BT-Drucksache 17/2332

Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und Sanitäreinrichtungen - Versorgung weltweit verbessern

Vom 30. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2332
17. Wahlperiode 30. 06. 2010

Antrag
der Abgeordneten Frank Heinrich, Erika Steinbach, Arnold Vaatz, Peter Altmaier,
Michael Frieser, Ute Granold, Dr. Egon Jüttner, Jürgen Klimke, Stefan Müller
(Erlangen), Sibylle Pfeiffer, Volker Kauder, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) und
der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Marina Schuster, Pascal Kober, Serkan Tören,
Michael Link (Heilbronn) und der Fraktion der FDP

Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und Sanitäreinrichtungen – Versorgung
weltweit verbessern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Recht auf Zugang zu Wasser – zum Trinken und für den persönlichen Hy-
gienebedarf – und Sanitärversorgung ist ein Menschenrecht. Es ist bereits in Ar-
tikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der ein Recht auf einen
angemessenen Lebensstandard verbürgt, angelegt. Konkret leitet es sich aus den
rechtlich verbindlichen Artikeln 11 und 12 (Recht auf einen angemessenen
Lebensstandard und Recht auf Gesundheit) des Internationalen Paktes über die
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte („UN-Sozialpakt“) und dem
Allgemeinen Kommentar Nr. 15 des Sozialpaktausschusses aus dem Jahr 2002
ab. In analoger Anwendung ist die sanitäre Grundversorgung als ein Menschen-
recht ebenfalls aus den Artikeln 11 und 12 des UN-Sozialpaktes ableitbar. Laut
den Vorgaben des Allgemeinen Kommentars Nr. 15 müssen Wasser und Sanitär-
versorgung ausreichend verfügbar, finanziell und physisch zugänglich sowie
von ausreichender Qualität sein. In Artikel 24 der UN-Kinderrechtskonvention
ist der Zugang zu Trinkwasser ebenfalls geregelt.

Derzeit haben weltweit jedoch fast 900 Millionen Menschen keinen Zugang zu
sauberem Trinkwasser und 2,6 Milliarden Menschen verfügen über keinen Zu-
gang zu ausreichend hygienischer Abwasserentsorgung. An den daraus resultie-
renden Krankheiten wie Infektions- und Durchfallerkrankungen sterben mehr
Kinder als an Malaria, Masern und Aids zusammen. Alle 20 Sekunden stirbt
daran ein Kind.

In einigen Konflikten wird Wassermangel politisch ausgenutzt und Wasser als
Machtmittel eingesetzt. In diesen Fällen werden zum Beispiel Staudämme ge-

baut oder Flüsse umgeleitet, um die Wasserzufuhr eines anderen Staates zu steu-
ern. In Zukunft wird sich der Zugang zu sauberem Wasser durch die zunehmend
schwierigere Wasserversorgung, hervorgerufen durch das Wachstum der Welt-
bevölkerung, die zunehmende Urbanisierung, die verstärkte Industrialisierung
und den Klimawandel weiter zuspitzen. Die Versorgung von Menschen mit
sauberem Trinkwasser und Sanitäreinrichtungen gehört zu den zentralen Heraus-
forderungen im 21. Jahrhundert und ist damit ein strategisches Zukunftsthema.

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Aus diesem Grunde haben die Vereinten Nationen für den Zeitraum 2005 bis
2015 die Wasserdekade „water for life“ ausgerufen und im Jahr 2008 mit dem
„Internationalen Jahr der sanitären Grundversorgung“ mit früher Unterstützung
der Bundesregierung erfolgreich ein Themenjahr veranstaltet, um auf den welt-
weiten Notstand durch verschmutztes Wasser und unzureichende Sanitär- und
Hygienebedingungen aufmerksam zu machen. Die internationale Gemeinschaft
hat sich in den Millenniumsentwicklungszielen (Millenium Development Goals,
MDG) verpflichtet, den Anteil der Menschen ohne Zugang zu Trinkwasser und
Basissanitärversorgung bis 2015 um die Hälfte zu reduzieren. Die Rückstände
in der Zielerreichung sind bei der Basissanitärversorgung besonders groß. Man-
gelnde sanitäre Infrastruktur führt zu einer massiven Verschmutzung von wert-
vollem Grundwasser. Fehlende oder unzureichende Versorgung mit sauberem
Wasser hat neben schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen, die bis zu töd-
lichen Seuchen führen können, auch entwicklungs- und wirtschaftspolitische
Auswirkungen. Jedem Euro, der in Wasser- und Sanitärversorgung investiert
wird, lassen sich rund 8 Euro volkswirtschaftlichen Schadens bei Unterlassen
gegenüberstellen.

Das Sektorkonzept Wasser des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung beinhaltet die Menschenrechtsdimension und erläu-
tert, dass die Entwicklungszusammenarbeit „zur Realisierung des Menschen-
rechts auf Zugang zu Trinkwasser und sanitärer Basisversorgung“ beiträgt. Es
weist darauf hin, dass der Zugang diskriminierungsfrei zu gewährleisten ist.
„Das bedeutet gleichen Zugang z.B. von Männern und Frauen, von Menschen
mit HIV/Aids und mit Behinderungen, von indigenen und anderen margina-
lisierten Bevölkerungsgruppen sowie von städtischer und ländlicher Bevölke-
rung.“ Mit dem Menschenrechtsansatz im Wassersektor wurden in Kenia sehr
positive Erfahrungen gesammelt, die jüngst aufbereitet wurden und interna-
tional nachgefragt werden.

