BT-Drucksache 17/1963

Zukunft öffentlich-rechtlicher Sparkassen sichern - Privatisierung verhindern

Vom 9. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1963
17. Wahlperiode 09. 06. 2010

Antrag
der Abgeordneten Bernd Scheelen, Nicolette Kressl, Joachim Poß, Ingrid Arndt-
Brauer, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Dr. Hans-Peter Bartels, Lothar Binding
(Heidelberg), Petra Ernstberger, Martin Gerster, Iris Gleicke, Bettina Hagedorn,
Gabriele Hiller-Ohm, Petra Hinz (Essen), Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Sönke
Rix, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Carsten Sieling, Franz Thönnes, Manfred
Zöllmer, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Zukunft öffentlich-rechtlicher Sparkassen sichern – Privatisierung verhindern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die schwarz-gelbe Landesregierung in Schleswig-Holstein setzt mit ihrem Ge-
setzentwurf zur Änderung des Sparkassengesetzes die Zukunft der öffentlich-
rechtlichen Sparkassen aufs Spiel. Im Fall seiner Realisierung droht der Gesetz-
entwurf zum Einfallstor für die Privatisierung der Sparkassen in Schleswig-Hol-
stein zu werden. Dies würde den Bestand des Verbunds der öffentlichen-recht-
lichen Sparkassen in Frage stellen und hätte somit über Schleswig-Holstein
hinaus gravierende negative Auswirkungen auf den gesamten Sparkassensektor.

Die öffentlich-rechtlichen Sparkassen sind ein unverzichtbarer Bestandteil des
deutschen Bankensystems. Sparkassen verfolgen ein regional und an der realen
Wirtschaft ausgerichtetes Geschäftsmodell. Sie versorgen mittelständische Un-
ternehmen mit Krediten. Sie stellen einen umfassenden und diskriminierungs-
freien Zugang aller Bevölkerungsteile zu Finanzdienstleistungen sicher. Ohne
sie könnte eine flächendeckende geld- und kreditwirtschaftliche Versorgung
auch ländlicher und strukturschwacher Regionen nicht gewährleistet werden.
Für die Kommunen sind Sparkassen außerdem ein wichtiger Partner zur Stär-
kung der Regionen. Sparkassen fördern kommunale Sport-, Kultur-, Jugend-
und Sozialeinrichtungen und tragen so zur Finanzierung des Gemeinwesens bei.

Das spezifische Geschäftsmodell der Sparkassen funktioniert dabei nur auf
Grund ihrer öffentlich-rechtlichen Strukturen, der Einhaltung des Regionalprin-
zips und der Erfüllung ihres öffentlichen Auftrags. Bei einer Privatisierung der
öffentlich-rechtlichen Sparkassen würden kurzfristige Renditeinteressen zu Las-
ten der bisherigen Gemeinwohlorientierung in den Vordergrund treten. Privaten
muss deshalb auch künftig eine Übernahme von Sparkassen verwehrt bleiben.
Die im schleswig-holsteinischen Gesetzentwurf enthaltene Möglichkeit zur Bil-
dung beschränkt übertragungsfähigen Stammkapitals bei öffentlich-rechtlichen
Sparkassen birgt nach Einschätzung des Bundesverbandes der kommunalen
Spitzenverbände, des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes und anderer
Sachverständiger die Gefahr eines Verstoßes gegen europäisches Wettbewerbs-
recht und nimmt damit das Risiko eines Dammbruchs zur Privatisierung der
Sparkassen in Kauf.

Drucksache 17/1963 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Bereits die Möglichkeit zur Bildung von Stammkapital wirft grundlegende spar-
kassenrechtliche Probleme auf. Stammkapital und die Möglichkeit seiner Über-
tragung bietet den Sparkassen keine betriebswirtschaftlichen Vorteile. Struk-
turfragen, insbesondere die Fusion von Sparkassen – lassen sich mit den beste-
henden sparkassenrechtlichen Mitteln ohne den Einsatz von Stammkapital
lösen. Die Bildung und Veräußerung von Stammkapital stellt aber die öffent-
liche Zweckbindung der Sparkassen in Frage. Sparkassen würden zu Finanz-
beteiligungen, die bei Nichterreichen einer gewünschten Rendite veräußert
werden können. Es wird somit Veräußerungsdruck erzeugt. Bereits die Einfüh-
rung einer Stammkapitaloption – auch bei eingeschränkter Übertragbarkeit –
stellt daher den ersten Schritt in Richtung Privatisierung dar.

Anders als in anderen Ländern, die die Bildung von Kapitalanteilen vorsehen,
soll nach dem schleswig-holsteinischen Gesetzentwurf eine Übertragung von
Stammkapital aber nicht nur auf andere öffentlich-rechtliche Sparkassen und
kommunale Träger möglich sein. Einbezogen wird nämlich auch die Haspa-
Finanzholding, die Trägerin einer freien Sparkasse ist. Bereits das Bundesver-
waltungsgericht hat festgestellt, dass es sich bei der Haspa um ein privates
Rechtssubjekt handelt. Auch die EU-Kommission hat bereits deutlich erkennen
lassen, dass sie die Haspa-Finanzholding als Privaten einordnen wird.

Wird die Übertragbarkeit des Stammkapitals nicht auf den öffentlich-rechtlichen
Bereich beschränkt, liegt eine Teilprivatisierung vor, bei der nach der Rechtspre-
chung des Europäischen Gerichtshofs die europäischen Grundfreiheiten, hier
insbesondere der Niederlassungsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit, an-
wendbar sind. Eine Privilegierung bestimmter Rechtsträger gegenüber anderen
potentiellen Investoren wäre dann unzulässig.

Die EU-Kommission könnte wegen der unzulässigen Veräußerungsbeschrän-
kung ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Private Investoren könnten
sich auf eine Gleichstellung mit der Haspa-Finanzholding berufen. Ein nicht zu-
gelassener Privater, der bereit wäre, einen höheren Kaufpreis als ein öffentlich-
rechtlicher Erwerbsinteressent zu bezahlen, könnte sich auf das europäische
Diskriminierungsverbot berufen und sich ggf. in die Sparkassen hineinklagen.
Im Ergebnis könnte so der schleswig-holsteinische Gesetzentwurf dazu dienen,
eine Öffnung des Sparkassensektors für Private zu erzwingen – mit weitreichen-
den faktischen Folgen für alle Sparkassen in Deutschland, deren Kunden und die
Regionen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

– sich im Interesse einer flächendeckenden und allen Bevölkerungsteilen zu-
gänglichen Versorgung mit Finanzdienstleistungen für eine Stärkung der
öffentlich-rechtlichen Sparkassen im deutschen Bankensystem einzusetzen;

– sich zur Erhaltung der öffentlichen Zweckbindung der Sparkassen gegen die
Möglichkeit zur Bildung von Stammkapital und dessen beschränkter Über-
tragbarkeit einzusetzen;

– gegenüber der schleswig-holsteinischen Landesregierung darauf zu dringen,
dass diese ihren Gesetzentwurf zurückzieht und eine Übertragbarkeit von
Stammkapitalanteilen öffentlich-rechtlicher Sparkassen auf Private ausge-
schlossen bleibt.

Berlin, den 8. Juni 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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