BT-Drucksache 17/3136

Verringerung der Kapazität durch Stuttgart 21

Vom 29. September 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3136
17. Wahlperiode 29. 09. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sabine Leidig, Karin Binder, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert
Behrens, Heidrun Bluhm, Annette Groth, Heike Hänsel, Caren Lay, Thomas Lutze,
Ulrich Maurer, Jens Petermann, Richard Pitterle, Michael Schlecht, Dr. Kirsten
Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Verringerung der Kapazität durch Stuttgart 21

Im August 2010 begann die Deutsche Bahn AG mit dem Abriss des Nordflügels
des Stuttgarter Hauptbahnhofes. Das war der Auftakt für dessen in der Bevölke-
rung hoch umstrittenen Umbau, der unter dem Begriff Stuttgart 21 firmiert. An
Stelle des bisherigen Kopfbahnhofes mit 17 Gleisen soll ein unterirdischer
Bahnhof mit acht Durchgangsgleisen entstehen. Auch die Zu- und Ablaufstre-
cken werden neu gestaltet.

Der „stern“ vom 8. Juli 2010 veröffentlichte in einem Beitrag von Arno Luik
Auszüge aus der Studie der renommierten schweizerischen Firma SMA und
Partner AG vom Juni 2008 zum Projekt Stuttgart 21. Diese Studie belegt, dass
durch Stuttgart 21 eine deutliche Verringerung der Kapazität erfolgen würde. In
dem SMA-und-Partner-Bericht wird festgestellt, dass es bei Realisierung von
Stuttgart 21 nur noch „eine geringe Gestaltungsmöglichkeit des Fahrplans“
geben würde, dass Stuttgart 21 insgesamt ein „schwer beherrschbares Gesamt-
system“ sei und dass Stuttgart 21 auf mehreren Verbindungen des S- und Re-
gionalbahnverkehrs mit Fahrtzeitverlängerungen verbunden wäre (z. B. auf der
Interregio-Express-Strecke Stuttgart–Tübingen und auf der Gäubahn). Bei ein-
zelnen Zügen seien Standzeiten im neuen Durchgangsbahnhof von bis zu 12
Minuten erforderlich. Der für eine qualitative Verbesserung des Schienenver-
kehrs erforderliche integrale Taktfahrplan wäre bei Verwirklichung von Stutt-
gart 21 ausgeschlossen. Insgesamt würde der neue Bahnhof zu einem Nadelöhr.

§ 11 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) schreibt vor, dass auch eine
„mehr als geringfügige Verringerung der Kapazität einer Strecke“ ein Still-
legungsverfahren erfordert. Die Genehmigung ist bei Eisenbahnen des Bundes
durch das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) als Aufsichtsbehörde im Benehmen mit
der zuständigen Landesbehörde zu erteilen. Im „Eisenbahnrecht“ (Wolfgang
Kunz (Hrsg.) Baden-Baden, 1994, Stand 1. August 2010) heißt es, dass § 11
Absatz 1 Satz 1 AEG „auch die für den Betriebsablauf wichtigen Bahnhöfe“ er-
fasst.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass der Umbau des Stuttgarter
Bahnhofes angesichts der Verringerung der Zahl der Gleise im neuen Haupt-
bahnhof von derzeit noch 17 auf dann nur noch acht eine mehr als geringfü-
gige Verringerung der Kapazität bedeutet (bitte mit Begründung)?

Drucksache 17/3136 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Wie definiert die Bundesregierung eine „mehr als geringfügige Verringerung
der Kapazität“ (§ 11 Absatz 1 Satz 1 AEG), vor dem Hintergrund, dass die
frühere Regelung einer „deutlichen“ Verringerung der Kapazität mit einem
Rückgang der Kapazität um 25 Prozent definiert wurde?

3. Wie viele Verfahren nach § 11 AEG wurden im Jahr 2009 durchgeführt?

4. Teilt die Bundesregierung die im „Eisenbahnrecht“ vertretene Rechtsauf-
fassung, dass § 11 Absatz 1 Satz 1 AEG auch für Bahnhöfe gilt (bitte mit
Begründung)?

5. Trifft es zu, dass für den Umbau des Stuttgarter Bahnhofes kein Stilllegungs-
verfahren auf Basis von § 11 AEG durchgeführt wurde?

Wenn ja, warum?

6. Trifft es zu, dass für die Neugestaltung der Zu- und Ablaufstrecken zum
neuen Stuttgarter Bahnhof kein Stilllegungsverfahren auf Basis von § 11
AEG durchgeführt wurde?

Wenn ja, warum?

7. Trifft es zu, dass es eine Weisung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung an das EBA gab, für Stuttgart 21 auf entsprechende
Verfahren zu verzichten?

Berlin, den 29. September 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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