BT-Drucksache 17/3413

Spekulation mit agrarischen Rohstoffen verhindern

Vom 26. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3413
17. Wahlperiode 26. 10. 2010

Antrag
der Abgeordneten Kerstin Tack, Dr. Wilhelm Priesmeier, Lothar Binding
(Heidelberg), Petra Crone, Petra Ernstberger, Elvira Drobinski-Weiss, Dr. h.c.
Gernot Erler, Iris Gleicke, Dr. Barbara Hendricks, Ulrich Kelber, Dr. Bärbel Kofler,
Nicolette Kressl, Ute Kumpf, Burkhard Lischka, Dr. Matthias Miersch,
Thomas Oppermann, Holger Ortel, Heinz Paula, Dr. Sascha Raabe, Karin Roth
(Esslingen), Dr. Carsten Sieling, Frank Schwabe, Wolfgang Tiefensee, Waltraud
Wolff (Wolmirstedt), Manfred Zöllmer, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der
Fraktion der SPD

Spekulation mit agrarischen Rohstoffen verhindern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Auf den Weltagrarmärkten steigen die Preise für Agrarrohstoffe. Insbesondere
Grundnahrungsmittel wie Getreide, Mais und Reis sind extremen Preisschwan-
kungen unterlegen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Neben wetterbedingten
Ernteausfällen, steigender Weltbevölkerung, wachsener Nachfrage durch ver-
änderte Ernährungsgewohnheiten, verstärkter Nutzung von Ackerflächen zur
Produktion von Biokraftstoffen und steigenden Energiekosten, spielen zuneh-
mend auch Spekulationsgeschäfte an den Warenterminbörsen eine wichtige
Rolle für diese Entwicklung. Hauptleidtragende sind die Menschen in den
ärmsten Ländern der Welt, die die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln auf-
grund der hohen Preise immer weniger sicherstellen können. Auch das Welter-
nährungsprogramm der UNO hat zunehmend Probleme mit den zur Verfügung
stehenden Finanzmitteln diesen Ländern zu helfen.

Die Warenterminbörsen waren ursprünglich ein Instrument des Risikomanage-
ments zur Absicherung extremer Preisschwankungen, sind aber seit der Dere-
gulierung der Finanzmärkte zum Ziel von spekulativen Geschäften geworden.
Damit hat sich der Handel mit Getreidederivaten vom realen Markt gelöst. Bis-
her wurde der Handel an Warenterminbörsen bestimmt durch die Faktoren Pro-
duktion, Nachfrage oder Lagerhaltung. Heute missbrauchen Finanzinvestoren
die Spekulationen mit Grundnahrungsmittel an den Warenterminbörsen zur Ri-
sikostreuung auf den internationalen Finanzmärkten, ohne ein wahres Kaufinte-
resse am Produkt zu haben.

Sowohl die Landwirte als auch die Händler können sich immer weniger auf die
Warenterminbörsen verlassen, um den richtigen Zeitpunkt für den Verkauf bzw.
Kauf der Agrarprodukte zu bestimmen. Damit verliert das Instrument seine ur-
sprüngliche Bedeutung für die Landwirtschaft. Knappheitssignale werden nicht
mehr erkennbar. Spekulationen verstärken die Preisschwankungen auf dem
Weltmarkt und hemmen im Ergebnis Investitionen in die Zukunft.

Drucksache 17/3413 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Die Antwort vieler Regierungen ist ein zunehmendes Unabhängigkeitsbestre-
ben vom Weltmarkt. Getreide wird zu lange gelagert, was zu Lagerverlusten
führt und wiederum die Spekulation anheizt.

Der Getreidehandel über Warenterminbörsen ist ein internationaler Handel. Die
Leitbörsen befinden sich außerhalb Europas. Deshalb ist ein internationales
Vorgehen gegen eine Spekulation mit agrarischen Rohstoffen notwendig. Ex-
treme Preisschwankungen sind marktkonform zu kappen. Im Wesentlichen
geht es um eine Entschleunigung des Handels an den Warenterminbörsen und
eine Ankopplung des Handels an den realen Markt.

Es geht auch darum, die Marktstruktur so zu gestalten, dass der Handel mit
Optionen, Futures und Swaps möglichst über organisierte Märkte abgewickelt
wird. Transparenz ist auf den Märkten zu schaffen durch Meldepflichten für
alle Kontrakte und die Veröffentlichung der Daten, wie es in den Vereinigten
Staaten durch die CFTC (U. S. Commodity Futures Trading Commission) er-
folgt. Es geht nicht darum, das Instrument der Warenterminbörsen zu verbieten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sich auf internationaler Ebene, insbesondere im Rahmen der G20, dafür ein-
zusetzen, dass die Warenterminbörsen ihre ursprüngliche Aufgabe des Risiko-
managements für die Landwirtschaft wieder erfüllen können, und Nahrungs-
mittelspekulationen zu Lasten der Ärmsten der Armen verhindert werden, und
deshalb

1. der Handel mit Agrarrohstoffen möglichst über Börsen oder zentrale Clea-
ringstellen abgewickelt wird;

2. ausschließlich standardisierte Produkte handelbar sind;

3. eine Mindesthaltepflicht für Termingeschäfte eingeführt wird, die kurz-
fristige Spekulationen verhindert;

4. Meldepflichten für Kontrakte, die außerhalb von Börsen oder zentralen
Clearingstellen geschlossen werden, eingeführt werden;

5. die Märkte durch regelmäßige Veröffentlichung der Daten wie in den Ver-
einigten Staaten wieder transparent werden;

6. im Rahmen der geplanten EU-Verordnung zu Over-the-counter-Derivaten
und im Rahmen der Überarbeitung der Richtlinien zu Märkten für Finanz-
instrumente (MiFID) und zu Marktmissbrauch (MAD) diese Punkte umzu-
setzen.

Berlin, den 26. Oktober 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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