BT-Drucksache 17/2602

Wirksamkeit der Maßnahmen gegen Steuerflucht und Steueroasen

Vom 19. Juli 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2602
17. Wahlperiode 19. 07. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Harald Koch, Richard Pitterle, Dr. Axel Troost
und der Fraktion DIE LINKE.

Wirksamkeit der Maßnahmen gegen Steuerflucht und Steueroasen

Informationen über hinterzogene Steuern durch Kapitalanlagen im Ausland kön-
nen meist nur unter Mithilfe ausländischer Staaten beschafft werden. Die diver-
sen Staaten weisen hierbei einen unterschiedlichen Grad der Kooperation auf.
Deutschland stehen durch die EG-Amtshilfe-Richtlinie (umgesetzt durch das
EGAHiG) und durch Informationsaustausch- oder Doppelbesteuerungsabkom-
men unterschiedliche Instrumente zur Verfügung, Informationen zu beschaffen
oder neue Informationsquellen zu erschließen. Für Letztere veröffentlicht die
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)
Musterabkommen, auf deren Grundlage die entsprechenden bilateralen Verträge
abgeschlossen werden können. Auf europäischer Ebene wird derzeit an einer
Verbesserung der EG-Amtshilfs-Richtlinie und der EU-Zinsrichtlinie gearbeitet.
Vor diesem Hintergrund gilt es, die aktuellen Bemühungen der Bundesregierung
zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung zu evaluieren. Im Vordergrund der Fra-
gen stehen hierbei sowohl der Abschluss neuer Informationsaustausch- oder
Doppelbesteuerungsabkommen als auch der Übergang zu einem aktiveren Infor-
mationsaustausch.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Stimmt die Bundesregierung damit überein, dass der derzeitige internationale
Informationsaustausch nicht ausreichend ist, um die Steuerhinterziehung
effektiv zu bekämpfen, sodass auf europäischer Ebene und im Rahmen bilate-
raler Verträge eine Überarbeitung bisheriger Abkommen notwendig ist (bitte
mit Begründung)?

2. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff der Steueroase, und erachtet
die Bundesregierung diese Definition für ausreichend (bitte mit Begrün-
dung)?

3. Mit welchen Staaten besteht derzeit ein Doppelbesteuerungs- oder Informa-
tionsaustauschabkommen (bitte mit Nennung des Datums der letzten Ände-
rung sowie der Art des Abkommens)?

4. Mit welchen Staaten verhandelt die Bundesregierung derzeit über den Ab-
schluss bzw. die Erneuerung eines Doppelbesteuerungs- oder Informations-

austauschabkommens, und wie ist hierzu der aktuelle Stand?

5. Mit welchen Staaten beabsichtigt die Bundesregierung in der 17. Legislatur-
periode die Verhandlung über Doppelbesteuerungs- oder Informationsaus-
tauschabkommen aufzunehmen?

6. Welche Doppelbesteuerungs- oder Informationsaustauschabkommen wurden
in der 16. und 17. Legislaturperiode überarbeitet bzw. neu ausgehandelt, und
was war der Anlass für die Überarbeitung bzw. den Neuabschluss (bitte mit
Angabe der Staaten und Umfang der Änderungen)?

Drucksache 17/2602 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

7. Mit welchen Staaten ist in der 16. und 17. Legislaturperiode ein Doppel-
besteuerungs- oder Informationsaustauschabkommen ausgelaufen bzw.
läuft aus bzw. wurde gekündigt (bei Kündigung bitte mit Nennung des Kün-
digungsgrunds)?

8. Welche von der Bundesregierung seit 2008 neu abgeschlossenen Doppel-
besteuerungs- und Informationsaustauschabkommen können auch für soge-
nannte Altfälle, d. h. für die Ermittlung von steuerrelevanten Sachverhalten,
verwendet werden, die zeitlich vor Abschluss des Abkommens liegen (bitte
mit Begründung)?

9. Mit welchen Staaten existieren Doppelbesteuerungs- oder Informationsaus-
tauschabkommen, die nicht dem aktuellen Standard der OECD hinsichtlich
des Informationsaustausches nach Artikel 26 OECD-MA (MA = Musterab-
kommen) 2005 (bzw. 2008) oder TIEA-MA (TIEA = Agreement for Tax
Information Exchange) der OECD (bzw. UN-Musterabkommen) entspre-
chen, und welche Bemühungen unternimmt die Bundesregierung in den
konkreten Fällen, die jeweiligen Abkommen dem OECD-Standard (bzw.
dem UN-Musterabkommen) anzupassen?

10. Mit welchen Staaten der sogenannten grauen Listen der OECD gemäß dem
progress report vom 2. Juli 2010 (Jurisdictions that have committed to the in-
ternationally agreed tax standard, but have not yet substantially implemen-
ted) bestehen Doppelbesteuerungs- oder Informationsaustauschabkommen,
und welche dieser Abkommen entsprechen nicht dem aktuellen Standard der
OECD (bzw. UN-Musterabkommen)?

11. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass auf den
sogenannten grauen Listen der OECD diverse Staaten bereits seit mehreren
Jahren stehen, sodass die Absichtserklärung dieser Staaten konträr zu deren
Handlung im Bezug auf die Implementierung von OECD-Standards steht
(bitte mit Begründung)?

