BT-Drucksache 17/3259

Investitionen in eine moderne Energieversorgung - Intelligente Stromnetze und Forschungsförderung

Vom 6. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3259
17. Wahlperiode 06. 10. 2010

Große Anfrage
der Abgeordneten Rolf Hempelmann, René Röspel, Dr. Hans-Peter Bartels, Klaus
Barthel, Willi Brase, Ingrid Arndt-Brauer, Doris Barnett, Sören Bartol, Dirk Becker,
Gerd Bollmann, Marco Bülow, Edelgard Bulmahn, Ulla Burchardt, Martin Burkert,
Petra Ernstberger, Michael Gerdes, Iris Gleicke, Michael Groß, Klaus Hagemann,
Hubertus Heil (Peine), Petra Hinz (Essen), Christel Humme, Oliver Kaczmarek,
Ulrich Kelber, Dr. Bärbel Kofler, Daniela Kolbe (Leipzig), Ute Kumpf, Thomas
Oppermann, Holger Ortel, Heinz Paula, Florian Pronold, Gerold Reichenbach,
Dr. Ernst Dieter Rossmann, Marianne Schieder (Schwandorf), Swen Schulz
(Spandau), Frank Schwabe, Dr. Martin Schwanholz, Wolfgang Tiefensee, Andrea
Wicklein, Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Dagmar Ziegler, Dr. Frank-Walter
Steinmeier und der Fraktion der SPD

Investitionen in eine moderne Energieversorgung – Intelligente Stromnetze
und Forschungsförderung

Für eine zunehmend regenerative Energieversorgung benötigen wir verstärkte
Forschungsanstrengungen und den politischen Willen zum massiven Um- und
Ausbau unserer Energienetze.

Die erneuerbaren Energien benötigen neue Infrastrukturen. Denn während bis-
lang Stromnetze mit zentraler Stromerzeugung dominieren, produzieren Wind-
räder, Solarzellen und Biogasanlagen etc. dezentral Strom. Dies stellt unsere
Netze vor hohe Herausforderungen. Windräder und Solarzellen liefern nicht
konstant die gleiche Energiemenge. Zeiten hohen und schwachen Energieange-
bots können mit intelligenten Technologien ausgeglichen werden.

Ziel des Aufbaus eines intelligenten Stromnetzes ist es, Verbrauchs- und Ver-
sorgungsschwankungen auszugleichen und eine möglichst konstante Lastentei-
lung innerhalb des Stromnetzes zu erreichen. Dies soll durch automatische
Steuerungen und Kontrolle von Verbrauchsanlagen erfolgen. Dafür werden die
aktuellen Zahlen zur Erzeugung, Speicherung, zum Netzmanagement und Ver-
brauch in einem System verarbeitet und die effektivste Auslastung errechnet.

In diesem Zusammenhang sollten Investitionsbedürfnisse auf der vorrangig be-
troffenen Verteilnetzebene genau untersucht und mögliche Anpassungen bei
der Netzregulierung in den Blick genommen werden.
Es muss sichergestellt werden, dass auf der Ebene der Verteilnetze die kommu-
nalen und regionalen ebenso wie die neuen Anbieter die Fähigkeit behalten, in
den Ausbau und die intelligente Steuerung der zunehmend dezentral aufgebau-
ten Netze zu investieren.

Neben dem verstärkten Einsatz von regenerativen Energien ist und bleibt die
Einsparung von Energie ein wichtiges Ziel. Viele Haushalte wissen aber über-

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haupt nicht, wie hoch der Stromverbrauch der in ihrem Haushalt vorhandenen
Geräte ist. Beispielsweise durch digitale Stromzähler könnten sie Informationen
erhalten und so Energie und Geld sparen.

