BT-Drucksache 17/3640

Polizei- und Zolleinsätze im Ausland (Stand drittes Quartal 2010)

Vom 8. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3640
17. Wahlperiode 08. 11. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Jan van Aken, Christine Buchholz,
Sevim Dag˘delen, Dr. Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth,
Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Harald Koch, Niema Movassat,
Wolfgang Neskovic, Petra Pau, Jens Petermann, Paul Schäfer (Köln),
Frank Tempel, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Polizei- und Zolleinsätze im Ausland (Stand drittes Quartal 2010)

Auslandseinsätze von Polizeibeamtinnen und -beamten entwickeln sich immer
mehr zu einem Mittel deutscher und EU-Außenpolitik. Die Militärdoktrin der
Europäischen Union, die sogenannte Europäische Sicherheitsstrategie, sieht
ausdrücklich den kombinierten Einsatz militärischer und ziviler (d. h. auch po-
lizeilicher) Mittel vor, um „einen besonderen Mehrwert“ zu erzielen.

Diese Entwicklung ist aus mehreren Gründen besorgniserregend.

So leistet sie der Vermischung von polizeilichen und militärischen Zuständigkei-
ten Vorschub. Die Grenzen zwischen Polizei und Militär drohen zu verschwim-
men. Das gilt umso mehr, als gerade bei Einsätzen in Kriegs- und Krisengebie-
ten, Polizisten immer wieder in lebensbedrohliche Situationen kommen. Diese
dienen dann wiederum als Legitimation für eine Aufrüstung der Polizei, bis hin
zu Überlegungen, schwerbewaffnete Einheiten der Bundespolizei speziell für
Auslandseinsätze aufzustellen.

Hinzu kommt, dass für polizeiliche Auslandseinsätze keinerlei parlamentarische
Zustimmung erforderlich ist. Je nach Rechtsgrundlage ist noch nicht einmal die
Information des Deutschen Bundestages vorgeschrieben. Damit wird ein wich-
tiger Bereich der Außenpolitik der parlamentarischen Kontrolle entzogen.
Bedenklich ist dies vor allem wegen der gerade bei Einsätzen in Kriegs- und
Krisengebieten stets vorhandenen Eskalationsgefahr.

Ähnliches gilt für Einsätze von Zollbeamtinnen und -beamten. Auch für ihre
Entsendung ins Ausland ist keine Zustimmung des Deutschen Bundestages er-
forderlich.

Mit einigem Unverständnis bewerten die Fragesteller die Tatsache, dass die
Bundesregierung auf die bisherigen einschlägigen Anfragen der Fraktion DIE
LINKE. keine Angaben zu sicherheitsrelevanten Vorfällen machen konnte oder
wollte, denen deutsche Polizeibeamte in ihren Missionen ausgesetzt waren.

Nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE. gehört die Erfassung solcher Vorfälle
zur Sorgfaltspflicht der Bundesregierung.

Drucksache 17/3640 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. An welchen bi- und multilateralen Missionen sind derzeit deutsche Polizis-
tinnen und Polizisten (bitte aufgliedern nach Bundesländern, Zugehörigkeit
zu Bundespolizei, Bundeskriminalamt (BKA) sowie Zollbeamtinnen und
-beamte beteiligt?

a) Wie viele deutsche Polizistinnen und Polizisten sowie weiteres ziviles
Personal (bitte aufgliedern nach Zugehörigkeit zu Bundesländern, Bun-
despolizei, BKA u. a.) sowie Zollbeamtinnen und Zollbeamte sind dabei
derzeit eingesetzt?

b) An welchen Orten und in welchen Stäben, Einrichtungen und Stellen sind
sie tätig (bitte jeweils die einzelnen Personalzahlen angeben)?

c) Welche tatsächliche Gesamtstärke hat die Mission derzeit?

d) Welche Missionen mit deutscher Beteiligung sind im dritten Quartal 2010
neu hinzugekommen (bitte rechtliche Grundlage sowie Mandatsgeber
und Missionsträger angeben, die Mandatsobergrenze nennen sowie den
Auftrag der eingesetzten deutschen Kräfte bezeichnen), und inwiefern hat
es Mandatsänderungen bei den bereits bestehenden Missionen gegeben?

e) Wann wird die Mission voraussichtlich beendet sein?

f) Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung eine Veränderung hinsicht-
lich der Art und/oder des Umfangs der deutschen Beteiligung, und bis
wann soll diese umgesetzt sein (bitte ggf. konkrete Angaben und Zahlen
zu den einzelnen Missionen geben)?

2. Wie viele der im Rahmen des German Police Project Teams in Afghanistan
eingesetzten deutschen Polizeibeamten sind Kurzeit- bzw. Langzeitexper-
ten?

a) Wie viele Kurzzeitexperten waren bisher im Jahr 2010 in Afghanistan
eingesetzt, und wie lange war ihre durchschnittliche Aufenthaltsdauer?

b) Wie viele Langzeitexperten waren bislang im Jahr 2010 in Afghanistan
eingesetzt, und wie lange war ihre durchschnittliche Aufenthaltsdauer?

