BT-Drucksache 17/3165

Zum Ausschluss schwuler Männer und zum Datenschutz bei der freiwilligen Blutspende

Vom 4. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3165
17. Wahlperiode 04. 10. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Ulla Jelpke, Jan Korte, Cornelia Möhring,
Jens Petermann, Raju Sharma, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Zum Ausschluss schwuler Männer und zum Datenschutz bei der freiwilligen
Blutspende

Schwule Männer sind in Deutschland von der Blutspende ausgeschlossen. Wenn
sie ihre sexuelle Identität in einem Fragebogen vor der Blutspende bejahen, wer-
den sie nicht zur Blutspende zugelassen. Die zahlreichen Organisationen, die in
Deutschland zur freiwilligen Blutspende aufrufen, vom Deutschen Roten Kreuz
bis zur Bundeswehr, handeln dabei gemäß der „Richtlinien zur Gewinnung von
Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten („Hämo-
therapie)“ der Bundesärztekammer, auf welche in den §§ 12a und 18 des Trans-
fusionsgesetzes (TFG) (Novelle 2009) verwiesen wird. Die Ausschlusskriterien
von der Blutspende nicht im Gesetz, sondern mit einem Verweis auf die Richt-
linien der Bundesärztekammer zu regeln, ist prinzipiell sinnvoll. So kann ge-
währleistet werden, dass neue medizinische Erkenntnisse zügig zu einer Verän-
derung der Richtlinien führen. Doch im Fall von schwulen Männern wird der
Ausschluss durch die Bundesärztekammer mit der Zugehörigkeit zu einer Risi-
kogruppe begründet, unabhängig von einem individuell tatsächlich vorliegen-
den Sexualverhalten, wie z. B. häufig wechselnde Sexualpartner. Das diagnos-
tische Fenster, also der Zeitraum in dem eine Infektion, wie z. B. der HI-Virus
bis zu drei Monaten, im Blut noch nicht nachweisbar ist, rechtfertigt eine sehr
strenge Auswahl der potentiellen Spenderinnen und Spender. Staaten wie
Spanien, Italien und Russland schließen schwule Männer jedoch per se nicht von
der Blutspende aus, Ausschlussgründe sind lediglich das individuelle und damit
risikobehaftete sexuelle Verhalten des Mannes.

Das Deutsche Rote Kreuz als wichtige Spendeeinrichtung besitzt nach eigenen
Aussagen Daten von 15 Millionen Spenderinnen und Spendern. Das Transfu-
sionsgesetz erlaubt nicht nur die Aufbewahrung von Spenderdaten über mehrere
Jahrzehnte, es erlaubt auch die Weitergabe der Daten an zuständige Behörden
und Bundesoberbehörden. Mit der Frage nach der sexuellen Orientierung auf
Erhebungsbögen wird ein nach dem Bundesdatenschutzgesetz besonders
schutzwürdiges Merkmal abgefragt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Ist nach Ansicht der Bundesregierung der generelle Ausschluss von schwulen
Männern unabhängig von ihrem tatsächlichen Sexualverhalten mit dem
Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 1) und der Grund-
rechtecharta der Europäischen Union (Artikel 21 Recht auf Nichtdiskriminie-
rung) vereinbar (bitte mit Begründung)?

Drucksache 17/3165 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Wie bewertet die Bundesregierung den generellen Ausschluss von schwu-
len Männern im Hinblick auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
(AGG)?

3. Falls die Bundesregierung keinen Konflikt zum AGG erkennt, wie beurteilt
sie eine dahingehende Reform des AGG, die solche Diskriminierungen ver-
hindert?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung den generellen Ausschluss von schwulen
Männern durch die Richtlinien der Bundesärztekammer?

5. Wie wird die Bundesregierung aktiv werden, um die Diskriminierung
schwuler Männer bei der freiwilligen Blutspende zu beenden?

6. Welche Bestrebungen gibt es von der Bundesregierung oder anderen Insti-
tutionen und Organisationen, um die Richtlinien und Gesetze zur Blut-
spende EU-weit zu harmonisieren?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung das Gesundheitsrisiko in Spanien, Italien
und Russland für Bluttransfusionsempfängerinnen und -empfänger dadurch,
dass schwule Männer nicht generell von der Blutspende ausgenommen sind
(bitte belegen)?

8. Werden, nach Kenntnis der Bundesregierung, Daten aus den Erhebungs-
bögen der Spendeeinrichtungen auch gespeichert, wenn die potentielle
Spenderperson als Mitglied einer Risikogruppe von der Spende ausge-
schlossen wurde?

9. Welche Bundesbehörden empfangen welche Daten von Blutspendeeinrich-
tungen?

10. Empfangen, speichern, nutzen und verarbeiten Bundesbehörden auch über-
mittelte Daten über die sexuelle Orientierung, und wenn ja, zu welchem
Zweck?

11. Inwieweit ist die Löschung der Daten der Blutspenderinnen und Blutspen-
der nach Ablauf der Frist von 30 Jahren (§ 11 TFG) gewährleistet, und wie
wird dies kontrolliert?

Berlin, den 4. Oktober 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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