Seit dem 1. Januar 2010 ist der Einbau des so genannten Smart Meter in Neubau-
ten und die Angebotspflicht im Bestand vorgeschrieben. Seit demselben Datum
haben alle Verbraucher das Recht auf eine monatliche Stromabrechnung. Mess-
stellenbetreiber müssen spätestens bis zum 30. Dezember 2010 für Endverbrau-
cher einen Tarif anbieten, der einen Anreiz zu Energieeinsparung oder Steuerung
des Energieverbrauchs setzt. Die Bundesregierung ist durch die dem Gesetz
zugrunde liegende Richtlinie der EU aufgefordert, die Einführung der neuen
Zählertechnologie zu beschleunigen.

Wir fragen die Bundesregierung:

Sicherung der Investitionsfähigkeit der kommunalen und regionalen Verteil-
netzbetreiber unter den Bedingungen der Regulierung

1. Welche Kenntnisse besitzt die Bundesregierung über den Umfang der
Investitionen der Verteilnetzbetreiber?

Wie haben sich diese im Zeitverlauf verändert?

Gab es eine Abweichung der geplanten im Vergleich zu den tatsächlich
durchgeführten Investitionen?

2. Wie hoch ist nach Information der Bundesregierung der bürokratische Auf-
wand für die Durchführung von Investitionen?

3. Werden nach Informationen der Bundesregierung Investitionen verzögert
oder gar nicht durchgeführt, weil deren Genehmigung zu lange gedauert
hat oder die auferlegten Kürzungen die Rentabilität der Investitionen in
Frage stellen?

4. Wie ist nach Ansicht der Bundesregierung sichergestellt, dass die regulato-
risch zugestandene Verzinsung der Investitionen in Netzinfrastruktur unter
den Bedingungen der Regulierung erwirtschaftet wird, damit Investitionen
in Netze attraktiv sind?

5. Welche Informationskanäle – außerhalb der Regulierungsbehörden – nutzt
die Bundesregierung, um sich über den Stand und die Auswirkungen der
Regulierung zu informieren?

6. Welche verlässlichen Prognosen hat die Bundesregierung, um sicherzustel-
len, dass bei Fortsetzung der derzeitigen Regulierungspraxis die Investi-
tionsfähigkeit deutscher Verteilnetzbetreiber nicht gefährdet ist?

7. Ist nach Ansicht der Bundesregierung das gegenwärtige Regulierungs-
regime, in dem Investitionen und Aufwendungen mit einem mehrjährigen
Verzug anerkannt werden, für zukünftige Herausforderungen ausreichend?

8. Welchen Nachsteuerungsbedarf sieht die Bundesregierung im System der
Regulierung, um mögliche Gefahren für die Investitionsfähigkeit der Netz-
betreiber zu vermeiden?

9. Welche Kenntnisse besitzt die Bundesregierung über die Altersstruktur der
Verteilnetze?

10. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Investitionsbedarf für die Er-
neuerung der Netzinfrastruktur ein?

11. Müssen nach Ansicht der Bundesregierung alle Aufgaben in einer Netz-
betreibergesellschaft erbracht werden oder steht es den Unternehmen frei,

sich durch verschiedene Konstellationen den Herausforderungen der Zu-
kunft zu stellen und effiziente Strukturen zu schaffen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3259

Kommunale und regionale Unternehmen als Infrastrukturdienstleister und tra-
gende Säule der Daseinsvorsorge

12. Welche zukünftige Struktur der deutschen Netzwirtschaft soll nach Ansicht
der Bundesregierung das Ziel von Regulierung sein?

13. Ist nach Ansicht der Bundesregierung das gegenwärtige Kommunalwirt-
schaftsrecht dazu geeignet, die zukünftigen Anforderungen in der Netz-
wirtschaft zu bewältigen?

14. Wie ist sichergestellt, dass die Kostensenkungsvorgaben der Anreizregulie-
rung nicht zu Lasten kommunalen Vermögens umgesetzt werden?

15. Welche Rolle spielen nach Auffassung der Bundesregierung die Verteil-
netzbetreiber im intelligenten Netz der Zukunft?

16. Wie sollen nach Ansicht der Bundesregierung Netzüberalterungen, Quali-
tätsverluste bei der Versorgungssicherheit und die Vernichtung kommuna-
len Kapitals sowie der gleichzeitige Umbau der Verteilnetze zu Smart Grids
aufgrund von Kostensenkungsvorgaben vermieden bzw. erreicht werden?

