BT-Drucksache 17/2853

Umgang der Bundeswehr mit Kindersoldaten bei Auslandseinsätzen

Vom 2. September 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2853
17. Wahlperiode 02. 09. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Jan van Aken, Sevim Dag˘delen, Inge
Höger, Harald Koch, Niema Movassat, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler, Katrin
Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Umgang der Bundeswehr mit Kindersoldaten bei Auslandseinsätzen

Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass gegenwärtig etwa 250 000 Kin-
der und Jugendliche unter 18 Jahren als Kindersoldaten eingesetzt werden.
Nach Angaben der Vereinten Nationen und der internationalen Coalition to
Stop the Use of Child Soldiers ist dies unter anderem auch in Somalia und
Afghanistan – also den Einsatzgebieten der Bundeswehr – der Fall. Angesichts
der gegenwärtigen Ausrichtung der deutschen Sicherheitspolitik ist davon aus-
zugehen, dass die Bundeswehr auch in Zukunft an militärischen Interventionen
in Ländern teilnehmen wird, in denen die jeweiligen nationalen Streitkräfte
und/oder die aufständischen bewaffneten Gruppen auch Kindersoldaten ein-
setzen. Damit stellt sich die Frage, wie die Bundeswehr auf die spezifischen
Herausforderungen im Umgang mit Kindersoldaten vorbereitet ist, z. B. hin-
sichtlich von Gefechten gegen Kindersoldaten, der Gefangennahme von
Kindersoldaten, der Ausbildung von Kindersoldaten oder der Duldung des Ein-
satzes von Kindersoldaten bei verbündeten Streitkräften.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welchen Stellenwert haben das Thema Kindersoldaten und die diesbezüg-
lichen rechtlichen Verpflichtungen Deutschlands in der regulären Ausbildung
der Soldatinnen und Soldaten, und für welche Dienstgrade sind ent-
sprechende Ausbildungsmodule vorgesehen (bitte jeweils unter Angabe der
dafür vorgesehenen Zeiteinheiten)?

2. Welchen Stellenwert hat die mögliche Konfrontation mit Kindersoldaten in
der Vorbereitung der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr auf Aus-
landseinsätze (Einsatzvorbereitende Ausbildung für Krisenbewältigung und
Konfliktverhütung – EAKK), insbesondere bei den Auslandseinsätzen in der
Demokratischen Republik Kongo (2006) sowie in Afghanistan (seit 2002)
und im Rahmen von Atalanta (seit 2009) und bei der European Union Trai-
ning Mission of Somalia – EUTM-Somalia (2010)?

3. Mit welchen Institutionen und Initiativen und seit wann kooperiert die
Bundeswehr bei der Erstellung und Vermittlung von Materialien zum Thema

Kindersoldaten?

4. Über welche eigenen Kapazitäten für die Vorbereitung der Soldatinnen und
Soldaten auf eine Konfrontation mit Kindersoldaten, wie z. B. Expertinnen
und Experten, verfügt die Bundeswehr?

Drucksache 17/2853 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Reichen diese Kapazitäten nach Einschätzung der Bundesregierung aus
oder besteht in einigen Bereichen Verbesserungsbedarf, und wann und wie
soll dieser Bedarf gegebenenfalls erfüllt werden?

6. Welche Strukturen sind im Einsatzgebiet vorgesehen für die entsprechende
Betreuung und Anleitung der Soldatinnen und Soldaten und die Prüfung,
ob die Bundeswehr ihre Verpflichtungen gemäß der Kinderschutzkonven-
tion und dem Fakultativprotokoll einhält?

Welche diesbezüglichen Kapazitäten unterhält die Bundeswehr in Afgha-
nistan, Somalia und Uganda?

7. Welche Richtlinien existieren für die Beteiligung der Bundeswehr an ge-
meinsamen militärischen Operationen mit Einheiten anderer Streitkräfte,
die Kindersoldaten rekrutieren und einsetzen?

8. Welche Verfahren sind vorgesehen für den weiteren Umgang mit durch die
Bundeswehr verletzten Kindersoldaten und durch die Bundeswehr fest-
gehaltenen oder festgenommenen Kindersoldaten?

9. Wird der Umgang mit Kindersoldaten in den Einsatzrichtlinien für den
ISAF-Einsatz (ISAF – Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe) und
für EUTM-Somalia ausdrücklich behandelt?

a) Wenn ja, welche Verfahren sind jeweils diesbezüglich vorgesehen?

b) Wenn nicht, warum nicht?

10. Welchen Stellenwert hat die Unterzeichnung der Kinderschutzkonvention
und des Fakultativprotokolls bei der Entscheidung der Bundesregierung,
Angehörige anderer Streitkräfte auszubilden oder diese Streitkräfte mit
Ausstattungshilfe zu unterstützen?

11. Welche Rolle spielt der Umgang mit Kindersoldaten bei der Ausbildung
somalischer Rekruten im Rahmen der European Training Mission of
Somalia, und welche Umgangsweisen mit Kindersoldaten werden dabei
konkret vermittelt?

12. Welche Richtlinien bestehen hinsichtlich der Beteiligung der Bundeswehr
an Reformen des Sicherheitssektors in Drittstaaten, in denen Kinder-
soldaten rekrutiert und eingesetzt werden?

13. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass
den Streitkräften der Demokratischen Republik Kongo Kindersoldaten an-
gehören, für die deutsche Unterstützung der dortigen Reform des Sicher-
heitssektors?

14. Mit welchen Maßnahmen gewährleistet die Bundesregierung, dass im
Rahmen der militärischen Ausbildungshilfe die Ausbilder der Bundeswehr
keine minderjährigen Angehörigen anderer Streitkräfte ausbilden, und wie
wird dies konkret in Afghanistan umgesetzt?

15. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Rekrutierung und den
Einsatz von Minderjährigen in der afghanischen Polizei und den Streit-
kräften?

16. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Teilnahme von
Minderjährigen an Kampfhandlungen und Anschlägen auf Seiten der auf-
ständischen Gruppierungen in Afghanistan (bitte aufgeschlüsselt nach den
verschiedenen aufständischen Gruppierungen)?

17. In wie vielen Fällen hat die Bundeswehr in Afghanistan mutmaßliche An-
gehörige der aufständischen Gruppierungen festgesetzt bzw. festgenom-
men, und wurde vor der Übergabe an die afghanischen Sicherheitsbehör-

den das Alter dieser Personen geprüft?

Wie wurde gegebenenfalls mit den Kindersoldaten weiter verfahren?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2853

18. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass mit den minderjährigen
Angehörigen der afghanischen aufständischen Gruppierungen im Falle der
Gefangennahme anders verfahren werden sollte als mit Erwachsenen?

a) Wenn ja, wie wird dies derzeit durch die Bundeswehr, andere ISAF-
Truppen und die afghanischen Behörden gewährleistet?

b) Wenn nicht, warum nicht?

19. Wurden im Rahmen von ISAF und OEF (Operation andauernde Freiheit)
besondere Verfahren für den Umgang mit Kindersoldaten vereinbart?

a) Wenn ja, welche?

b) Wenn nicht, warum wurde dies nicht als notwendig erachtet?

20. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung in den bisherigen Einsatz-
gebieten der Bundeswehr, insbesondere in Afghanistan und der Demokrati-
schen Republik Kongo, zur Demobilisierung und Reintegration von Kinder-
soldaten finanziert (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und Kosten der Maß-
nahmen)?

Berlin, den 31. August 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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