BT-Drucksache 17/2778

Weiteres Vorgehen der Bundesregierung beim Nationalen Stipendienprogramm und der 23. BAföG-Novelle

Vom 19. August 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2778
17. Wahlperiode 19. 08. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kai Gehring, Priska Hinz (Herborn), Sylvia Kotting-Uhl,
Krista Sager, Ekin Deligöz, Katja Dörner, Agnes Krumwiede, Monika Lazar,
Tabea Rößner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Weiteres Vorgehen der Bundesregierung beim nationalen Stipendienprogramm
und der 23. BAföG-Novelle

Am 9. Juli 2010 ist das Studienfinanzierung-Paket der Bundesregierung, beste-
hend aus der 23. BAföG-Novelle und dem nationalen Stipendienprogramm, im
Bundesrat beraten worden.

Während das nationale Stipendienprogramm von einer Bundesratsmehrheit be-
schlossen wurde, aber nun nur noch ausschließlich aus Bundesmitteln bestritten
werden soll, wurde die 23. BAföG-Novelle gestoppt und in den Vermittlungs-
ausschuss zur Nachverhandlung überwiesen.

Durch diese Vorgehensweise ist nun völlig ungewiss, ob und wann die BAföG-
Reform bei den Studierenden ankommt und wie die künftige gemeinsame
Finanzierung dieses zentralen Elementes der Studienfinanzierung aussehen wird.

Verschiedene Presseberichte und Äußerungen seitens des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung (BMBF) legen zudem nahe, dass das gerade be-
schlossene nationale Stipendienprogramm nur mit einem deutlich kleineren
Umfang und der Stipendien-Ausbau in einem klar längeren Zeitrahmen umge-
setzt werden soll als ursprünglich geplant und beschlossen.

Daraus ergeben sich verschiedene Fragen zum weiteren Vorgehen der Bundes-
regierung sowie zur konkreten inhaltlichen Ausgestaltung und zeitlichen Umset-
zung beider Gesetzesvorhaben.

Wir fragen daher die Bundesregierung:

1. Aus welchen inhaltlichen und sonstigen Gründen hat die Bundesregierung
die von ihr und im Deutschen Bundestag beschlossene Finanzstruktur korri-
giert, wonach die Bundesländer ein Viertel der Kosten für die Stipendien aus
dem Stipendienprogramm-Gesetz übernehmen sollten, und stattdessen eine
vollständige Übernahme des Länderanteils zugesagt?

2. Wann beabsichtigt die Bundesregierung dem Bundestag eine aktualisierte
Fassung des Gesetzes zur Schaffung eines nationalen Stipendienprogramms

vorzulegen?

3. Welche Änderungen über die Aufbringung der Mittel hinaus plant die Bun-
desregierung an dem Gesetz zur Schaffung eines nationalen Stipendienpro-
gramms dem Bundestag vorzulegen?

4. Erstreckt sich die von der Bundesministerin für Bildung und Forschung
Dr. Annette Schavan auf der 873. Sitzung des Bundesrates zugesagte Kom-

Drucksache 17/2778 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

plettübernahme der Kosten für das nationale Stipendienprogramm durch
den Bund auch auf die Erstattung von Bürokratiekosten der Hochschulen
(Akquise, Vergabeverfahren)?
a) Falls ja, von welcher Kostenhöhe geht die Bundesregierung aus?
b) Falls nein, sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass an den Hochschu-

len insbesondere in finanzschwachen Ländern verstärkt Mittel für die
Bürokratie benötigt werden, die an anderer Stelle (Forschung, Lehre,
Betreuung) dann fehlen?

5. Wie kommt es, dass laut Entwurf des am 7. Juli 2010 im Bundeskabinett
verabschiedeten Entwurfs des Bundeshaushaltsplans 2011 für das nationale
Stipendienprogramm (Einzelplan 30, Titel 681 12 -142) 10 Mio. Euro ein-
geplant sind, obwohl laut Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache 17/1552)
für 2011 die Kosten von Bund und Ländern mit 65 Mio. Euro angegeben
wurden?

6. Wie passt diese massive Schrumpfung des Programms auf nur noch 6 000
statt 160 000 Stipendien zusammen mit der Botschaft von Bundesbildungs-
ministerin Dr. Annette Schavan, eine neue Stipendienkultur zu errichten?

7. Welche Gründe liegen aus Sicht des BMBF vor, weshalb die Bundesregie-
rung zum Programmstart und offenbar darüber hinaus mit weitaus weniger
Stipendiaten plant als bisher?

Aufgrund welcher neuer Entwicklungen plant die Bundesregierung eine so
deutliche Kurskorrektur vorzunehmen?

8. Von welchen Unternehmen hat Bundesbildungsministerin Dr. Annette
Schavan mündliche oder schriftliche Zusagen erhalten, das nationale Sti-
pendienprogramm mitzufinanzieren, und um welche Größenordnung han-
delt es sich dabei (Quelle: www.spiegel.de)?

