BT-Drucksache 17/3180

zu dem Antrag der Fraktion der SPD -17/2115- Folter bekämpfen und Folteropfer unterstützen

Vom 5. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3180
17. Wahlperiode 05. 10. 2010

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (17. Ausschuss)

zu dem Antrag der Fraktion der SPD
– Drucksache 17/2115 –

Folter bekämpfen und Folteropfer unterstützen

A. Problem

In dem Antrag fordert die Fraktion der SPD die Bundesregierung auf, sich im
Rahmen der Vereinten Nationen (VN), des Europarates und der Europäischen
Union sowie in bilateralen Gesprächen weltweit für die Bekämpfung der Folter
einzusetzen und konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung der Folter zu unterstüt-
zen sowie Behandlungszentren für Folteropfer im In- und Ausland zu fördern.
Folteropfern soll der ihnen nach dem Aufenthaltsgesetz rechtlich zustehende
Aufenthaltsstatus tatsächlich gewährt werden, damit sie längerfristig planen und
sich hier nicht nur gesundheitlich stabilisieren, sondern auch gesellschaftlich in-
tegrieren können. Über die Unterstützung des Büros der Hohen Kommissarin
der Vereinten Nationen für Menschenrechte soll die Bundesregierung weiterhin
den freiwilligen Folteropferfonds der Vereinten Nationen und den VN-Sonder-
berichterstatter über Folter fördern. Ferner soll die Bundesregierung die bisheri-
gen Erfahrungen der Bundesstelle zur Verhütung von Folter auswerten sowie die
finanzielle und personelle Ausstattung verbessern.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Keine.

Drucksache 17/3180 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/2115 abzulehnen.

Berlin, den 29. September 2010

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Sibylle Pfeiffer
Stellvertretende Vorsitzende

Frank Heinrich
Berichterstatter

Christoph Strässer
Berichterstatter

Marina Schuster
Berichterstatterin

Annette Groth
Berichterstatterin

Ingrid Hönlinger
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3180

Bericht der Abgeordneten Frank Heinrich, Christoph Strässer, Marina Schuster,
Annette Groth und Ingrid Hönlinger

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 17/2115 wurde in der 49. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 17. Juni 2010 dem
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zur
federführenden Beratung sowie dem Auswärtigen Aus-
schuss, dem Innenausschuss, dem Rechtsausschuss, dem
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie
dem Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

In dem Antrag fordert die Fraktion der SPD die Bundesregie-
rung auf, sich im Rahmen der Vereinten Nationen (VN), des
Europarates und der Europäischen Union sowie in bilate-
ralen Gesprächen weltweit für die Bekämpfung der Folter
einzusetzen und konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung der
Folter zu unterstützen sowie Behandlungszentren für Folter-
opfer im In- und Ausland zu fördern. Folteropfern soll der
ihnen nach dem Aufenthaltsgesetz rechtlich zustehende Auf-
enthaltsstatus tatsächlich gewährt werden, damit sie länger-
fristig planen und sich hier nicht nur gesundheitlich stabili-
sieren, sondern auch gesellschaftlich integrieren können.
Über die Unterstützung des Büros der Hohen Kommissarin
der Vereinten Nationen für Menschenrechte soll die Bundes-
regierung weiterhin den freiwilligen Folteropferfonds der
Vereinten Nationen und den VN-Sonderberichterstatter über
Folter fördern. Ferner soll die Bundesregierung die bisheri-
gen Erfahrungen der Bundesstelle zur Verhütung von Folter
auswerten sowie die finanzielle und personelle Ausstattung
verbessern.

Darüber hinaus fordert die Fraktion die Bundesregierung
auf, sicherzustellen, dass die EU-Missionen in Drittstaaten
konsequent die EU-Leitlinie betreffend Folter und andere
grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung
oder Strafe umsetzen und Folteropfer aktiv vor Ort unterstüt-
zen. Ferner soll sie sich dafür einsetzten, dass auch künftig
in der EU tätige Behandlungszentren für Folteropfer Förder-
mittel durch die Europäische Initiative für Demokratie und
Menschenrechte (EIDHR) erhalten. Nach dem Willen der
Fraktion der SPD soll die Bundesregierung im Kampf gegen
den Terrorismus menschenrechtliche Standards nicht relati-
vieren und keine Maßnahmen ergreifen oder akzeptieren, die
das Non-Refoulement-Prinzip und das absolute Folterverbot
aushöhlen könnten. Flüchtlinge und subsidiär Schutzberech-
tigte sollen nicht in Staaten abgeschoben werden, in denen
gefoltert wird.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag am 29. Septem-
ber 2010 in seiner 18. Sitzung, der Innenausschuss am
29. September 2010 in seiner 20. Sitzung, der Rechtsaus-
schuss am 29. September 2010 in seiner 21. Sitzung, der
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am
29. September 2010 in seiner 19. Sitzung und der Ausschuss
für die Angelegenheiten der Europäischen Union am

29. September 2010 in seiner 21. Sitzung beraten. Alle mit-
beratenden Ausschüsse haben mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE.
die Ablehnung empfohlen.