Die Bundesregierung hat die weltweite Bedeutung dieses Themas seit langem
erkannt und kämpft entschlossen gegen die unzureichende Trinkwasser- und Sa-
nitärversorgung. Der Wassersektor zählt zu Deutschlands traditionellen Stärken
in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit. Im Bereich Wasserversorgung
ist Deutschland in der Entwicklungszusammenarbeit weltweit unter den drei
größten bilateralen Gebern und mit ca. 350 Mio. Euro der größte bilaterale Ge-
ber in Afrika. Die bilaterale Unterstützung im Wassersektor war 2009 mit ca. 50
Prozent in Afrika am größten. In 60 Ländern weltweit ist die Bundesrepublik
Deutschland im Wassersektor aktiv, in 28 Ländern ist der Wassersektor einer
von drei Kernelementen. Die regionalen Schwerpunkte des deutschen Engage-
ments sind Afrika und der Nahe Osten. Allein südlich der Sahara sollen durch
deutsches Engagement bis 2015 etwa 25 Millionen Menschen Zugang zu Trink-
wasser und 5 Millionen Zugang zu Sanitärversorgung erhalten. Wenngleich
diese Zahl für sich genommen beeindruckend klingt, kann es sich dabei ange-
sichts der globalen Dimension des Mangels nur um einen von vielen weiteren
nötigen Schritten handeln, um die Versorgung mit sauberem Trinkwasser und
Sanitäreinrichtungen weltweit zu verbessern. Im Rahmen von Dreieckskoopera-
tionen wirken darüber hinaus beispielsweise in Äthiopien die Staaten Israel und
Deutschland gemeinsam an der Verbesserung des lokalen Wassermanagements.
Aus der israelischen Erfahrung im Wassersektor und der deutschen Expertise
auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit entstehen Synergieeffekte,
welche die Zielerreichung optimieren. Anlässlich der deutsch-israelischen
Regierungskonsultationen vom 18. Januar 2010 wurde der Ausbau dieser ent-
wicklungspolitischen Dreieckskooperation beschlossen.

Auch auf multilateraler Ebene leistet die Bundesregierung einen Beitrag zur
Überwindung der Unterversorgung mit sauberem Trinkwasser und Sanitärein-

richtungen in vielen Teilen der Erde. So ist Deutschland ein führender Akteur im
internationalen entwicklungspolitischen Sektordialog, hat entscheidend zur

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Stärkung der G8-Afrika-Wasserpartnerschaft auf dem G8-Gipfel 2009 beigetra-
gen, unterstützt die neue Initiative zur MDG-Erreichung „Sanitation and Water
for All“ und stellt die Vize-Vorsitzende von UNSGAB, dem Beraterkreis für
Wasser und Sanitärversorgung des UN-Generalsekretärs. Die Bundesregierung
setzt sich gemeinsam mit Spanien dafür ein, dass die Staatengemeinschaft das
Menschenrecht auf Trinkwasser und Sanitärversorgung anerkennt. Die Schaf-
fung des Mandats einer Unabhängigen Expertin der Vereinten Nationen durch
eine entsprechende, im März 2008 von Deutschland und Spanien initiierte und
mit weiteren 44 Staaten eingebrachte, Resolution des UN-Menschenrechtsrats in
Genf war hierfür ein erstes, wichtiges Signal. Für dieses Amt wurde am 23. Sep-
tember 2008 für eine dreijährige Amtszeit Catarina de Albuquerque vom Prä-
sidenten des UN-Menschenrechtsrates ernannt. Ihr obliegt nun, einen Beitrag
u. a. zur weiteren inhaltlichen Klärung der rechtlichen Verpflichtungen und zur
Herausarbeitung von „best practices“ im Bereich des Zuganges zu Trinkwasser
und Sanitärversorgung zu leisten und Empfehlungen insbesondere zur Errei-
chung des Millenium Development Goals 7 (Sicherung der ökologischen Nach-
haltigkeit) zu erarbeiten. Deutschland unterstützt die Arbeit der Unabhängigen
Expertin der Vereinten Nationen für das Menschenrecht auf sauberes Trinkwas-
ser und Sanitärversorgung und leistet einen wichtigen Anteil bei der Lösung des
Problems.

Eine weitere Resolution auf deutsch-spanische Initiative wurde im September
2009 durch den UN-Menschenrechtsrat verabschiedet, die sich im Schwerpunkt
mit bereits bestehenden menschenrechtlichen Verpflichtungen in Bezug auf Sa-
nitärversorgung befasst. Sie wurde von 60 Staaten mit eingebracht und – wie
auch die Resolution im März 2008 – im Konsens verabschiedet.

