BT-Drucksache 17/290

Verlängerung der Altfallregelung durch die Konferenz der Innenminister und -senatoren

Vom 15. Dezember 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 17/290
17. Wahlperiode 15. 12. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Neskovic, Sevim Dag˘delen, Jan Korte,
Petra Pau, Jens Petermann, Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion
DIE LINKE.

Verlängerung der Altfallregelung durch die Konferenz der Innenminister
und - senatoren

Bereits seit langem war bekannt, dass sich eine neue Bundesregierung mit den
Unzulänglichkeiten der gesetzlichen Altfallregelung der früheren Bundesregie-
rung der CDU, CSU und SPD zu befassen haben wird. Durch diese Regelung
war eine Aufenthaltserlaubnis auf Probe eingeführt worden für Personen, die
bis auf eine eigenständige Lebensunterhaltssicherung alle Bedingungen für den
Erhalt eines Bleiberechts erfüllten. Der damalige Gesetzgeber hat jedoch aus-
geschlossen, dass der Aufenthalt auf Probe über den 31. Dezember 2009 hinaus
verlängert oder dass der Aufenthalt zumindest als rechtmäßig angesehen wer-
den kann, bis über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entschieden wurde
(Fiktionswirkung).

Nun hat die Innenministerkonferenz (IMK) am 4. Dezember 2009 eine Rege-
lung beschlossen, mit der Aufenthaltserlaubnisse auf Probe nach § 104a des
Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) um weitere zwei Jahre verlängert werden kön-
nen. Etwa bei Personen, die sich um eine Unterhaltssicherung für sich und et-
waige Familienangehörige „bemüht“ haben und bei denen „die Annahme ge-
rechtfertigt ist, dass der Lebensunterhalt nach diesen zwei Jahren eigenständig
durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gesichert sein wird“ (Mitteilung des
Senators für Inneres und Sport der Freien und Hansestadt Bremen vom 4. De-
zember 2009). Die erneute Aufenthaltserlaubnis auf Probe soll den Familien-
nachzug und die Aufenthaltsverfestigung ausschließen, obwohl die gewählte
Rechtsgrundlage des § 23 Absatz 1 Satz 1 AufenthG solche Einschränkungen
nicht vorsieht.

Mit der von den Innenministern und -senatoren getroffenen Regelung vom
4. Dezember 2009 sind nicht nur solche rechtlichen Unklarheiten verbunden.
Unklar ist beispielsweise auch, wie die Ausländerbehörden fachgerecht prüfen
sollen, ob sich eine Personen um die Lebensunterhaltssicherung bemüht hat,
wie viel Bemühen ausreichend sein soll und wie angesichts der Krisenhaftig-
keit kapitalistischer Ökonomie eine Ausländerbehörde eine Prognose darüber
abgeben können soll, ob der Unterhalt einer Person auch in zwei Jahren noch

gesichert sein wird. Auch an anderer Stelle ergibt sich Fragebedarf.

Den Fragestellerinnen und Fragestellern ist bewusst, dass die konkrete Umset-
zung des IMK-Beschlusses in erster Linie Sache der Bundesländer ist. Sie
gehen jedoch davon aus, dass der Bundesminister des Innern sich darüber in-
formiert hat und wusste, zu welcher Regelung in welchem Umfang er sein

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Einverständnis erklärte, so dass das Bundesministerium des Innern zur Beant-
wortung der nachfolgenden Fragen in der Lage sein müsste.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie ist die von den Innenministern und -senatoren im Einvernehmen mit
dem Bundesminister des Innern getroffene Regelung zu verstehen, dass eine
Aufenthaltserlaubnis erhält, wer am 31. Dezember 2009 für die vergangenen
sechs Monate eine „Halbtagsbeschäftigung“ nachweisen bzw. bis zum
31. Januar 2010 eine solche für die kommenden sechs Monate „glaubhaft
nachweisen“ kann?

a) Bezieht sich der Begriff „Halbtagsbeschäftigung“ auf die Wochenarbeits-
zeit, und wie hoch soll die Wochenstundenzahl sein?

b) Welches Einkommen soll in dieser Zeit erzielt werden, und was geschieht
mit Antragstellern, die in einer Halbtagsbeschäftigung kein für die Unter-
haltssicherung ausreichendes Einkommen erzielen?

c) Worin besteht der „glaubhafte Nachweis“ einer Halbtagsbeschäftigung
für die kommenden sechs Monate (auch beispielhafte Aufzählung mög-
lich)?

d) Welche Bedingungen sollen für die Verlängerung dieser Aufenthaltser-
laubnisse zum 31. Dezember 2011 gelten, insbesondere hinsichtlich der
Lebensunterhaltssicherung (bitte genau begründen)?

2. Welche Bedingungen sollen bei der Verlängerung zum 31. Dezember 2011
bei den Aufenthaltserlaubnissen gelten, die aufgrund eines erfolgreichen
Schul- oder Berufsbildungsabschlusses oder einer noch laufenden Berufs-
ausbildung von Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis auf Probe erteilt
wurden, insbesondere hinsichtlich der Lebensunterhaltssicherung?

a) Bezieht sich die Aussage im IMK-Beschluss, „und bei denen deshalb er-
wartet werden kann, dass sie sich in unsere Gesellschaft erfolgreich inte-
grieren und sie zukünftig ihren Lebensunterhalt selbständig sichern wer-
den“, auch auf Personen, die ihre Ausbildung bereits erfolgreich beenden
konnten, oder nur auf solche, die sich noch in einer Berufsausbildung be-
finden?

b) Handelt es sich bei der zitierten Aussage um eine weitere Bedingung, und
wenn ja, wie soll sie konkret überprüft und nachgewiesen werden, oder
handelt es sich um eine Feststellung, und wenn ja, müsste dann nicht auf
weitere Integrations- oder Lebensunterhaltssicherungsnachweise in der
Zukunft verzichtet werden (bitte begründen)?