17. Muss nach Ansicht der Bundesregierung das Energiewirtschaftsrecht ange-
passt werden, um Rechtsunsicherheiten, insbesondere in Bezug auf den
Übereignungsanspruch der Kommunen, die wirtschaftlich angemessene
Vergütung sowie auf den Informationsanspruch bei Netzübernahmen, aus
dem Weg zu räumen?

18. Wie bewertet die Bundesregierung die Neugründung von kommunalen
Energieversorgungsunternehmen?

19. Wie kann aus Sicht der Bundesregierung sichergestellt werden, dass die
aus regulatorischen Anforderungen resultierenden IT-Anpassungen (Inves-
titionen und laufende Betreuung) im Rahmen der Anreizregulierung zeit-
nah und vollumfänglich anerkannt werden?

Verteilnetze als Schlüssel zur Erreichung der Klimaschutzziele und die Anfor-
derungen an die Regulierung

20. Wie beurteilt die Bundesregierung die Voraussetzungen für Innovationen
und Forschung für Netzbetreiber im Rahmen des aktuellen Regulierungs-
regimes?

21. Wie sollen nach Ansicht der Bundesregierung die Netzbetreiber flexibel und
zeitnah auf die Anforderungen aus Netzüberalterungen, Qualitätsverlust bei
der Versorgungssicherheit und die Vernichtung kommunalen Kapitals sowie
den gleichzeitigen Umbau der Verteilnetze zu Smart Grids reagieren?

22. Welche Herausforderungen stellen sich den Verteilnetzbetreibern aus Sicht
der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Erfüllung klimapolitischer
Ziele?

Smart Grids und Regulierung

23. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass der bestehende Zielkonflikt
zwischen der Entflechtung der Netzbetreiber und der Forderung nach dem
Aufbau von Smart Grids, in dem ein Zusammenwirken mehrerer Wert-
schöpfungsstufen erforderlich ist, möglichst vermieden wird?

24. Wie soll nach Auffassung der Bundesregierung die flächendeckende Ein-
führung der Technologie des Smart Meter als Basistechnologie für Smart
Grids gewährleistet werden?
25. Wie sollen insbesondere die Ziele aus dem dritten EU-Energiebinnenmarkt-
paket zur Einführung von Smart Metering umgesetzt werden?

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26. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Anzahl der in Deutschland der-
zeit eingebauten Smart Meter?

27. Wie steht die Bundesregierung zu der im dritten EU-Energiebinnenmarkt-
paket vorgesehenen Untersuchung der Wirtschaftlichkeit von Smart Mete-
ring durch die Mitgliedstaaten zur Vorbereitung der Einführung?

28. Wie sollen nach Auffassung der Bundesregierung Investitionen in neue IT-
Strukturen, in intelligente Netze und Messsysteme, in den Ausbau der Infra-
struktur für die Vorhaben im Zusammenhang mit der E-Mobilität und der
Anschluss erneuerbarer Energien getätigt werden, wenn einmalig auftre-
tende Kosten von der Regulierung nicht anerkannt werden?

29. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Investitionsbedarf für den Um-
bau der Verteilnetze zu Smart Grids ein?

Stand der Forschungsanstrengungen zu Smart-Grid-Ansätzen

30. Wie viele Bundesmittel sind seit 2005 in die Erforschung von Smart-Grid-
Technologien geflossen?

31. Welche Mittel sind für die Forschungsförderung im Bereich Smart Grid für
die nächsten fünf Jahre geplant?

32. In welchen Bereichen findet dabei öffentlich geförderte Forschung statt?

33. Differenziert die Bundesregierung in der Forschungsförderung von Smart-
Grid-Technologien zwischen Übertragungs- und Verteilnetzen?

34. Inwieweit gibt es dabei Kooperationen bzw. Beteiligungen der Stromwirt-
schaft an öffentlich geförderten Forschungsvorhaben?

