BT-Drucksache 17/2981

Zukunft des Zivildienstes

Vom 17. September 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2981
17. Wahlperiode 17. 09. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heidrun Dittrich, Diana Golze, Matthias W. Birkwald, Christine
Buchholz, Andrej Hunko, Katja Kipping, Jutta Krellmann, Cornelia Möhring,
Alexander Ulrich, Katrin Werner, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Zukunft des Zivildienstes

Am 17. Juni 2010 beschloss der Deutsche Bundestag mit der Mehrheit der
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und der FPD eine grundlegende
Umstrukturierung des Zivildienstes. Am 9. Juli 2010 stimmte auch der Bundes-
rat dem Gesetz zur Änderung wehr- und zivildienstlicher Vorschriften 2010
(WehrRÄndG 2010) zu. Diese Änderungen sollen am 1. Dezember 2010 in
Kraft treten.

Ungeachtet dieser neuen Gesetzeslage findet in der Bundesregierung eine er-
neute Diskussion über die Zukunft des Wehr- und Zivildienstes statt, die mehr
Fragen aufwirft als es Antworten darauf gibt, was die Bundesregierung nun tat-
sächlich plant.

Angesichts dieser erneuten Diskussion und der veränderten sozial- und verteidi-
gungspolitischen Rahmenbedingungen, stellen sich auch erneut Fragen nach der
gesellschaftlichen Berechtigung von Pflichtdiensten und deren Auswirkungen
auf Gesellschaft und Wirtschaft in Deutschland. Auch die jüngsten Überlegungen
der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Kristina
Schröder, einen bundesweiten freiwilligen Zivildienst mit staatlicher Förderung
zu schaffen, bedürfen einer gründlichen politischen und juristischen Evaluation,
um u. a. negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu verhindern.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Verwendung plant die Bundesregierung für die durch die Verkürzung
des Zivildienstes frei werdenden Haushaltsmittel ab 2011?

2. Welche konkreten Überlegungen zur Aufstockung der Haushaltsmittel für die
Jugend- und Auslandsfreiwilligendienste 2011 gibt es derzeit im Bundes-
ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in Bezug auf
die Vereinbarung im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, die
Jugend- und Auslandsfreiwilligendienste qualitativ zu stärken und quantitativ
auszubauen?
3. Gibt es im BMFSFJ Überlegungen, dass der Zivildienst rechtlich von der
Wehrpflicht unabhängig zu gestalten ist und vom bisherigen Zivildienstgesetz
(ZDG) abgekoppelt werden soll?

4. Gibt es im BMFSFJ Überlegungen, dass der Zivildienst mit seinem bisherigen
Charakter als Wehrersatzdienst auch bei einem Aussetzen der Wehrpflicht in
der Zukunft bestehen bleiben soll?

Drucksache 17/2981 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
5. Ist es vorgesehen, bei Aussetzung der Wehrplicht eine allgemeine Dienst-
pflicht für Männer und Frauen zu schaffen und den Artikel 12a des Grund-
gesetzes zu verändern?

6. Wenn die Frage wegen noch nicht abgeschlossener Prüfungen im BMFSFJ
nicht beantwortet werden kann, bis zu welchem genauen Termin erwartet
das BMFSFJ den Abschluss der zur Beantwortung dieser Frage erforder-
lichen Prüfungen?

7. Gibt es Überlegungen im BMFSFJ, dass es bei einer Öffnung des Zivil-
dienstes für Frauen eine Anrechnung ihrer Dienstzeit auf die Rente gibt oder
andere, die Dienstzeit ausgleichende Regelungen geben soll, wie z. B. die
bevorzugte Einstellung oder eine bevorzugte Aufnahme des Kindes in eine
Kinderbetreuungseinrichtung?

8. Wie begründet die Bundesregierung die gesellschaftliche Notwendigkeit,
den Zivildienst im Falle des Aussetzens des Wehrdienstes weiterbestehen zu
lassen?

9. Soll es nach den Plänen der Bundesregierung einen Bonus für freiwillig ver-
längernde Zivildienstleistende analog zu freiwillig Wehrdienst Leistenden
(FWDL) bei der Bundeswehr geben?

10. Wie begründet die Bundesregierung die befürchteten „schwerwiegenden
negativen Folgen für die soziale Infrastruktur“ (Dr. Kristina Schröder) bei
einem Wegfall des Zivildienstes, wenn aufgrund der Arbeitsmarktneutralität
offiziell kein Zivildienstleistender einen regulären Arbeitsplatz besetzen
oder ersetzen darf?

11. Sollen Menschen, die sich für den Zivildienst entscheiden, auch in privaten
Kapitalgesellschaften eingesetzt werden können?

12. Wie plant die Bundesregierung arbeitsmarktpolitische Verdrängungseffekte
durch den Einsatz von angedachten 35 000 freiwilligen Zivildienstleisten-
den auszuschließen?

13. Plant die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass Zivildienstleistende
mit regulär Beschäftigten vergleichbare Arbeitszeiten haben, ebenso wie
diese Verantwortung tragen und auch im Einsatz der Leistung mit anderen
Beschäftigten vergleichbar sind, dass künftig Zivildienstleistende auch ver-
gleichbare Rechte wie regulär Beschäftigte erhalten, wie z. B. das Mitspra-
cherecht?

14. Soll es nach Plänen der Bundesregierung einen qualitativen Unterschied
zwischen dem „Freiwilligen Zivildienst“ und den Jugend- und Auslandsfrei-
willigendiensten geben, vor dem Hintergrund, dass viele Wohlfahrts- und
Sozialverbände die in der Diskussion stehende Einführung eines „Freiwilli-
gen Zivildienstes“ mit dem Argument kritisieren, es handele sich um un-
nötige Parallelstrukturen zu den bisherigen Jugend- und Auslandsfreiwilli-
gendiensten?

15. Ist geplant, den freiwilligen Zivildienstleistenden eine pädagogische Betreu-
ung, die mit der bei den Jugend- und Auslandsfreiwilligendiensten ver-
gleichbar ist, anzubieten?

16. Plant die Bundesregierung, die Vergütung von freiwilligen Zivildienstleis-
tenden und Menschen, die einen Jugend- und Auslandsfreiwilligendienst
wahrnehmen, bei gleicher Arbeit unterschiedlich zu regeln?

17. Wie plant die Bundesregierung die Ungleichbehandlung von jungen Men-
schen, die anstelle eines Zivildienstes einen Freiwilligendienst ableisten,

aufzuheben?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2981

18. Wie beurteilt die Bundesregierung die Befürchtung der Gewerkschaft ver.di,
dass der gerade mühsam eingeführte Mindestlohn von 8,50 Euro im Westen
und 7,50 Euro im Osten für Pflegehilfskräfte durch Zivildienstleistende in
der Pflege mit einem Stundenlohn von nur 3,75 Euro pro Stunde unterlaufen
wird?

Berlin, den 16. September 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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