BT-Drucksache 17/2854

Existenzsicherungslücke im Übergang von Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II in die Rente

Vom 2. September 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2854
17. Wahlperiode 02. 09. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katja Kipping, Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Heidrun
Dittrich, Klaus Ernst, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion
DIE LINKE.

Existenzsicherungslücke im Übergang von Arbeitslosengeld und
Arbeitslosengeld II in die Rente

Renten der gesetzlichen Rentenversicherung, die ab dem 1. April 2004 geleistet
werden, werden zum Monatsende gezahlt, Leistungen nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II) und dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)
dagegen zum Monatsanfang. Dadurch ergibt sich im Übergang von Arbeits-
losengeld oder Arbeitslosengeld II in die Rente eine Deckungslücke, die zu
erheblichen finanziellen Härten führen und unter Umständen, und insbesondere
bei Personen, die vom Existenzminimum leben, die Existenzsicherung der Be-
troffenen gefährden kann.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Personen wechselten in den vergangenen fünf Jahren jährlich aus
dem Leistungsbezug des SGB II bzw. SGB III in den Bezug einer Rente
nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), wie viele waren es
jeweils in den vergangenen zwölf Monaten?

2. In wie vielen Fällen kommt es dabei zu finanziellen Lücken bei der Deckung
des Lebensunterhalts, die von den Betroffenen nicht alleine kompensiert
werden können?

3. Welche gesetzlichen Leistungsansprüche haben Personen, die vom SGB II
bzw. SGB III in eine Rente nach dem SGB VI wechseln, wenn sie in dieser
Übergangsphase ihren Lebensunterhalt nicht selbstständig sichern können?

4. Wer ist für die Betroffenen in diesem Fall der erste Ansprechpartner – der
zuständige Grundsicherungsträger nach dem SGB II, die Bundesagentur für
Arbeit oder das Sozialamt?

5. Wie stellt sich die Situation für Personen im Leistungsbezug des SGB II
oder SGB III dar, die aus dem Leistungsbezug in eine Erwerbsarbeit wech-
seln, hier jedoch erst Mitte oder Ende des ersten Monats ihrer Tätigkeit ein
Arbeitseinkommen zu erwarten haben?
Welche gesetzlichen Leistungsansprüche auf Hilfe haben sie in dieser Über-
gangsphase, und wer ist ihr Ansprechpartner?

6. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über die Umgangsweise
der Träger der Grundsicherung nach dem SGB II bzw. der Arbeitsagenturen
mit der betroffenen Personengruppe, wenn diese sich an diese Stellen wen-
den?

Drucksache 17/2854 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
7. Inwiefern können auch die Träger der Grundsicherung nach dem SGB II
bzw. die Arbeitsagenturen in solchen Übergangsfällen ein Darlehen ge-
währen, ist dies eine gängige Praxis, und welche Folgen ergeben sich aus
dem Überleitungsanspruch des Grundsicherungsträgers bzw. der Arbeits-
agentur an den Rentenversicherungsträger für die Betroffenen?

8. Inwiefern ist es den Betroffenen möglich durch eine freiwillige Verzichts-
erklärung auf einen Teil ihrer Rente eine schrittweise Rückzahlung des
Darlehens zu erwirken und so eine Situation zu vermeiden, in der der
Grundsicherungsträger bzw. die Arbeitsagentur seinen bzw. ihren Über-
leitungsanspruch gegenüber dem Rentenversicherungsträger auf einen
Schlag geltend macht?

9. Inwiefern hält es die Bundesregierung für sinnvoll, dass die Arbeitsagentu-
ren bzw. die Träger der Grundsicherung nach dem SGB II und nicht das
Sozialamt für solche Übergangsfälle zuständig sind, weil diese bereits mit
den Fällen vertraut sind?

10. Wie bewertet sie die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer gesetzlichen
Regelung dergestalt, dass der § 23 Absatz 4 SGB II so verändert wird, dass
auch bei Erwartung einer Rente nach dem SGB VI bzw. eines Arbeits-
einkommens ein Recht auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
auf Darlehensbasis besteht bzw. ist dieses Recht bereits heute aus dieser
Norm ableitbar?

11. Wenn Letzteres bejaht wird, warum werden die Betroffenen dennoch in
vielen Fällen auf die Darlehensgewährung nach dem Zwölften Buch
Sozialgesetzbuch (SGB XII) verwiesen, und bestünde demgegenüber nicht
eine Aufklärungs- und Leistungspflicht des Grundsicherungsträgers nach
dem SGB II?

12. Wenn bereits heute in solchen Übergangsfällen eine Aufklärungs- und
Leistungspflicht des Grundsicherungsträgers nach dem SGB II besteht,
wie übt die Bundesregierung dann ihre Rechtsaufsicht über die Grund-
sicherungsträger aus und gewährleistet, dass diese ihrer Aufklärungs- und
Leistungspflicht tatsächlich nachkommen?

Berlin, den 2. September 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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