BT-Drucksache 17/2604

Aufklärung der Datenschutzaffäre bei der Deutschen Bahn AG (Nachfrage zu Bundestagsdrucksache 17/2229)

Vom 13. Juli 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2604
17. Wahlperiode 13. 07. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sabine Leidig, Jan Korte, Herbert Behrens, Ulla Jelpke,
Wolfgang Neskovic, Petra Pau, Jens Petermann, Raju Sharma, Halina Wawzyniak
und der Fraktion DIE LINKE.

Aufklärung der Datenschutzaffäre bei der Deutschen Bahn AG
(Nachfrage zu Bundestagsdrucksache 17/2229)

„Das gab es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie: einen Staatskonzern,
der mit illegalen Methoden in großem Ausmaß gegen Datenschutzgesetze und
Persönlichkeitsrechte verstößt.“ So lauten die einleitenden Sätze zum Kapitel
„Besser als die Stasi – wie die Bahn ihre Mitarbeiter ausspähte“ im Schwarzbuch
Deutsche Bahn von Christian Esser und Astrid Randerath (München 2010,
S. 133 ff.). In den Jahren 1998 bis Anfang 2009 wurden bei der Deutschen Bahn
AG (DB AG) Hunderttausende persönliche Daten von 170 000 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern illegal erhoben. Vordergründig ging es um Korruptionsbe-
kämpfung. Faktisch sprechen das Ausmaß der Bespitzelung und viele einzelne
Aktivitäten im Rahmen dieser Flächenrasterung für eine andere Interpretation.
Es sollten auch die Masse der Bahnmitarbeiter eingeschüchtert und diszipliniert
und Kritiker der Bahnprivatisierung in der Belegschaft und Kontakte von Bahn-
mitarbeitern mit Kritikern des Bahnbörsengangs identifiziert werden. „Bei der
Aktion ,leakage‘ wollten die konzerninternen Sicherheitsleute wissen, ob Bahn-
mitarbeiter Journalisten oder Kritiker des geplanten Bahnbörsengangs mit Infor-
mationen versorgten […]. Von März 2005 bis Oktober 2008 wurden täglich rund
145 000 Mails automatisch auf bestimmte Adressaten hin kontrolliert.“ (stern
vom 2. April 2009). Der Vertreter der KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft,
Frank M. Hülsberg, konkretisierte am 27. Mai 2009 auf der Sitzung des Aus-
schusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages
sinngemäß, es habe in der Zeit von 2004 bis 2008 eine sogenannte E- Mail-Log-
file-Filterung gegeben, wo anlassbezogen diese Logfiles nach bestimmten
Schlagworten durchsucht worden seien. Bei der Schlagwortliste sei es zu Hinzu-
fügungen und auch Streichungen gekommen. Der neue Bahnchef Dr. Rüdiger
Grube teilte auf derselben Sitzung mit, dass er über eine Liste mit den Namen,
nach denen der E-Mail-Verkehr durchsucht wurde, verfügen würde. Er schlug
dort vor, vorab diejenigen zu kontaktieren, die auf der Filterliste stehen, bevor
man mit der Liste möglicherweise an die Öffentlichkeit gehe.

Der Journalist Günter Wallraff berichtete in der Wochenzeitung „DIE ZEIT“

(Ausgabe vom 23. April 2009) darüber, dass die Anzahl von Kündigungen gegen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bahn ab dem Zeitpunkt anstieg, als
„Hartmut Mehdorn den großen strategischen Plan durchsetzen wollte, die Bahn
an die Börse zu bringen“. Eine größere Zahl von Bahnbeschäftigten, die den
Bahnbörsengang kritisch sahen, seien „nach der Ausforschung ihrer Arbeits-
computer entlassen“ worden. Die Personalabteilung der Bahn habe dabei Kündi-
gungen „häufig mit E-Mails [begründet], die die Betroffenen verfasst haben