Die Bundesregierung unterstützt ferner das von der Weltgesundheitsorganisa-
tion und UNICEF (Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen) gegründete Joint
Monitoring Programme (JMP), dessen Ziel es ist, den weltweiten Stand der
Wasser- und Sanitärversorgung zu beobachten, Daten zu erheben und verfügbar
zu machen, um eine Evaluation der MDG zu ermöglichen und fördert die Initi-
ative „WASH United“, die während der Fußballweltmeisterschaft 2010 in acht
Ländern Afrikas über Bestehen und Inhalt des Menschenrechts auf Wasser- und
Sanitärversorgung und Hygieneerfordernisse aufklärt.

Der Deutsche Bundestag unterstützt die Bundesregierung bei ihrem Vorhaben,
für eine universelle Anerkennung des Menschenrechts auf sauberes Trinkwasser
und Sanitäreinrichtungen im Rahmen der Vereinten Nationen zu werben. Dabei
sollte die Bundesregierung insbesondere jenen Staaten verdeutlichen, die dem
skeptisch gegenüberstehen, dass aus der Anerkennung grundsätzlich kein An-
spruch abgeleitet werden kann, dass sauberes Trinkwasser kostenfrei zur Ver-
fügung gestellt wird und daraus auch keine Ansprüche zur Wassernutzung zwi-
schen Staaten erwachsen. Darüber hinaus bekräftigt der Deutsche Bundestag
seine Überzeugung, dass Wasser und dessen Mangel nicht als politisches Macht-
und Druckmittel genutzt werden darf.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. fortgesetzt deutlich zu machen, dass Wasser in ausreichender Quantität und
Qualität Voraussetzung dafür ist, dass in den Bereichen Gesundheit, Bildung
und Ernährungssicherheit Entwicklungsziele erfüllt und Menschenrechte
realisiert werden;

2. sich weiter für die Anerkennung des Menschenrechts auf Trinkwasser und
Sanitärversorgung einzusetzen;

3. ihre Bemühungen zur Verbesserung der Versorgung mit sauberem Trinkwas-
ser und Sanitäreinrichtungen in unterversorgten Gebieten und Staaten weiter-

hin intensiv zu verfolgen und dies zu einem Schwerpunktthema der Humani-
tären Hilfe zu machen;

Drucksache 17/2332 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
4. sich weiterhin im bi- und multilateralen Rahmen dafür einzusetzen, dass
sich mehr Staaten verpflichten, Schritt für Schritt geeignete Rahmenbedin-
gungen zu schaffen, um die Versorgungssituation der Bevölkerung mit sau-
berem Trinkwasser und Sanitäranlagen zu verbessern;

5. in Anerkennung der staatlichen Verantwortung und im Wissen um das Men-
schenrecht auf Wasser und sanitäre Versorgung als progressives Recht für
diese Aufgaben zur Verbreitung jener öffentlichen oder privaten Modelle
zur Verbesserung der Versorgung mit sauberem Trinkwasser und Sanitär-
einrichtungen – angepasst an die jeweiligen Rahmenbedingungen – bei-
zutragen, die die Menschenrechtskriterien erfüllen sowie wirtschaftlich
effizient und finanziell nachhaltig sind;

6. ihre Bemühungen fortzusetzen, der Sanitärversorgung besondere Aufmerk-
samkeit zu widmen, und dabei die Potentiale der Privatsektorbeteiligung
insbesondere von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) aus
Entwicklungsländern angemessen zu berücksichtigen;

7. auf zwischenstaatlicher und internationaler Ebene stets auch auf die volks-
wirtschaftlichen Effekte einer verbesserten Infrastruktur für sauberes Trink-
wasser und Sanitäranlagen hinzuweisen, sowie im Zuge der Entwicklungs-
zusammenarbeit in den Zielländern auf das Setzen entsprechender
Investitionsanreize zu achten;

8. die geplante Schaffung einer „Freundesgruppe“ zum Anlass zu nehmen, die
internationale Gemeinschaft erneut für das Menschenrecht auf Versorgung
mit sauberem Trinkwasser und Sanitäreinrichtungen zu sensibilisieren, um
auf diesem Wege eine möglichst große Zahl von Mitgliedern für diese
Freundesgruppe zu gewinnen;

9. das Mandat der Unabhängigen Expertin der Vereinten Nationen zu stärken
und ihre Arbeit zu unterstützen;

10. im Zuge von Projekten zur Menschenrechts- und Gesundheitsbildung auch
über das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung
aufzuklären;

11. die sich ihr im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit und mithilfe konkreter
Projekte wie der zivilgesellschaftlichen Fußball-Kampagne „WASH United“
eröffnenden Möglichkeiten zu nutzen, um dem Thema die nötige Aufmerk-
samkeit zu verschaffen, die ihm bislang in der Öffentlichkeit und in den
Medien leider verwehrt blieb;

12. sich für die Umsetzung von Menschenrechtsansatz und -kriterien in natio-
nalen Armutsbekämpfungsstrategien und in bilateralen und multilateralen
Programmen zu verwenden.

Berlin, den 30. Juni 2010

Volker Kauder, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) und Fraktion
Birgit Homburger und Fraktion

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