9. Plant die Bundesregierung mit den Spitzenverbänden der Arbeitgeber
Verpflichtungserklärungen oder anderweitige verbindliche Verabredungen
zu treffen, um die Beteiligung der Wirtschaft an der Mitfinanzierung des na-
tionalen Stipendienprogramms sicherzustellen?
a) Falls nein, warum nicht?
b) Falls ja, wie, mit wem, und bis wann?

10. Mit wie vielen Ehemaligen bzw. Alumni rechnet das BMBF bundesweit,
die dazu bereit sind und sich verpflichten, 3 600 Euro pro Jahr für ein Stu-
denten-Stipendium zu spenden?

11. Welche Zielvorgabe soll bei der Schaffung von Stipendien über das natio-
nale Stipendienprogramm künftig gelten:
a) die im Gesetz genannte Zielvorgabe von 8 Prozent bzw. 160 000 Studie-

renden,
b) die von Bundesbildungsministerin Dr. Annette Schavan in einem Inter-

view bei „SPIEGEL ONLINE“ genannte Vorgabe, von 10 000 im kom-
menden Jahr mit einer Steigerung auf 160 000 im Jahr 2015 (Aufbauzah-
len bitte nach Jahren aufschlüsseln – Quelle: www.spiegel.de),

c) die in der Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Bildung, For-
schung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages ge-
äußerte realistische Maximalgröße von 2 Prozent (unter anderem vom
Sachverständigen Prof. Dr. Ulrich Radtke),

d) die im Brief aus dem Büro des Parlamentarischen Staatssekretärs bei der
Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Helge Braun, an den
Abgeordneten Klaus Hagemann vom 23. Juli 2010 genannte Zielvor-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2778

gabe eines sukzessiven Ausbaus des Programms von 0,3 Prozent der
Studierenden pro Jahr in dieser Legislaturperiode,

e) andere?

12. Wie bewertet die Bundesregierung angesichts der absehbaren geringen
Reichweite des nationalen Stipendienprogramms den Vorschlag, auf das
Stipendienprogramm zu verzichten und stattdessen das BAföG stärker aus-
zubauen, um so für mehr Bildungsgerechtigkeit zu sorgen?

13. Wie und wann plant das BMBF den Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung, die Länder, die Hochschulen und die zwölf
bestehenden Begabtenförderungswerke die geänderten Zielvorgaben, die
neuen Zeitpläne und die konkrete Umsetzung des Stipendienprogramms
transparent zu machen und sie darüber umfassend zu informieren?

14. Warum und in welchem Umfang haben die Begabtenförderungswerke laut
Entwurf des Bundeshaushaltsplans 2011 (Titel 681 10 - 142) mit Rück-
schritten bzw. Kürzungen zu rechnen?

Welche Parameter sollen um welchen Betrag und warum abgesenkt wer-
den?

15. Welche Planungssicherheit können die Begabtenförderungswerke aus der
Ankündigung aus dem Brief aus dem Büro des Parlamentarischen Staats-
sekretärs bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Helge
Braun, an den Abgeordneten Klaus Hagemann vom 23. Juli 2010 ableiten,
die Absenkung ihrer Zuschüsse ergebe „Spielräume im Folgejahr“, und für
welche Parameter ist bzw. sind ein Spielraum bzw. Aufwuchs geplant?

16. Wie viel Büchergeld sollen Stipendiatinnen und Stipendiaten im Sommer-
semester 2011 erhalten, und für wann beabsichtigt die Bundesregierung die
dafür notwendige Änderung der Richtlinie „Zusätzliche Nebenbestimmun-
gen zur Förderung begabter Studierender sowie begabter Nachwuchswis-
senschaftlerinnen und -wissenschaftler“?

17. Beabsichtigt die Bundesregierung, in dieser Legislatur weitere Büchergeld-
erhöhungen vorzunehmen?

18. Wie rechtfertigt es die Bundesregierung, dass die bisher geplante Erhöhung
des Büchergeldes – die erste seit 1980 – einer Steigerung um 275 Prozent
entspricht?

19. Mit welcher Zielsetzung geht die Bundesregierung in die Verhandlungen
um die Finanzierung der 23. BAföG-Novelle im Vermittlungsausschuss,
und ist sie bereit, das bisher stets von Bund und Ländern gemeinsam getra-
gene BAföG stärker mit Bundesmitteln zu finanzieren?

20. Werden aufgrund der Nichtverabschiedung der 23. BAföG-Novelle Stipen-
dien aus dem nationalen Stipendienprogramm und das Büchergeld in Höhe
von 300 Euro auf das BAföG angerechnet, und welche Auswirkungen wird
dies nach Erwartung der Bundesregierung auf die soziale Herkunft der
durch das Stipendienprogramm-Gesetz Geförderten haben?

21. Welches Signal geht nach Einschätzung der Bundesregierung von der Auf-
schiebung der BAföG-Erhöhung und der Schrumpfung des nationalen Sti-
pendienprogramms an Studienberechtigte aus?

Berlin, den 19. August 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.