12. Wie ist der aktuelle Stand inklusive Zeitplan zum Abschluss eines Doppel-
besteuerungsabkommens mit der Schweiz und bezüglich der Schweizer Vor-
stellungen zu Einzelheiten einer Abgeltungsbesteuerung?

13. Aus welchen Gründen wurde einzig in dem Informationsaustauschabkom-
men mit Liechtenstein (anders in den Abkommen mit Guernsey, Gibraltar,
der Insel Man) zu Artikel 5 Absatz 5 Buchstabe a festgestellt, dass unter be-
stimmten Voraussetzungen zur Bestimmung der Identität auf die Namens-
nennung des Steuerpflichtigen verzichtet werden kann, und wie wird sicher-
gestellt, dass eine entsprechende Identifikation der Person, über die Aus-
künfte eingeholt werden sollen, zweifelsfrei ist (bitte mit Begründung)?

14. Aus welchen Gründen wurden in den Abkommen mit Liechtenstein, Gibral-
tar und Guernsey von dem TIEA-MA der OECD hinsichtlich einer konkre-
ten Frist für die Auskunftsersuchen (Artikel 5 Absatz 6 TIEA-MA) abgewi-
chen bzw. bei dem Abkommen mit der Isle of Man völlig abgesehen, und
sieht die Bundesregierung durch die Aufnahme einer lediglich abge-
schwächten Bemühungserklärung für Artikel 5 Absatz 6 TIEA-MA („sie be-
müht sich nach besten Kräften, die erbetenen Auskünfte dem ersuchenden
Vertragsstaat innerhalb der kürzesten vertretbaren Frist zu übermitteln“) die
Gefahr, dass entsprechende Auskünfte nicht zeitnah beantwortet werden,
womit eine effektive Hinterziehungsbekämpfung konterkariert werden kann
(bitte mit Begründung)?

15. Wie bewertet die Bundesregierung die EG-Amtshilfe-Richtlinie (77/799/
EWG) zur Bekämpfung eines möglichen Vollzugsdefizits sowie den Vor-
schlag der EU-Kommission für deren Revision, und welche Bemühungen

unternimmt die Bundesregierung hinsichtlich einer Neufassung der EG-
Amtshilfe-Richtlinie (bitte mit Begründung)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2602

16. Mit welchen Staaten hat Deutschland Spontanauskunft in Steuersachen ver-
pflichtend vereinbart, und seit wann gilt dies, sowie welche Einkünfte und
sonstigen steuerrelevanten Informationen umfasst die jeweilige Verein-
barung?

17. Mit welchen Staaten hat Deutschland automatischen Informationsaustausch
in Steuersachen verpflichtend vereinbart, und seit wann gilt dies, sowie
welche Einkünfte und sonstigen steuerrelevanten Informationen umfasst die
jeweilige Vereinbarung?

18. Mit welchen Staaten tauscht Deutschland auf freiwilliger Basis Daten über
steuerlich erhebliche Sachverhalte aus, und welche steuerlich erheblichen
Sachverhalte umfasst der jeweilige Austausch?

19. Wie viele Auskunftsersuchen wurden in den Jahren 2004 bis 2009 jeweils
von Deutschland gestellt bzw. an Deutschland gerichtet (sofern keine Daten
vorliegen: Aus welchen Gründen wurde von einer statistischen Erfassung
gegenüber früheren Zeiträumen – vgl. Bundestagsdrucksache 10/5562 – ab-
gesehen)?

20. Wie viele Spontanauskünfte wurden in den Jahren 2004 bis 2009 jeweils an
Deutschland mitgeteilt bzw. von Deutschland übermittelt (sofern keine
Daten vorliegen: Aus welchen Gründen wurde von einer statistischen Erfas-
sung abgesehen)?

21. Wie viele automatische Auskünfte wurden in den Jahren 2004 bis 2009 je-
weils an Deutschland mitgeteilt bzw. von Deutschland übermittelt (sofern
keine Daten vorliegen: Aus welchen Gründen wurde von einer statistischen
Erfassung abgesehen)?

22. Wie viele der in den Fragen 19 bis 21 an Deutschland übermittelten Aus-
künfte sind aktuell von der deutschen Finanzverwaltung noch nicht abschlie-
ßend ausgewertet und bearbeitet (bitte nach Jahren angeben; sofern keine
Daten vorliegen: Aus welchen Gründen wurde von einer statistischen Erfas-
sung abgesehen)?

23. Wie viele Auskunftsersuchen hinsichtlich der Umsatzsteuer wurden in den
Jahren 2004 bis 2009 an Deutschland gerichtet bzw. von Deutschland erteilt,
und wie lange dauerte hierbei die durchschnittliche Antwortzeit von Seiten
Deutschlands?

24. Wie viele Zinsmeldungen erhielt das Bundeszentralamt für Steuern im Rah-
men der EU-Zinsrichtlinie in den Jahren 2005 bis 2009, wie viele davon wur-
den an die jeweiligen Finanzverwaltungen der Länder weitergeleitet bzw.
von jenen abgerufen, und wie viele davon wurden durch die zuständigen
Finanzverwaltungen ausgewertet (bitte aufgegliedert nach Jahren und Bun-
desländern)?

25. Wie viele Fälle der Steuerfahndungsstellen der Länder wurden in den Jahren
2005 bis 2009 erledigt (bitte aufgegliedert nach Bundesländern, Kategorisie-
rung der Fälle und Veränderung gegenüber dem Vorjahr)?

Berlin, den 15. Juli 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.