BT-Drucksache 17/3309

Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden über geplante Anti-Castor-Proteste

Vom 14. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3309
17. Wahlperiode 14. 10. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Petra Pau, Jutta Krellmann,
Jens Petermann, Dr. Herbert Schui und der Fraktion DIE LINKE.

Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden über geplante Anti-Castor-Proteste

Nach Angaben der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg soll ein
Zug mit elf Atommüllbehältern am 5. November 2010 im französischen La
Hague starten. Gegen den Castor-Transport ins niedersächsische Zwischenlager
Gorleben haben Atomkraftgegner vielfältige Proteste angekündigt. Bereits im
Vorfeld der geplanten Proteste beklagen Umweltaktivisten eine Kriminalisie-
rung des Widerstandes gegen den Castor-Transport.

Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt warnen so laut einem „Bild.de“
vorliegenden und als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichneten
internen Papier vor einem „hohen Mobilisierungs- und Gewaltpotenzial“ in der
Anti-Atombewegung. „Die Sicherheitsbehörden befürchten neue bürgerkriegs-
ähnliche Schlachten zwischen Polizei und Atomkraftgegnern rund um das Zwi-
schenlager Gorleben im Wendland“, heißt es in „Bild.de“ unter Bezugnahme auf
das Papier (www.bild.de/BILD/politik/2010/09/27/atomkraft-gegner). „Mili-
tante Gruppen erhalten den Erkenntnissen zufolge zunehmend Unterstützung
auch aus Bürgerinitiativen sowie aus den Reihen von Parteien und Gewerk-
schaften“, heißt es weiter in „Bild.de“.

Zudem berichtete die Tageszeitung „junge Welt“ am 5. Oktober 2010, dass Ende
September mindestens fünf Atomkraftgegner Vorladungen der Polizeiinspek-
tion Lüneburg/Lüchow zu „erkennungsdienstlichen Maßnahmen“ erhielten. Sie
sollen sich in der Polizeikaserne Lüchow einfinden, um Finger- und Handkan-
tenabdrücke abzugeben sowie sich im Porträt und im Detail „zum Vermessen
von Tätowierungen und anderen Körpermerkmalen wie zum Beispiel Narben“
fotografieren lassen. Keiner der vorgeladenen Umweltschützer wurde nach
Erkenntnissen des Ermittlungsausschusses Wendland je rechtskräftig verurteilt
(junge Welt, 5. Oktober 2010).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Existiert das von „Bild.de“ genannte und zum Teil zitierte Papier von Verfas-
sungsschutz und Bundeskriminalamt zu den geplanten Protesten gegen den
Castor-Transport im November 2010 tatsächlich, und wenn ja,
a) handelt es sich um das Bundesamt für Verfassungsschutz oder ein Lan-
desamt (welches), das als Mitverfasser des Papieres fungiert;

b) wie bewertet die Bundesregierung das gemeinsame Erarbeiten eines
Papieres durch das Bundeskriminalamt (BKA) und den Verfassungs-
schutz vor dem Hintergrund des Trennungsgebots von Polizei und Ge-
heimdiensten;

Drucksache 17/3309 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

c) wie wurde sichergestellt, dass nicht genuin geheimdienstliche Informa-
tionen im Rahmen einer solchen Kooperation an das BKA geleitet wur-
den;

d) auf welche Weise konnte nach Einschätzung der Bundesregierung das als
„VS – Nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichnetes Papier von BKA
und Verfassungsschutz an „Bild“ gelangen;

e) ist die Bundesregierung bereit, das Papier dem Deutschen Bundestag aus-
zuhändigen (bitte ggf. als Anlage beifügen), und wenn nein, warum
nicht?

2. Welche konkreten Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über angeblich
von Atomkraftgegnern geplante Straftaten im Zusammenhang mit dem
Castor-Transport im November 2010 vor, und woher stammen diese Informa-
tionen?

3. Welche konkreten Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über eine angeb-
liche Zunahme der Gewaltbereitschaft innerhalb der Atomkraftgegner vor,
und woher stammen diese Informationen?

4. Inwieweit trifft es zu, dass laut der in „Bild.de“ wiedergegebenen Einschät-
zung von BKA und Verfassungsschutz „militante Gruppen“ „zunehmend
Unterstützung auch aus Bürgerinitiativen sowie aus den Reihen von Parteien
und Gewerkschaften erhalten“?

a) Welche militanten Gruppen meinen BKA und Verfassungsschutz kon-
kret?

b) Was konkret ist unter der genannten Unterstützung aus Bürgerinitiativen
sowie aus den Reihen von Parteien und Gewerkschaften zu verstehen?

c) Welche Bürgerinitiativen meinen BKA und Verfassungsschutz?

d) Welche Parteien meinen BKA und Verfassungsschutz?

e) Welche Gewerkschaften meinen BKA und Verfassungsschutz?

f) Worauf stützten sich diese Erkenntnisse jeweils im Einzelnen?

g) Inwieweit werden Bürgerinitiativen, Parteien und Gewerkschaften im
Hinblick auf eine solche Unterstützung militanter Atomkraftgegner poli-
zeilich und geheimdienstlich überwacht?

5. Inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, dass im Vorfeld der für Novem-
ber 2010 angekündigten Castor-Transporte Personen aus der Anti-Atom-Be-
wegung zur erkennungsdienstlichen Behandlung polizeilich vorgeladen wur-
den?

a) Wie viele Personen wurden vorgeladen?

b) Was war der Grund der Vorladung, und worauf stützen sich die Erkennt-
nisse der Polizei über die Vorgeladenen?

c) Durch welche Behörde wurde die Vorladung veranlasst?

d) Welche weiteren präventiven polizeilichen Maßnahmen gegen potenzielle
Teilnehmer der Anti-Castor-Proteste sind nach Kenntnis der Bundes-
regierung geplant?

6. Wie viele Polizistinnen und Polizisten werden voraussichtlich zur Durchset-
zung des Castor-Transportes eingesetzt werden, und wie viele davon kommen
von der Bundespolizei?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3309

7. Wie lange werden die zusätzlichen Polizeikräfte vor Ort sein?

a) Wo werden die Polizeibeamte untergebracht?

b) Werden neben Schulen und Sporthallen zusätzliche Unterbringungen er-
richtet werden, und wenn ja, wo, und wie viele?

8. Inwiefern wird die Bundeswehr den Polizeieinsatz unterstützen?

9. Mit welchen Kosten rechnet die Bundesregierung für die Durchsetzung des
Castor-Transportes?

Berlin, den 12. Oktober 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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