Drucksache 17/2604 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sollen – entweder sei der Inhalt des elektronischen Briefes gegen die Bahnpriva-
tisierung gerichtet gewesen oder der Adressat sei als Gegner der Bahnprivatisie-
rung bekannt, sei womöglich gar Journalist gewesen.“ Bei einigen derjenigen,
denen – zum Teil erfolglos – gekündigt wurde, hätten sich auf deren Arbeitscom-
puter tierpornografische Inhalte bzw. Adolf Hitlers „Mein Kampf“ befunden,
Material, das mutmaßlich durch Manipulationen Dritter auf die PCs der Betroffe-
nen gelangte. Auf der angeführten Ausschusssitzung vom 27. Mai 2009 erklärte
ein Vertreter der Kanzlei Baum, Reiter & Collegen, in technischer Hinsicht habe
sich der Wallraff-Bericht bestätigt. Die Sonderermittler hätten die Akten dazu an-
gefordert, diese jedoch bis Ende ihrer Ermittlungen nicht erhalten.

15 Monate nach dem Wechsel an der Bahnspitze spricht Einiges dafür, dass das
Ausmaß der Bespitzelungen weit größer war, als bisher bekannt ist, dass die
Weiterungen des Skandals auch von der neuen Führung des Konzerns nicht
öffentlich gemacht werden und dass Topmanager, die für die illegalen Maß-
nahmen mitverantwortlich waren, im Bahnkonzern weiter Führungspositionen
innehaben und zum Teil Karrierestufen nach oben rückten.

Im Juni 2010 bestätigte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine
Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache 17/2229) erstmals,
dass bei der DB AG mehrere Räume einer „Datenquarantäne“ eingerichtet wur-
den, in denen „alle unzulässig erhobenen Daten (…) verbracht“ worden sind.
Daniela Kuhr berichtete in der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) über die Kleine An-
frage und die Antwort der Bundesregierung auf dieselbe unter der Überschrift
„Die Geheimräume der Bahn“ (Süddeutsche Zeitung vom 2. Juli 2010). Daniela
Kuhr schrieb dabei über „acht Räume“ in der Bahnzentrale mit „geheimen Akten
und Unterlagen, die keiner der Sonderermittler je zu Gesicht bekommen hat“,
und darüber, dass „diese Daten in Kürze gelöscht zu werden [drohen]“. Die
Autorin bzw. die Zeitung geht davon aus, dass „eine vollumfängliche Aufarbei-
tung der Affäre, wie Grube sie immer versprach, dann nicht mehr möglich“ sein
würde. Zitiert werden in dem Bericht auch Aussagen, wonach nach Auffassung
des Bahnvorstands „nur der Staatsanwalt oder Opfer der Datenaffäre Zutritt“ zu
den Räumen mit dem Material zur Datenaffäre, nicht aber die Sonderermittler
haben sollten. In ihrer Antwort zu den Fragen 20 bis 25 der Kleinen Anfrage
führte die Bundesregierung aus: „Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist darauf
verzichtet worden, ein Inhaltsverzeichnis der eingelieferten Daten und Unterla-
gen zu führen.“ Inwieweit die Staatsanwaltschaft über die Kapazität verfügt, das
Material in der Datenquarantäne zu sichten, ist unklar. Das fehlende Inhaltsver-
zeichnis (Register) verunmöglicht eine gezielte Einsichtnahme in jedem Fall.
Opfer wiederum haben keine Möglichkeit, einen Zutritt zu den Datenquarantäne-
räumen zu verlangen, da sie keine Kenntnis davon haben können, dass in diesen
Unterlagen zu ihrer Person gelagert sind. Im Übrigen wäre es offenkundig nicht
möglich für Außenstehende nachzuvollziehen, wenn Unterlagen vernichtet bzw.
Daten gelöscht wären bzw. würden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist die Berichterstattung von Daniela Kuhr in der „Süddeutschen Zeitung“
vom 2. Juli 2010 zum Thema „Die Geheimräume der Bahn“ nach Ansicht der
Bundesregierung in ihren Grundaussagen zutreffend?

Wenn nein, welche Passagen entsprechen nach Ansicht der Bundesregierung
nicht der Wahrheit?

