BT-Drucksache 17/244

Steuerfreiheit der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit erhalten

Vom 15. Dezember 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 17/244
17. Wahlperiode 15. 12. 2009

Antrag
der Abgeordneten Martin Gerster, Nicolette Kressl, Ingrid Arndt-Brauer,
Sabine Bätzing, Lothar Binding (Heidelberg), Bernhard Brinkmann (Hildesheim),
Petra Hinz (Essen), Bernd Scheelen, Dr. Carsten Sieling, Manfred Zöllmer,
Joachim Poß, Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Dr. Frank-Walter Steinmeier und
der Fraktion der SPD

Steuerfreiheit der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit
erhalten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In Wissenschaft und Öffentlichkeit wird gegenwärtig eine Debatte über steuer-
liche Subventionen geführt. Dabei wird unter anderem die Streichung der Steuer-
freiheit der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit verlangt. Diese
Forderung missachtet die zunehmende Ausweitung dieser atypischen Arbeits-
zeiten. Außerdem richtet sie sich gegen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mer, die unter erschwerten Bedingungen Schicht- und Wochenendarbeit leisten
müssen. Diese beteiligen sich mit hoher Leistungsbereitschaft an der Erarbei-
tung unseres Wohlstands. Die Steuerfreiheit der Zuschläge für Sonntags-,
Feiertags- und Nachtarbeit muss deshalb erhalten bleiben.

Die regelmäßige Evaluierung sämtlicher Subventionstatbestände ist zur Gewähr-
leistung der Effizienz des Steuersystems unerlässlich. Eine moderne Steuer-
politik muss aber verschiedenen Anforderungen gerecht werden. Die Beurtei-
lung der einzelnen Regelungen darf deshalb nicht nur anhand fiskalischer
Aspekte erfolgen, sondern muss auch Lenkungsziele und das Erfordernis einer
gerechten Lastenteilung berücksichtigen.

Die Steuerfreiheit der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit be-
rücksichtigt die seit Jahren feststellbare Ausweitung dieser atypischen Arbeits-
zeiten. Diese unter arbeits- und gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten höchst
problematische Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren nicht umkehren
lassen. Schicht-, Nacht- und Wochenendarbeit verlängern die Produktions- bzw.
Dienstleistungszeiten und dämpfen besonders im industriellen Bereich die auf-
grund steigender Kapitalintensität erhöhten Kosten. Auch die Tertiarisierung
der Wirtschaft verstärkt diesen Trend. Immer mehr Dienstleistungen, beispiels-
weise in den Bereichen Pflege, Sicherheit, Hotel- und Gaststättenbereich und

Verkehr werden rund um die Uhr angeboten. Nach den letzten verfügbaren
Zahlen aus dem Jahr 2008 (Statistisches Bundesamt, Mikrozensus) sind 19,25
Millionen Menschen von diesen atypischen Formen der Arbeitszeit betroffen.
Das sind 59,1 Prozent aller abhängig Erwerbstätigen. 8,52 Millionen der Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiteten an Sonntagen. Gut 5,13 Millio-
nen arbeiten nachts.

Drucksache 17/244 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Eine Streichung der Steuerfreiheit der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und
Nachtarbeit hätte für weite Teile der Beschäftigten empfindliche Einkommens-
einbußen von über 2 Mrd. Euro zur Folge. Diese Einbußen werden kaum durch
von den Tarifparteien vereinbarte Lohnzuschläge ausgeglichen werden können.

Es ist aber vor allem die von der neuen Koalitionsregierung der CDU, CSU und
FDP verfolgte Steuerpolitik, die der Forderung nach Streichung der Steuerfrei-
heit der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit besondere Brisanz
verleiht. Bereits in der Vergangenheit haben sich sowohl CDU und CSU als
auch die FDP in ihren Programmen für eine Streichung der Steuerfreiheit aus-
gesprochen. Dagegen hat sich die SPD bisher erfolgreich für ihren Erhalt ein-
gesetzt und dies 2005 zur Vorbedingung für die Aufnahme von Koalitionsver-
handlungen zur Bildung der großen Koalition gemacht.

Durch die nunmehr von der neuen Koalition auf den Weg gebrachten oder an-
gekündigten Steuersenkungen zugunsten von Spitzenverdienern, Unternehmen
und vermögenden Erben wird der ohnehin vorhandene enorme Konsolidie-
rungsbedarf der öffentlichen Haushalte noch weiter gesteigert. Dies erhöht den
Druck zu Einsparungen. Bei einer Streichung oder Einschränkung der Steuer-
freiheit der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit würden aber
Schichtarbeiter, Krankenschwestern und Polizisten die Steuergeschenke zu-
gunsten der Reichen bezahlen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf,

– auf ungedeckte Steuersenkungen zu verzichten, um den Konsolidierungs-
bedarf der öffentlichen Haushalte nicht weiter zu erhöhen;

– zu erklären, dass sie die Steuerfreiheit der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags-
und Nachtarbeit nicht antasten wird;

– bei Einsparungen die ökologischen und sozialen Erfordernisse zu beachten.

Berlin, den 15. Dezember 2009

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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