35. Für wie sicher hält die Bundesregierung die bisher auf dem deutschen
Markt angebotenen digitalen Stromzähler vor Hackerangriffen?

36. Mit wie viel Finanzmitteln finanziert die Bundesregierung die Verbesse-
rung der IT-Sicherheit digitaler Stromzähler?

37. Inwieweit drängt die Bundesregierung die Wirtschaft auf einheitliche
Normen bei der IT-Sicherheit von Stromzähler?

38. Wird die Bundesregierung die Verschlüsselung des Datenverkehrs vom
Zähler zur Zählerdatenbox vorschreiben?

39. Welche Programme zur Sicherung des Datenschutzes im Bereich Smart
Grid unterstützt die Bundesregierung?

40. Wie weit existieren im Bereich Smart Grid gemeinsame Standards und
Normen?

41. Wie unterstützt die Bundesregierung die Einigung auf gemeinsame Nor-
men und Standards?

42. Wie wird die Forschung im Bereich Smart Grid durch das Europäische
Forschungsrahmenprogramm unterstützt?

43. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zur Akzeptanz von Smart
Grid innerhalb der deutschen Bevölkerung vor?

44. Wird im Rahmen des Sicherheitsforschungsprogramms der Bundesregie-
rung auch das Potential von intelligenten Stromsystemen untersucht, und
wenn ja, im Rahmen welcher Projekte (bitte um Auflistung der Höhe der
Förderung, Kurzdarstellung usw.)?

45. Welche Ergebnisse hat bisher das E-Energy-Projekt erbracht, und welcher

weiterer Projektverlauf ist geplant?

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46. Wie gedenkt die Bundesregierung zu verhindern, dass sich im Rahmen des
Ausbaus von intelligenten Stromsystemen erneut Monopolstrukturen am
Strommarkt entwickeln?

47. Wie bewertet die Bundesregierung den bisherigen Verlauf des Web2Energy-
Projektes, und gibt es vergleichbare Projekte in anderen Teilen Deutsch-
lands, die der Bundesregierung bekannt sind?

48. Mit welchen Maßnahmen fördert die Bundesregierung die Entwicklung
von Softwarelösungen im Bereich intelligenter Stromnetze?

49. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um der Bevölkerung die
Vorteile einer intelligenten Stromnutzung (etwa mittels moderner Strom-
zähler) nahe zu bringen?

50. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung von Greenpeace, laut der bis
2050 Investitionen in Höhe von rund 209 Mrd. Euro zur Modernisierung
der Stromnetze aufgewendet werden müssen, und wenn nein, von welchen
Schätzungen geht die Bundesregierung hinsichtlich der Modernisierung
der Stromnetze aus?

51. Unterstützt die Bundesregierung auch die sozial- und geisteswissenschaft-
liche Erforschung der Folgen neuer, intelligenter Stromnetze?

52. Wird die Anfälligkeit moderner Infrastrukturen (konkret intelligenter
Stromnetze) etwa für Naturkatastrophen oder für Terroranschläge im Rah-
men des Sicherheitsforschungsprogramms erforscht, und wenn ja, in wel-
chen Projekten mit welcher Förderhöhe (bitte um Auflistung)?

53. Wie bewertet die Bundesregierung den Ausbau von so genannten Mini-
kraftwerken, und mit welchen Mitteln fördert die Bundesregierung die
Forschung in diesem Bereich und den konkreten Ausbau entsprechender
Infrastrukturen?

54. Welche Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung aus den Folgen des
Orkans „Kyrill“ für den Ausbau intelligenter Stromnetze gezogen, und wel-
che Forschungsprojekte wurden durch den Bund gefördert, die sich mit den
Auswirkungen des Orkans befasst haben?

55. In welchem Umfang sollte nach Auffassung der Bundesregierung der
Bereich intelligenter Stromnetze (Smart Grid) im 8. Forschungsrahmen-
programm gefördert werden, und wie gedenkt die Bundesregierung, sich
diesbezüglich in den kommenden Verhandlungen auf europäischer Ebene
einzusetzen?

Berlin, den 6. Oktober 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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