2. Trifft die Information zu, wonach die in den „acht Räumen“ lagernden
„Tausende Seiten geheime Akten und Unterlagen“ (SZ-Artikel) – zusammen-
fassend als „Datenquarantäne“ bezeichnet – einen Umfang haben, der rund
dem Dreifachen dessen entspricht, was die Sonderermittler je zu Gesicht be-

kommen haben?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2604

Wenn nein, in welchem Umfang verhält sich nach Erkenntnissen der Bun-
desregierung das bisher von den Sonderermittlern nicht gesichtete, in der
Datenquarantäne eingelagerte Material mit illegal erhobenen Daten etc. zu
demjenigen Material, das die Sonderermittler eingesehen haben?

3. Ist es zutreffend, dass die Sonderermittler erst Anfang Mai 2009, also wenige
Tage vor ihrer Berichterstellung, durch die Deutsche Bahn AG eine große
Menge ergänzenden und neuen Materials mit illegal erhobenen Daten erhal-
ten haben?

Wenn ja, wodurch ist diese Verspätung entstanden?

4. Trifft es zu, dass die Sonderermittler darauf hingewiesen haben, dass sie
diese Unterlagen in der Berichterstellung nicht berücksichtigen könnten und
dass beide Sonderermittler dringend empfohlen haben, auch diese Unterla-
gen dringend auszuwerten, und wenn ja, warum wurde dem nicht Folge ge-
leistet?

5. Aus welchen Gründen und in wessen Verantwortung ist die Auswertung die-
ser zusätzlichen Unterlagen bis heute unterblieben?

6. Ist es zutreffend, dass sich inzwischen erweist, dass keineswegs alle Unterla-
gen über illegal erhobene Daten im Mai 2009 vorgelegen haben und dass zu-
mindest bis zum Frühjahr 2010 immer neue solcher Unterlagen auftauchten,
die in die Datenquarantäneräume überführt wurden bzw. werden?

7. Tauchen auch jetzt noch neue Unterlagen auf, die in den Datenquarantäne-
raum verbracht werden, bzw. wann wurden die letzten Unterlagen dahin ver-
bracht?

8. Haben alle Mitglieder des Vorstands der Deutschen Bahn AG die abver-
langte „Vollständigkeitserklärung“ (die Erklärung darüber, dass alle von den
Sonderermittlern angeforderten Unterlagen zur Verfügung gestellt wurden)
abgegeben, und trifft dies insbesondere inzwischen auch auf Diethelm Sack,
den Verantwortlichen für Finanzen im Vorstand, zu, der ausweislich der Aus-
sage des Abgeordneten Horst Friedrich (FDP) der Sitzung des Ausschusses
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages am
27. Mai 2009 eine solche Erklärung zu diesem Zeitpunkt noch nicht unter-
zeichnet hatte?

9. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die Mitglieder des Vor-
standes der DB AG (möglicherweise mit Ausnahme des für Finanzen Ver-
antwortlichen) eine Vollständigkeitserklärung der beschriebenen Art unter-
zeichnet hatten, vor dem Hintergrund des in den Fragen 4 bis 7 abgefragten
Sachverhaltes weiterhin aufrecht (Begründung)?

10. Hält die Bundesregierung ihre Antwort zu den Fragen 17 und 18, nach der
den Sonderermittlern „alle Dokumente zur Verfügung gestellt“ wurden, vor
dem Hintergrund des in den Fragen 4 bis 7 abgefragten Sachverhaltes weiter-
hin aufrecht (Begründung)?

11. Ist es zutreffend, dass die Sonderermittler und Vertreter von KPMG im
Februar 2010 den Bahnvorstand darauf hinwiesen, dass sich aus den nicht
vollständig zur Verfügung gestellten Akten Ansätze für illegale Kfz-Halter-
Datenermittlungen, Kontoabgleichen von BahnCard-Kunden und Einzelver-
bindungsnachweiskontrollen im Telefonverkehr ergaben, und wenn ja, wel-
che Konsequenzen wurden daraus gezogen, insbesondere in juristischer
Hinsicht?

12. Ging der Bahnvorstand respektive der Aufsichtsrat der Bahn diesen Hinwei-
sen nach, und wenn ja, mit welchen Ergebnissen?

