BT-Drucksache 17/3163

Ausmaß der Steuerrückstände und des steuerlichen Mehrergebnisses durch die Betriebsprüfung

Vom 4. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3163
17. Wahlperiode 04. 10. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Harald Koch, Richard Pitterle
und der Fraktion DIE LINKE.

Ausmaß der Steuerrückstände und des steuerlichen Mehrergebnisses durch die
Betriebsprüfung

Werden Steuern festgesetzt aber nicht erhoben, kommt es zu einem kassen-
bedingten Minderaufkommen. Die fehlende Erhebung kann neben wirtschaft-
lichen Gründen infolge von Stundung oder Erlass auch durch eine sinkende
Zahlungsmoral begründet sein. Daher gilt es zu evaluieren, wie sich die Zah-
lungsmoral in den vergangen Jahren entwickelt hat und welche Gründe die
Bundesregierung für einen möglichen Anstieg der Steuerrückstände anführt.

Eine Erodierung des Steueraufkommens kann neben den Steuerrückständen
auch durch eine aggressive Steueroptimierungsstrategie entstehen. In den meis-
ten Fällen ist der Steuerpflichtige verpflichtet, die Bemessungsgrundlage selbst
zu ermitteln. Im Rahmen der Festsetzung von Steuern obliegt es dann den
Finanzbehörden, die vom Steuerpflichtigen ermittelte Bemessungsgrundlage zu
überprüfen. Bei betrieblichen Unternehmen erfolgt die Überprüfung zumeist
durch eine Betriebsprüfung. Offenkundig entsteht hier ein Interessenkonflikt
zwischen den Zielen des Steuerpflichtigen, die Steuerschuld zu minimieren, und
den Zielen des Staates, eine dem Leistungsfähigkeitsprinzip sachgerechte Be-
steuerung vorzunehmen. Im Rahmen von Betriebsprüfungen erzieltes Mehrauf-
kommen kann einen Aufschluss darüber geben, wie stark dieser Interessenkon-
flikt ausfällt. Hierbei ist ferner zu berücksichtigen, dass die Anzahl der durch-
geführten Betriebsprüfungen pro Unternehmen mit der Größenklasse abnimmt.
Es ist daher zu befürchten, dass bei bestimmten Betriebsgrößenklassen nur eine
unzureichende Überprüfung vorgenommen wird.

Wir fragen daher die Bundesregierung, wie sich die Steuerrückstände und das
vereinnahmte Mehrergebnis durch Betriebsprüfungen im Zeitablauf entwickelt
haben, und wie diese Entwicklung zu bewerten ist.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Möglichkeiten existieren im geltenden Steuerrecht, um infolge von
finanziellen Schwierigkeiten einen Aufschub oder die komplette Ablösung
der Steuerschuld zu erreichen, und welche Zinsansprüche können hierbei

nach welchem Zeitraum entstehen (bitte mit Begründung)?

2. Welche Möglichkeiten existieren im geltenden Steuerrecht für Steuerpflich-
tige, um bei Ausbleiben eines Steuerbescheides bei veranlagten Steuern nach
einem angemessenen Zeitraum die Steuerbehörde zum Erlass eines Beschei-
des zu bewegen, und welche Zinsansprüche können hierbei nach welchem
Zeitraum entstehen (bitte mit Begründung)?

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3. Wie viele Insolvenzen wurden in den Jahren 2004 bis 2009 eröffnet, und
welche durchschnittliche (erwartete) Forderungshöhe ergab sich hierbei
(bitte differenziert nach Bundesland und Art der Insolvenz (Regel-, Ver-
braucherinsolvenzverfahren) sowie Höhe der erwarteten Forderungshöhe)?

4. Wie hat sich das kassenmäßige Steueraufkommen in den Jahren 2004 bis
2009 entwickelt (bitte differenziert nach Bundesländern und Steuerarten)?

5. Welche Steuerrückstände (insgesamt) ergeben sich zum Stand 31. Dezem-
ber in den Jahren 2004 bis 2009 (Kassensoll) jeweils differenziert nach
Bundesland und aufgeschlüsselt auf neu entstandene Forderungen und
Rückstände des vorangegangenen Jahres, untergliedert nach Steuerarten mit
Angabe von kassenmäßigem Aufkommen und Erlass/Niederschlagung?

6. Welche Steuerrückstände ergeben sich zum Stand 31. Dezember in den
Jahren 2004 bis 2009 aus gestundeten Steuern jeweils differenziert nach
Bundesland und aufgeschlüsselt auf neu entstandene Forderungen und
Rückstände des vorangegangenen Jahres, untergliedert nach Steuerarten?

