverhal-
ten im NATO-Rat erteilt.

Aufgrund der politischen Bedeutung und den strukturellen Konsequenzen für

die Sicherheits- und Verteidigungspolitik hält der Deutsche Bundestag seine
Beteiligung für notwendig. Die Beteiligung des Deutschen Bundestages in die-
ser wichtigen Frage würde außerdem das bislang hingenommene Missverhält-
nis beseitigen, dass der Deutsche Bundestag einerseits jeder Aufnahme neuer
NATO-Mitgliedstaaten zustimmen muss, bei der aber viel weitreichenderen
Festlegung neuer militärischer Aufgabenfelder keine Stimme hat.

Drucksache 17/3679 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Welche weitreichenden Auswirkungen das Strategische Konzept der NATO auf
die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Mitgliedstaaten und die Ausgestal-
tung des Militärbündnisses hat, zeigt das 1999 von der NATO angenommene
Strategische Konzept. Es steckte den Rahmen ab für die Planung von Militärin-
terventionen und die Bereitstellung der entsprechenden militärischen Kapazitä-
ten. Die Reorganisation der NATO-Marinekomponenten, die heute als Standing
Naval Groups im Mittelmeer und am Horn von Afrika quasi im Dauereinsatz
sind, die Aufstellung der NATO Response Force für Militärinterventionen auch
ohne UN-Mandat und die Aufstellung von verlegbaren Hauptquartieren für
diese Interventionen sind auf die politischen Vorgaben des strategischen Kon-
zepts zurückzuführen. Die damalige Bekräftigung der Mitgliedstaaten, dass
Atomwaffen ohne Einschränkungen zum Einsatzspektrum der Militärallianz ge-
hören, ist auch heute noch Grundlage für die Bereitstellung von Tornados im
Rahmen der technisch-nuklearen Teilhabe. Vor allem aber hat die Ausweitung
des Aufgabenspektrums bis hin zur globalen Sicherung der Seetransportwege
und des Einsatzgebietes über die Grenzen der NATO-Staaten hinaus erhebliche
und ernste Auswirkungen für die Mitgliedstaaten.

Jedes neue Strategische Konzept schafft neue Sachzwänge für die Mitglied-
staaten, die außerhalb der parlamentarischen Kontrolle bleiben. Zwar hat das
Bundesverfassungsgericht 2001 geurteilt, dass die Fortentwicklung eines Sys-
tems kollektiver Sicherheit – als das die NATO von dem Gericht eingestuft
wurde –, die keine Vertragsänderung ist, keiner gesonderten Zustimmung des
Deutschen Bundestages bedarf. Gleichzeitig wird eingeschränkt, dass das Recht
auf Teilhabe dann verletzt wird, wenn die Bundesregierung die Fortentwicklung
des Systems jenseits der ihr erteilten Ermächtigung betreibt und/oder das Bünd-
nis den Zweck der Friedenswahrung verlässt.

Selbst wenn das neue Strategische Konzept keine Änderung des ursprünglichen
NATO-Vertrages bedeutet, werden damit erneut die Aufgabenschwerpunkte der
NATO verschoben, z. B. hinsichtlich des Stellenwertes der territorialen Bünd-
nisverteidigung und der Rolle der Atomwaffen. Gerade zu letzterem Aspekt hat
der Deutsche Bundestag im März 2010 klare Vorgaben gemacht. Atomwaffen
wurden als friedensgefährdende Waffen identifiziert und die Bundesregierung
aufgefordert, für eine Beendigung der technischen nuklearen Teilhabe zu sor-
gen und die Rolle der Atomwaffen in der NATO-Strategie zurückzuführen. Der
Deutsche Bundestag muss die Gelegenheit bekommen, die Einhaltung seiner
Vorgaben bei der Fortentwicklung der NATO zu überprüfen.

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