Drucksache 17/2604 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

13. Ist es zutreffend, dass die Kenntnis über die unzulässige Erhebung und Ver-
wendung von Krankendaten bei DB Sicherheit GmbH aus Einzelfallermitt-
lungen resultiert, die die Sonderermittler zusammen mit KPMG auch nach
dem 13. Mai 2009 durchführten, und dass demnach die Antwort der Bundes-
regierung zu den Fragen 12 bis 14, wonach „nach Mai 2009 […] die Sonder-
ermittler im Zusammenhang mit der Datenaffäre keine Ermittlungen mehr
durchgeführt“ und lediglich noch die „DB AG […] bei der Aufarbeitung der
Ermittlungsergebnisse unterstützt“ hätten, nicht zutreffend oder zumindest
zu ergänzen ist (Begründung)?

14. Kann, wie in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 19 erfolgt, der
damalige Konzerndatenschutzbeauftragte Jürgen Sack, der als Verantwort-
licher für die Einrichtung des „Datenquarantäneraums“ genannt wird, als
„neutrale Instanz“ und als „Vertrauensperson der Mitarbeiter“ bezeichnet
werden, nachdem dieser durch den Bahnvorstand im März 2010 abgelöst
und dies damit begründet wurde, dass die Deutsche Bahn „mit ihrer Vergan-
genheit aufräumen (will) und verspricht, künftig sensibler mit den Daten
ihrer Mitarbeiter umzugehen“ (SPIEGEL ONLINE vom 22. März 2010)
(Begründung)?

15. Bleibt die Bundesregierung bei ihrer Aussage, wonach das Projekt „Da-
tenquarantäne“ mit dem Datenschutzbeauftragten des Landes Berlin,
Dr. Alexander Dix, „abgestimmt“ worden sei (Antwort zu den Fragen 20 bis
25), und inwiefern war Dr. Alexander Dix über die bloße Information hinaus
in die konkrete Umsetzung und Kontrolle des Projekts eingebunden?

16. Hatte und hat der Datenschutzbeauftragte des Landes Berlin Zugang zu den
Datenquarantäneräumen, und wird ihm in Zukunft auf Anforderung Zugang
ermöglicht (Begründung)?

17. Hatten und haben die Sonderermittler Zugang zu den Datenquarantäneräu-
men, und wird ihnen in Zukunft auf Anforderung der Zugang ermöglicht
(Begründung)?

18. Worauf beruht die Einschätzung der Bundesregierung, dass „zur Wahrung
der Interessen Betroffener“ die genannten Daten im Datenquarantäneraum
„dem Zugriff der DB AG entzogen“ (Antwort zu Frage 19) waren bzw. sind?

19. Kann die Bundesregierung garantieren, dass Verantwortliche der Deutschen
Bahn AG seit Einrichtung des Datenquarantäneraums keinen Zugang zu die-
sen Räumen hatten und diesen nicht betreten haben?

20. Wie genau ist der Zugang zu den Datenquarantäneräumen gestaltet – welche
Art Schlüssel oder welche andere Art der Zugangssicherung existiert für die
Datenquarantäneräume, und wer hat die Kontrolle über den Zugang (bzw.
wer hat die Schlüsselgewalt)?

21. Mit welchen datenschutzrechtlichen Bestimmungen begründet die Bundes-
regierung respektive die Deutsche Bahn AG den „Verzicht“ auf das Anlegen
eines Inhaltsverzeichnisses respektive eines Registers für die Datenschutz-
räume (Antwort zu den Fragen 20 bis 25)?

22. Ist es zutreffend, dass Dr. Alexander Dix sowie die Sonderermittler Rechts-
anwältin Dr. Herta Däubler-Gmelin und Rechtsanwalt Gerhart Baum von
der Deutschen Bahn AG gefordert hatten, dass ein Register (ein Verzeichnis)
der Inhalte des Datenquarantäneraums erstellt werden müsse?

23. Wie will die Bundesregierung der Anforderung des Bundesdatenschutzge-
setzes (BDSG) Genüge tun, wonach im Fall der Löschung von Daten über
diesen Vorgang ein Protokoll zu führen ist, wenn es von den zu löschenden
Daten im Datenquarantäneraum kein Register gibt?

