BT-Drucksache 17/2049

Veränderung der Zusammensetzung des Europäischen Parlaments in der laufenden Wahlperiode

Vom 10. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2049
17. Wahlperiode 10. 06. 2010

Antrag
der Abgeordneten Dr. Diether Dehm, Alexander Ulrich, Andrej Hunko,
Thomas Nord, Jan van Aken, Christine Buchholz, Sevim Dag˘delen, Wolfgang
Gehrcke, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Harald Koch, Stefan Liebich,
Niema Movassat, Paul Schäfer (Köln), Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Veränderung der Zusammensetzung des Europäischen Parlaments in der
laufenden Wahlperiode

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Das Europäische Parlament wurde in seiner jetzigen Zusammensetzung in
der Zeit vom 4. bis 7. Juni 2009 nach den grundlegenden demokratischen
Prinzipien in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl
gewählt. Da zu diesem Zeitpunkt der Vertrag von Lissabon noch nicht in
Kraft getreten war, ergaben sich die Gesamtzahl der Mandate und die Vertei-
lung auf die einzelnen Mitgliedstaaten aus den Regelungen nach dem Ver-
trag von Nizza.

2. Das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 änderte
an der Zusammensetzung des Europäischen Parlaments unmittelbar nichts.
Auch ist rechtlich keine Veränderung geboten, da es demokratischen und
rechtsstaatlichen Prinzipien entspricht, dass veränderte Regelungen über die
Zusammensetzung eines parlamentarischen Gremiums erst bei den nächsten
Wahlen Wirkung entfalten.

3. Gleichwohl haben die Staats- und Regierungschefs auf dem Europäischen
Rat am 18. und 19. Juni 2009 beschlossen, bereits im Jahr 2010 entsprechend
dem neugefassten Artikel 14 Absatz 2 des EU-Vertrags eine Erhöhung der
Mandate im Europäischen Parlament um 18 eintreten zu lassen und die zu-
sätzlichen Abgeordneten auf zwölf Mitgliedstaaten zu verteilen. Eine Ver-
minderung der Zahl der Abgeordneten aus Mitgliedstaaten, denen nach dem
Vertrag von Lissabon weniger Mandate als zuvor zustehen, wurde hingegen
nicht festgelegt. Auf der Grundlage dieser Beschlussfassung hat die spa-
nische Regierung am 4. Dezember 2009 den Antrag gestellt, das Protokoll
über die Übergangsbestimmungen zu ändern, das in Artikel I Bestimmungen
über das Europäische Parlament enthält.
4. Der Vorschlag der spanischen Regierung sieht drei Möglichkeiten vor, nach
denen die in Betracht kommenden Mitgliedstaaten auf sie entfallende zu-
sätzliche Abgeordnete bestimmen können

a) entweder in allgemeinen unmittelbaren Ad-hoc-Wahlen in dem betroffe-
nen Mitgliedstaat gemäß den für die Wahlen zum Europaparlament gel-
tenden Bestimmungen,

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b) oder auf der Grundlage der Ergebnisse der Europawahlen vom 4. bis
7. Juni 2009 nach dem von ihnen festgelegten Verfahren

c) oder, indem sie ihre nationalen Parlamente die erforderliche Zahl von
Mitgliedern aus ihrer Mitte ernennen lassen.

5. Die unter Nummer 4c genannte Variante ist nicht akzeptabel. Sie ist mit den
Grundsätzen demokratischer Wahl nicht vereinbar. Gegenüber den beiden
anderen Möglichkeiten greifen diese Bedenken nicht. Allerdings ist nicht er-
sichtlich, weshalb die Bundesregierung ohne Weiteres einer nicht gebotenen
Regelung zustimmen sollte, die entgegen dem demokratischen Grundsatz
der Gleichwertigkeit der Stimmen der Wahlbürgerinnen und Wahlbürger das
Stimmgewicht der in Deutschland gewählten Europaabgeordneten vorzeitig
weiter vermindert.

6. Da die vorgeschlagene Neufassung des genannten Übergangsprotokolls eine
Vertragsänderung darstellt, muss sie von einer einzuberufenden Regierungs-
konferenz beschlossen werden. Wenn es aber schon zur aufwendigen Ein-
berufung und Durchführung einer Regierungskonferenz kommt, dann er-
scheint es unabweisbar geboten, längst überfällige Vertragsänderungen bzw.
-ergänzungen gleichzeitig vorzunehmen.

7. Im Hinblick auf die bekannte Rechtsprechung des Europäischen Gerichts-
hofs ist die Vereinbarung eines Protokolls geboten, das eine soziale For-
schrittsklausel enthält. Diese soziale Fortschrittsklausel soll klarstellen, dass
soziale Grundrechte und sozialstaatliche Grundwerte im Konfliktfall den
Grundfreiheiten des Kapitals (Niederlassungsfreiheit, Kapitalverkehrsfrei-
heit, Dienstleistungsfreiheit) vorgehen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. der Einberufung einer Regierungskonferenz zur Änderung bzw. Ergänzung
des Protokolls über die Übergangsbestimmungen nur zuzustimmen, wenn
Verhandlungsgegenstand der Regierungskonferenz auch die Einfügung ei-
nes Protokolls über eine soziale Fortschrittsklausel wird,

2. keiner Änderung des Protokolls über die Übergangsbestimmungen zuzu-
stimmen, das Regelungen entsprechend der Variante unter Nummer 4c im
Vorschlag der spanischen Regierung enthält.

III. Der Deutsche Bundestag weist darauf hin,

dass dieser Beschluss nach den §§ 9 und 10 des Gesetzes über die Zusammen-
arbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der
Europäischen Union verbindlich ist, da wichtige außen- und integrationspoli-
tische Gründe, die ihm entgegenstehen könnten, nicht ersichtlich sind.

Berlin, den 9. Juni 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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