7. Welche Steuerrückstände ergeben sich zum Stand 31. Dezember in den
Jahren 2004 bis 2009 aus ausgesetzten Steuern jeweils differenziert nach
Bundesland und aufgeschlüsselt auf neu entstandene Forderungen und
Rückstände des vorangegangenen Jahres, untergliedert nach Steuerarten?

8. Welche Steuerrückstände ergeben sich zum Stand 31. Dezember in den
Jahren 2004 bis 2009 aus ausgesetzten Steuern infolge der Gewährung der
Aussetzung der Vollziehung jeweils differenziert nach Bundesland und auf-
geschlüsselt auf neu entstandene Forderungen und Rückstände des voran-
gegangenen Jahres, untergliedert nach Steuerarten?

9. Welcher Bestand an erlassenen Steuern ergibt sich zum Stand 31. Dezember
jeweils in den Jahren 2004 bis 2009 jeweils differenziert nach Bundesland,
untergliedert nach Steuerarten und Anzahl der Fälle?

10. Welcher Bestand an niedergeschlagenen Steuern ergibt sich zum Stand
31. Dezember in den Jahren 2004 bis 2009 jeweils differenziert nach
Bundesland, untergliedert nach Steuerarten und Anzahl der Fälle?

11. Wie viele Rückstandsfälle (insgesamt) ergeben sich zum Stand 31. Dezem-
ber in den Jahren 2004 bis 2009 jeweils differenziert nach Bundesland und
Steuerart, Anzahl der gesamten erfassten Steuerfälle und Durchschnitts-
betrag je Rückstandsfall?

12. Wie viele Rückstandsfälle ergeben sich zum Stand 31. Dezember in den
Jahren 2004 bis 2009 jeweils aus gestundeten Steuern differenziert nach
Bundesland und Steuerart, Anzahl der gesamten erfassten Steuerfälle und
Durchschnittsbetrag je Rückstandsfall?

13. Wie viele Rückstandsfälle ergeben sich zum Stand 31. Dezember in den
Jahren 2004 bis 2009 jeweils aus ausgesetzten Steuern differenziert nach
Bundesland und Steuerart, Anzahl der gesamten erfassten Steuerfälle und
Durchschnittsbetrag je Rückstandsfall?

14. Welche, außer der wirtschaftlichen Situation, sonstigen Gründe sieht die
Bundesregierung für einen gestiegenen Bestand an Steuerrückständen, und
sieht die Bundesregierung hierin Anzeichen für eine gesunkene Zahlungs-
moral der Steuerpflichtigen (bitte mit Begründung)?

15. Hält die Bundesregierung die derzeitige Höhe des in der Abgabenordnung
(AO) festgelegten Zinssatzes für ausreichend, um dem Grundgedanken einer
Vorteilsabschöpfung gerecht zu werden (bitte mit Begründung)?

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16. Welche Rückstands-, Erlass- und Niederschlagungsquoten ergeben sich
zum Stand 31. Dezember in den Jahren 2004 bis 2009 jeweils differenziert
nach Bundesland und Steuerart?

17. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Urteil des Bundes-
finanzhofs (BFH) vom 15. Juni 2010 (VIII R 33/07) zur Steuerfreiheit von
Erstattungszinsen im Sinne des § 233a AO, die das Finanzamt an den Steu-
erpflichtigen zahlt (bitte mit Begründung), und plant die Bundesregierung
dieses Urteil für allgemeingültig zu erklären?

18. Wie viele Betriebsprüferinnen und -prüfer waren im Jahresdurchschnitt in
den Jahren 2004 bis 2009 tatsächlich im Einsatz, und wie viele Planstellen
existierten hierbei jeweils (differenziert nach Bundesländern bitte)?

19. Wie viele Betriebe waren in den Jahren 2004 bis 2009 in der Betriebskartei
der Finanzämter erfasst (bitte differenziert nach Bundesländern und nach
Größenklassen gemäß § 3 der Betriebsprüfungsordnung (BpO)?

20. Wie viele Betriebe wurden in den Jahren 2004 bis 2009 jeweils durch die
Betriebsprüfung geprüft (bitte differenziert nach Bundesländern und nach
Größenklassen gemäß § 3 BpO, und in wie vielen Fällen erfolgte die Prü-
fung als Anschlussprüfung?

21. Wie viele natürliche Personen mit bedeutenden Einkünften, Verlustzuwei-
sungsgesellschaften und Bauherrengemeinschaften wurden in den Jahren
2004 bis 2009 erfasst und wurden durch die Betriebsprüfung geprüft?

22. Über welchen Prüfungszeitraum erstreckten sich jeweils die in den Jahren
2004 bis 2009 durchgeführten Betriebsprüfungen?