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Wie könnte der abverlangte Protokolltext über die Löschung von Daten un-
bekannten Inhalts aussehen, z. B. „Daten, Bahntower Stock XYZ, einge-
lagert in den acht Räumen mit den Nummern ZYX, Inhalte unbekannter Art,
Umfang: Millionen Seiten; nachhaltig gelöscht“?

24. Wann wird das Verfahren des Bundesdatenschutzbeauftragten voraussicht-
lich abgeschlossen sein?

25. Gab es Disziplinarverfahren gegen Beamte auf Grundlage von, nach heu-
tigen Erkenntnissen, rechtswidrig durch die Deutsche Bahn beschafften
Daten bzw. Informationen?

Wenn ja, wie viele waren das, und wie geht die Bundesregierung mit diesen
Fällen um?

26. Sieht die Bundesregierung bezüglich der von der Ausspähung betroffenen
Beamten eine besondere Schwere der Verstöße vorliegen vor dem Hinter-
grund der schärferen Datenschutzbestimmungen für Beamte?

27. Haben sich die Vorwürfe über Kündigungen von Bahnbeschäftigten auf-
grund deren Kritik am Bahnbörsengang, die der Journalist Günter Wallraff
(DIE ZEIT, 23. April 2009) erhob, bestätigt?

Wenn ja, wie viele solcher Fälle sind dokumentiert?

28. Wurden die Akten über diese Fälle, die von den Sonderermittlern verlangt,
diesen jedoch bis zum Ende von deren Ermittlungen nicht zur Verfügung
gestellt wurden, dem Datenschutzbeauftragten des Landes Berlin,
Dr. Alexander Dix, der Staatsanwaltschaft und/oder den Sonderermittlern
zugeleitet?

Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Wenn nein, warum nicht?

29. Bleibt die Bundesregierung bei ihrer Antwort, wonach der Aufsichtsrat der
DB AG auf seiner Sitzung vom 13. Mai 2009 die PricewaterhouseCoopers
(PwC) AG „mit der Durchführung einer externen Prüfung zur möglichen ak-
tienrechtlichen Verantwortung des Vorstands [in Sachen Ausspähaffäre
DB AG] beauftragt“ habe, oder stimmt sie der Auffassung zu, wonach PwC
lediglich einen Auftrag zur Untersuchung einer möglichen Haftung von
Aufsichtsratsmitgliedern selbst erteilt hat (Begründung)?

30. Wieso bewertet die Bundesregierung diese Prüfung durch PwC hinsichtlich
der aktienrechtlichen Verantwortung des Vorstands respektive der Auf-
sichtsratsmitglieder als „externe“ Prüfung und als eine unvoreingenommene
Untersuchung angesichts der Tatsache, dass PwC der offizielle Bilanzprüfer
der Deutschen Bahn AG ist?

31. Ist es zutreffend, dass sich noch im Jahr 2010 in mehreren Personalakten
bzw. Disziplinarakten von Bahnbeschäftigten, etwa in denen eines Beamten
aus dem Bereich DB Netz, Material feststellen ließ, das sich im Daten-
quarantäneraum befinden sollte und das in jedem Fall illegal erhoben wurde?

32. Wieso gibt die Bundesregierung eine Anzahl von 635 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern an, die als durch die illegale Ausspähaktion der Bahn Betrof-
fene bezeichnet werden können?

33. Warum zählt die Bundesregierung die bis zu 170 000 Beschäftigten, bei
denen illegal Daten erhoben wurden, anscheinend nicht zu Betroffenen, ob-
wohl dort „Millionen Seiten“ Material die illegalen Maßnahmen dokumen-
tieren (Antwort zu den Fragen 31 bis 34)?

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34. Liegt der Erkenntnis der Bundesregierung, es gebe keine „belastbare Aus-
sage über die Anzahl der Betroffenen“, nicht darin begründet, dass ein gro-
ßer Teil der illegal erhobenen Daten bisher noch gar nicht gesichtet wurde
(Begründung)?

35. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass ein Teil der Daten bereits ge-
löscht wurde bzw. ein Teil der Unterlagen vernichtet wurde (Begründung)?

36. Wurden die Schlagwortverzeichnisse und die Namenslisten, nach denen täg-
lich die E-Mails gefiltert wurden, jemals öffentlich gemacht?