3. Aus welchen Gründen ist die weitere Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
auf Probe nach dem IMK-Beschluss nur als Kann-Bestimmung ausgestaltet
worden, und welche weiteren Kriterien für die erneute Erteilung einer Auf-
enthaltserlaubnis auf Probe sollen in das Ermessen der Ausländerbehörden
einfließen?

4. Wie verhält sich die nun zu erteilende Aufenthaltserlaubnis auf Probe nach
§ 23 Absatz 1 Satz 1 AufenthG im Rahmen der IMK-Regelung zur alten
Aufenthaltserlaubnis auf Probe nach § 104a Absatz 1 Satz 1 AufenthG?

a) Wie ist es rechtlich möglich, dass der Familiennachzug bei einer solchen
Aufenthaltserlaubnis auf Probe nach § 23 Absatz 1 Satz 1 AufenthG aus-
geschlossen sein soll, obwohl dies nach dem Wortlaut des § 23 Absatz 1
AufenthG und der Systematik des Aufenthaltsgesetzes nicht vorgesehen

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ist, und kann durch Beschluss der IMK geltendes Recht außer Kraft ge-
setzt oder geändert werden (bitte begründen)?

b) Wie ist es rechtlich möglich, dass bei einer solchen Aufenthaltserlaubnis
auf Probe nach § 23 Absatz 1 Satz 1 AufenthG zudem eine Aufenthalts-
verfestigung ausgeschlossen sein soll, obwohl auch diesbezüglich die Re-
gelungen des Aufenthaltsgesetzes etwas anderes vorsehen?

c) Wie ist der Wortlaut des einzutragenden Aufenthaltstitels in die Aufent-
haltspapiere der Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis auf Probe nach der
IMK-Regelung, und wie werden die anderen Aufenthaltserlaubnisse nach
der IMK-Regelung genauer bezeichnet werden?

d) In welcher konkreten Weise werden die Bemühungen um eine Sicherung
des Lebensunterhalts für den Erhalt einer weiteren Aufenthaltserlaubnis
auf Probe nachzuweisen sein, und welche Kriterien sollen gelten (auch
eine beispielhafte Auflistung ist möglich)?

e) Wie sollen die Ausländerbehörden abschätzen können, ob die Betroffe-
nen in zwei Jahren ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern können
werden, und welche Kriterien oder Anhaltspunkte sollen hierbei gelten?

f) Ist unter eigenständiger Lebensunterhaltssicherung in diesem Zusammen-
hang gemeint, dass bei der Berechnung des in zwei Jahren nachzuweisen-
den Einkommens sozialrechtliche Freibeträge erschwerend berücksichtigt
werden (bitte ausführen), und welche konkreten Bemühungen hat die
Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integra-
tion inzwischen unternommen, um zu den von ihr für richtig erachteten
gesetzlichen Änderungen in diesem Zusammenhang zu kommen (vgl.
Bundestagsdrucksache 16/14088, S. 17)?

5. Welche Aufenthaltstitel im Rahmen der IMK-Regelung erhalten jene Perso-
nen, die ursprünglich eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Absatz 1
i. V. m. § 23 Absatz 1 AufenthG oder aufgrund des IMK-Bleiberechtsbe-
schlusses aus dem Jahr 2006 erhalten haben, inzwischen aber wieder arbeits-
los geworden sind, und inwieweit gelten für diesen Personenkreis dieselben
oder ähnliche Bedingungen wie bei den Regelungen zu den auf Probe erteil-
ten Aufenthaltserlaubnissen?

6. Ist der Bundesregierung bekannt, wie die Bundesländer eine bundeseinheit-
liche Umsetzung des Beschlusses der Innenministerkonferenz in der Kürze
der Zeit erreichen wollen?

a) Welche auf Länderebene vorliegenden Weisungen und Erlasse sind der
Bundesregierung bekannt (bitte auch den jeweiligen Inhalt benennen, so-
weit Regelungen abweichend vom Wortlaut des IMK-Beschlusses getrof-
fen wurden)?

b) Ist der Bundesregierung bekannt, in welchen Bundesländern Erlasse der
jeweiligen Innenbehörde üblicherweise noch durch weitere Weisungen
auf kommunaler Ebene konkretisiert werden, und wie viel Zeit nimmt
dies üblicherweise in Anspruch?

c) Geht die Bundesregierung davon aus, dass Anträge auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis nach dem IMK-Beschluss vom 4. Dezember 2009
eine Fiktionswirkung entfalten und eine Prüfung dieser Anträge nicht
mehr vor dem 31. Dezember 2009 abgeschlossen sein muss (bitte genau
begründen), und wenn nein, wie wird in diesen Fällen verfahren werden?

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7. Hält die Bundesregierung über den IMK-Beschluss hinaus Änderungen des
Aufenthaltsgesetzes zur Vermeidung von Kettenduldungen für erforderlich,
wenn ja, welche Änderungen und wann wird die Bundesregierung in dieser
Hinsicht initiativ werden, und wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 15. Dezember 2009

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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