IV. Beratung im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat den Antrag ebenfalls am 29. September 2010 in seiner
19. Sitzung beraten.

Die Bundesregierung führte aus, dass sich Deutschland zu
einem absoluten Folterverbot bekenne. Dies stehe im Koali-
tionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP und entspreche
der Kontinuität des menschenrechtlichen Engagements der
Bundesregierung. Die Bundesrepublik Deutschland sei seit
1990 Vertragsstaat der Antifolterkonvention der Vereinten
Nationen und habe Ende 2008 auch das Zusatzprotokoll zur
Schaffung eines nationalen Präventionsmechanismus ratifi-
ziert. Hierfür sei auch eine Bundesstelle zur Verhütung von
Folter eingerichtet worden. Man habe sich mit dem Beitritt
zu der genannten Konvention zur Abgabe eines regelmäßi-
gen Staatenberichtes verpflichtet. Inzwischen läge der 5. na-
tionale Bericht vor, der jetzt von der VN-Antifolterkommis-
sion begutachtet und wahrscheinlich im nächsten Jahr mit
Regierungsvertretern besprochen werde. 1990 sei man auch
der Europäischen Antifolterkonvention beigetreten. Man
habe sich aktiv an der Erstellung der EU-Leitlinien 2001, ak-
tualisiert 2008, zur Bekämpfung von Folter beteiligt, die mit
eine Grundlage dafür bildeten, dass das Thema fester Be-
standteil des Menschenrechtsdialogs der EU und deren Mit-
gliedstaaten sei. Zusammen mit den EU-Partnern trete man
für eine Stärkung der internationalen Mechanismen ein, z. B.
des Antifolterausschusses der Vereinten Nationen, und brin-
ge regelmäßig entsprechende Resolutionen in die Gremien
mit ein. Bilateral und auch innerhalb der EU und in deren
Rahmen würden Foltervorwürfe gegenüber Gastregierungen
regelmäßig thematisiert. Die Bundesregierung unterstütze
über ihre Botschaften und lokalen Nichtregierungsorganisa-
tionen regelmäßig und weltweit Projekte zur Bekämpfung
von Folter in Drittstaaten. So seien u. a. in den letzten beiden
Jahren Projekte in Kirgisistan, Kasachstan, Haiti, Sambia oder
Guinea gefördert worden. Dabei gehe es vor allem um die
Verbesserung des Strafvollzuges und der Haftbedingungen.
Die Bundesregierung habe einen Teil ihrer finanziellen För-
derung gezielt an das Mandat des Sonderberichterstatters der
Vereinten Nationen gerichtet und unterstütze den VN-Fonds
für Folteropfer, zuletzt in diesem Jahr mit 400 000 Euro.

Die Fraktion der SPD erklärte, dass der politische Konsens,
wie bei der Todesstrafe, im Grundsätzlichen vorhanden sei,
wobei man auch hier das Thema „Schweigen wir zu Einzel-
fällen als Deutscher Bundestag“ ansprechen könnte, da man
generell von einer Verschlimmerung für die Menschen in
den Anstalten, in denen gefoltert werde, ausgehe. Dies sehe
die SPD-Fraktion anders. Man müsse darauf achten, in wel-
cher Rolle man sich befinde und ob man, wenn man diese
Rolle wechsele, nicht etwas anderes sage als das, was man

Drucksache 17/3180 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

vorher gesagt habe. Bei einigen Debatten in den letzten Jah-
ren zum Thema „Menschenrechtliche Entwicklung in
China“ habe man sich über die Situation in Tibet, wo Folter
und Todesstrafe zusammengekommen seien, massiv gestrit-
ten. Man könne sich noch gut erinnern, vor Kritik gewarnt zu
haben, die den Menschen dort schaden könnte. Damals sei
die SPD von der FDP angegriffen worden mit der Begrün-
dung, dass dies eine Verharmlosung und ein Kuschen vor
dem mächtigen Wirtschaftspartner China sei.

Zum 5. Staatenbericht wolle man den nationalen Präven-
tionsmechanismus erwähnen. Hier habe man mit viel Mühe
durchgesetzt, dass dieser überhaupt zustande gekommen sei.
Es habe aber von Anfang an und auch nach der Verabschie-
dung des entsprechenden Gesetzes von allen Parteien Kritik
an der Ausstattung gegeben. Im Haushalt gebe es hierfür
einen Ansatz von 100 000 Euro. Diese Institution solle mit
einer ehrenamtlichen Leitung und zwei Halbtagskräften weit
mehr als 300 Stellen präventiv überwachen. Es interessiere
schon, ob daran gedacht sei, an dieser Stelle nachzubessern.
Die Oppositionsfraktionen würden dies unterstützen, wie sie
dies auch gerne selbst getan hätten, als man noch Regie-
rungskoalition gewesen sei. Mit dieser Finanzierung mache
sich die Bundesrepublik Deutschland lächerlich. Selbst die
kleine Nachbarrepublik Österreich sei besser ausgestattet,
was nur schwer zu akzeptieren sei. Daher interessiere die
Fraktion der SPD, ob für das Jahr 2011 eine Steigerung vor-
gesehen sei.