Wenn ja, wann und wo?

Wenn nein bzw. wenn diese Liste nur einem kleinen Kreis von Abgeordneten
zugänglich gemacht wurde, warum wird ein öffentlicher Zugang verwehrt?

37. Wurden alle rund 300 Personen informiert, die auf den unterschiedlichen
Listen zur Filterung des E-Mail-Verkehrs aufgeführt waren?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, in welchem Zeitraum ist dies erfolgt, und haben Personen, die auf
dieser Liste standen, Einwände gegen die Veröffentlichung der Liste geltend
gemacht (bitte ggf. Anzahl der Personen angeben)?

38. Gibt es Erkenntnisse der Bundesregierung über die aktuelle Tätigkeit von
Dr. Josef Bähr, den ehemaligen Leiter der Internen Revision der Deutschen
Bahn AG, bei dem der Verdacht einer maßgeblichen Beteiligung an der
Bahn-Ausspähaffäre nahe liegt und der sich allen Vorladungen vor den Aus-
schuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung durch Krankmeldungen und
Beurlaubung entziehen und der auch durch die Sonderermittler und die
KPMG zu dem Skandal nicht befragt werden konnte?

39. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass Jürgen Illing, der ehe-
malige Bereichsleiter Politische Beziehungen bei der Deutschen Bahn AG,
der im Bespitzelungsskandal der Bahn ebenfalls als stark belastet gelten
kann, zunächst durch den neuen Bahnchef Dr. Rüdiger Grube zum Konzern-
bevollmächtigten in Thüringen ernannt, dann Anfang 2010 von der hes-
sischen Landesregierung als neuer Geschäftsführer der Hessen-Agentur ein-
gesetzt wurde, wobei der hessische Wirtschaftsminister Dieter Posch (FDP)
dies damit begründete, dass Jürgen Illing „eine ideale Persönlichkeit“ sei,
um in der Öffentlichkeit für das Land Hessen zu werben (ddp vom
17. Dezember 2009)?

40. Inwieweit kann vor dem Hintergrund des Daten- und Bespitzelungsskandals
von einem Neuanfang im Bahnmanagement gesprochen werden, wenn
Dr. Alexander Hedderich, der ehemalige Chefstratege der Bahn und zu-
gleich ein weiterer Bahnmanager, der im Bespitzelungsskandal als stark be-
lastet gilt, zum 1. September 2009 die Gesamtverantwortung über das euro-
päische Geschäftsfeld von DB Schenker Rail Deutschland AG übertragen
wurde und zu diesem Anlass Bahnchef Dr. Rüdiger Grube davon sprach,
Dr. Alexander Hedderich sei „ein exzellenter Know-how-Träger“ – was vor
dem Hintergrund der bahnweiten Ausspähaktion eine besondere Konnota-
tion hat –, der „mein persönliches [...] volles Vertrauen [...] genießt“ (Presse-
mitteilung der Deutschen Bahn AG vom 23. Juli 2009)?

41. Gab es eine umfangreiche Darlegung seitens des neuen Bahnvorstands ge-
genüber allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über die Bilanz der Bespit-
zelungsaffäre und eine begründete, der Tragweite des Skandals angemes-
sene Entschuldigung für die Bespitzelungsaktivitäten, von denen so gut wie
alle Bahnbeschäftigten betroffen waren?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/2604

42. Gab es eine Entschuldigung dafür, dass der Bahnvorstand in mehreren
Briefen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitgeteilt hatte, dass „die
DB nie und zu keiner Zeit Bespitzelungsmaßnahmen durchführte“, dass „der
Berliner Datenschutzbeauftragte unser Vorgehen nicht prinzipiell kritisiert,
sondern nur formale Fragen beanstandet hat“, dass „gesetzliche Bestimmun-
gen“ nicht „übertreten oder missachtet“ worden wären, womit die Bahn-
beschäftigten vom Bahnvorstand offenkundig bewusst irregeleitet und be-
logen wurden (Zitate aus dem Brief des Vorsitzenden des Vorstands vom
30. Januar 2009 „an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“)?

Berlin, den 13. Juli 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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