23. Welches Mehrergebnis an Steuern erzielten die Betriebsprüferinnen und
- prüfer in den Jahren 2004 bis 2009 differenziert nach Bundesländern,
Größenklassen der Betriebe, Steuerarten inkl. Lohnsteuer und vereinnahm-
ten Zinsen?

24. Über welche durchschnittliche Zeitspanne der Prüfungstätigkeit durch die
Betriebsprüferinnen und -prüfer erstreckten sich die in den Jahren 2004 bis
2009 durchgeführten Prüfungen (differenziert nach Bundesländern bitte)?

25. Welche Gründe sieht die Bundesregierung für ein im Zeitablauf steigendes
Mehrergebnis der Betriebsprüfungen, und stimmt die Bundesregierung da-
mit überein, dass ein gestiegenes Mehrergebnis auch auf eine aggressivere
Steuervermeidungsstrategie von Betrieben zurückzuführen ist (bitte mit Be-
gründung)?

26. Stimmt die Bundesregierung damit überein, dass infolge der geringen Prü-
fungsdichte bei mittleren und kleinen Betrieben die Gleichmäßigkeit des
Steuervollzugs nicht mehr gewahrt ist (bitte mit Begründung)?

27. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung getroffen und wird sie ergrei-
fen, um den Forderungen einer zeitnahen Betriebsprüfung zu entsprechen
(bitte mit Begründung)?

28. Stimmt die Bundesregierung dem Beschluss des Finanzgerichts Köln vom
7. Juli 2009 (Aktenzeichen: 13 V 1232/09) zu, dass Betriebsprüfungen, die
im Jahrestakt gegen den ausdrücklichen Willen des betroffenen Unter-
nehmens durchgeführt werden, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens
überschreiten, und daher als bedenklich einzustufen sind, und welche
Schlussfolgerungen ergeben sich hieraus für zeitnahe Betriebsprüfung
(bitte mit Begründung)?

Drucksache 17/3163 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
29. Welche Möglichkeiten existieren für eine Überprüfung des Kapitalertrag-
steuereinbehalts bei Steuerabzugsverpflichteten, und wie wurden diese
Möglichkeiten in den Jahren 2004 bis 2009 konkret vollzogen (bitte mit
Begründung)?

30. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung getroffen, um die vom Bun-
desrechnungshof gerügte geringe Prüfintensität ausländischer Investment-
fonds zu beseitigen, und wie viele in- und ausländische Investmentfonds
wurden durch die Finanzbehörden und das Bundeszentralamt für Steuern in
den Jahren 2004 bis 2009 geprüft (bitte mit Begründung)?

31. In welchen Bereichen sieht die Bundesregierung derzeit ein Vollzugsdefizit
bei der Erhebung der Steuern, und stimmt die Bundesregierung damit über-
ein, dass im Bereich hoher Einkünfte ein strukturelles Vollzugsdefizit
infolge einer geringen Prüfungsintensität besteht (bitte mit Begründung)?

32. Stimmt die Bundesregierung damit überein, dass durch die Einführung
einer Abgeltungsteuer und der nicht zwingenden Mitteilung der Konfession
an die Kapitalsteuerabzugsberechtigten sich das Vollzugsdefizit bei der
Erhebung der Kirchensteuer erhöht hat (bitte mit Begründung)?

33. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der in der Schweiz erlasse-
nen und in Kraft getretenen Verordnung über die Amtshilfe nach Doppelbe-
steuerungsabkommen, und stimmt die Bundesregierung damit überein, dass
durch die Verordnung ein mit der Schweiz ausgehandeltes Doppelbesteue-
rungsabkommen in seiner Wirkung zur Informationsbeschaffung über nicht
erklärte Steuerquellen stark beeinträchtigt wird (bitte mit Begründung)?

34. Welcher Verhandlungsstand existiert mit der Schweiz über den Abschluss
eines Doppelbesteuerungsabkommens, und wann ist die Einbringung in den
Deutschen Bundestag anvisiert (bitte mit Begründung)?

35. Wie hat sich das kassenmäßige Aufkommen der Kapitalertragsteuer in den
Jahren 2004 bis 2010 entwickelt (bitte differenziert nach Bundesländer), und
sieht die Bundesregierung in der Entwicklung auch unter Berücksichtigung
der Abgeltungsteuer die Ziele der Unternehmenssteuerreform als erfüllt, die
Kapitalflucht aus Deutschland zu verhindern und durch einen gesunkenen
Steuersatz (ausländische) Investoren anzulocken (bitte mit Begründung)?

36. In wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2004 bis 2009 ein Kontenabruf
im Sinne des Kontenabrufverfahrens durchgeführt (bitte differenziert nach
Bundesländern und Art des Abrufs der abfragenden Behörde)?

Berlin, den 4. Oktober 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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