Das Konzept der sogenannten diplomatischen Zusicherun-
gen bereite der Fraktion der SPD, gerade bei der steigenden
Zahl von Auslandseinsätzen der Bundeswehr, aber auch bei
internationalen Vereinbarungen über die Bekämpfung des
Terrorismus, Sorge. Dieses Instrument liege unterhalb einer
einklagbaren und nachprüfbaren Schwelle. Man verlasse
sich auf die Zusagen von Regierungen und Staaten, bei
denen man davon ausgehe, dass dort gefoltert werde. Hier
frage man sich, ob die Bundesregierung der Meinung sei,
dass dieses Instrument tauglich sei für die Verhinderung von
Folter in Staaten, in die sie Menschen abschiebe. Des Weite-
ren wäre interessant zu wissen, ob es ein Instrument gebe,
das überprüfe, ob diese diplomatischen Zusicherungen von
den jeweiligen Staaten auch eingehalten würden.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schloss sich
den Ausführungen der Fraktion der SPD an. Die beiden ge-
nannten Punkte seien auch die, die man selbst für wichtig er-
achte. Bei den diplomatischen Zusicherungen stelle sich ins-
besondere die Frage, wie diese in der Praxis kontrolliert
werden könnten. Daher wünsche man sich dort ebenfalls

eine Überprüfung. Man würde sich zudem freuen, wenn die
psychosozialen Behandlungszentren für Folteropfer weiter
gefördert und unterstützt würden.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstütze den
Antrag der Fraktion der SPD, da er genau die Forderungen
enthalte, die sie selbst auch stelle.

Die Fraktion DIE LINKE. unterstützte den Antrag der
Fraktion der SPD ebenfalls. Völlig inakzeptabel sei, dass
immer noch in Länder abgeschoben werde, von denen man
wisse, dass dort gefoltert werde. Auch das geplante VN-
Libyen-Abkommen sei abzulehnen. PRO ASYL und andere
Menschenrechtsorganisationen liefen bereits Sturm dage-
gen. Die Bundesregierung mache sich unglaubwürdig, wenn
sie auf der einen Seite Folter verbiete und auf der anderen
Seite Menschen in genau diese Länder abschöbe.

Die Fraktion der CDU/CSU merkte an, dass die Bundes-
regierung auf dem richtigen Weg sei, genau das umzusetzen,
was auch teilweise in dem Antrag stehe und eingefordert
werde. Die Forderung, Flüchtlinge und subsidiär Schutzbe-
dürftige nicht in Länder abzuschieben, in denen gefoltert
werde, sei obsolet und sei allen wichtig. Humanitäre und
menschenrechtliche Aspekte würden im Asyl- und Auslän-
derrecht berücksichtigt. Da wo konkrete Gefahren bestün-
den, gebe es in der Bundesrepublik Deutschland die Asyl-
möglichkeit. Bezug nehmend auf das deutsch-syrische
Rückübernahmeabkommen sei entgegenzusetzen, dass in-
zwischen gebeten worden sei, dass vorerst auf eine unmittel-
bare Rückführung verzichtet sowie Einzelfälle besonders ge-
prüft werden sollten. Man werde den Antrag ablehnen, da
der Antrag über die bestehende Arbeit der Bundesregierung
nicht wesentlich hinausführe.

Die Fraktion der FDP erklärte, dass man den Antrag eben-
falls ablehnen werde, mit Hinweis auf den 9. Bericht der
Bundesregierung zur Menschenrechtspolitik. Denn dort ste-
he, dass eine Überprüfung der Ausstattung der Mittel noch
einmal stattfinden werde, sobald die gemeinsame Kommis-
sion der Länder ihren ersten Praxisbericht abgegeben habe.
Es seien auch bereits die psychosozialen Zentren erwähnt
worden; hier würden die Mittel im Haushalt von 790 00 auf
827 000 Euro erhöht werden. Insofern habe sich der Antrag
erübrigt.

Als Ergebnis der Beratung empfiehlt der Ausschuss für
Menschenrechte und humanitäre Hilfe, den Antrag auf
Drucksache 17/2115 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abzu-
lehnen.

Berlin, den 29. September 2010

Frank Heinrich
Berichterstatter

Christoph Strässer
Berichterstatter

Marina Schuster
Berichterstatterin

Annette Groth
Berichterstatterin

Ingrid Hönlinger
Berichterstatterin

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