3. Wie viele Verbindungsbeamtinnen und -beamte des BKA halten sich derzeit
in welchen Ländern auf (bitte jeweils die Einsatzländer und -orte sowie die
zugehörige Zahl von Beamtinnen/Beamten angeben)?

4. Wie viele deutsche Polizeibeamte werden derzeit im Ausland als

a) Dokumentenberater,

b) Sicherheitsbeamte,

c) Grenzpolizeiliche Verbindungsbeamte,

d) Unterstützungskräfte sowie Berater in Fragen der Grenzsicherheit einge-
setzt

(bitte jeweils, d. h. zu jedem Unterpunkt, Einsatzland und -ort sowie die Zahl
der eingesetzten Polizeibeamten nennen und angeben, ob sie vom BKA, der
Bundespolizei oder einer Länderpolizei gestellt werden)?

5. Wie viele deutsche Polizeibeamte wurden im dritten Quartal 2010 im Rah-
men der „Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den
Außengrenzen“ (FRONTEX) eingesetzt

a) als Dokumentenberater im Rahmen welcher Operationen und an welchen
Standorten,
b) als Mitarbeiter in der Warschauer Zentrale (bitte mit der jeweiligen Funk-
tion auflisten),

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3640

c) als Teilnehmer von Operationen zur Überwachung und Kontrolle der
Außengrenzen, die deutsches Gerät aus der FRONTEX-„tool box“ be-
dienen (bitte mit Einsatzstandort und jeweiligem Tätigkeitsprofil),

d) als Mitglied der „Rapid Border Intervention Teams“ (RABIT), und

e) welche Melde- und Berichtswege zwischen diesen Beamten und deren
deutschen Führungsstelle bestehen für die einzelnen operativen Be-
reiche?

6. Wie viele deutsche Polizeibeamte werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt im
Rahmen der „Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an
den Außengrenzen“ (FRONTEX) eingesetzt

a) als Dokumentenberater im Rahmen welcher Operationen und an wel-
chen Standorten,

b) als Mitarbeiter in der Warschauer Zentrale (bitte mit der jeweiligen
Funktion auflisten),

c) als Teilnehmer von Operationen zur Überwachung und Kontrolle der
Außengrenzen, die deutsches Gerät aus der FRONTEX-„tool box“ be-
dienen (bitte mit Einsatzstandort und jeweiligem Tätigkeitsprofil),

d) als Mitglied der „Rapid Border Intervention Teams“ (RABIT)?

7. Welche Informationen liegen der Bundesregierung vor bezüglich sicher-
heitsrelevanter Vorfälle, in die deutsche Polizistinnen und Polizisten sowie
Zollbeamtinnen und -beamten im dritten Quartal 2010 involviert bzw. denen
sie ausgesetzt waren?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die politische und militärische Ge-
fährdungslage in den jeweiligen Einsatzgebieten (bitte Veränderungen dar-
stellen)?

9. Welche Ausbildungsmaßnahmen für ausländische Sicherheitskräfte haben
deutsche Polizeibeamtinnen und -beamte im dritten Quartal 2010 durchge-
führt bzw. an welchen waren sie beteiligt (bitte sowohl bereits abgeschlos-
sene als auch aktuell stattfindende sowie fortgesetzte angeben)?

a) Wie lauten die Bezeichnungen der Maßnahmen, und wo fanden/finden
sie statt?

b) Was sind die Ziele der Maßnahmen, über welchen Zeitraum erstrecken
sie sich?

c) Wie vielen und welchen ausländischen Sicherheitskräften wurde/wird
welche Art der Ausbildung gewährt?

d) Worin bestanden/bestehen die Aufgaben und Tätigkeiten der deutschen
Polizeibeamtinnen und -beamten, und in welchen Stäben, Einrichtungen
und sonstigen Stellen waren/sind sie vertreten?

e) Wie viele deutsche Polizeibeamtinnen und -beamte waren jeweils an den
Maßnahmen beteiligt (bitte für die einzelnen Maßnahmen detailliert aus-
weisen)?

f) Welche Kosten entstanden/entstehen der Bundesrepublik Deutschland
für die Ausbildungsmaßnahmen, und aus welchen Haushaltstiteln wur-
den diese bestritten?

10. Welche Ausbildungsmaßnahmen für ausländische Sicherheitskräfte sind
für die nächste Zukunft geplant, welche Kosten werden dem Bund dafür
entstehen, und aus welchen Haushaltstiteln sollen diese bestritten werden
(bitte nach dem Schema der vorangegangenen Frage beantworten)?

Drucksache 17/3640 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
11. In welchem Rahmen sind außerdem noch deutsche Polizistinnen und Poli-
zisten bzw. Zollbeamtinnen und -beamte im Ausland eingesetzt, und welche
Tätigkeiten verrichten sie dort (bitte nach Einsatzländern und -orten sowie
Zugehörigkeit zu Bundesländern/BKA/Bundespolizei aufgliedern)?

Berlin, den 8. November 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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