BT-Drucksache 17/1923

Polizei- und Zolleinsätze im Ausland (Stand erstes Quartal 2010)

Vom 3. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1923
17. Wahlperiode 03. 06. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Jan van Aken, Christine Buchholz,
Dr. Diether Dehm, Sevim Dag˘delen, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Heike
Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Harald Koch, Niema Movassat, Wolfgang
Neskovic, Petra Pau, Jens Petermann, Paul Schäfer (Köln), Frank Tempel,
Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Polizei- und Zolleinsätze im Ausland (Stand erstes Quartal 2010)

Auslandseinsätze von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten entwickeln sich
immer mehr zu einem Mittel deutscher und EU-Außenpolitik. Die Militärdoktrin
der Europäischen Union (EU), die sogenannte Europäische Sicherheitsstrategie,
sieht ausdrücklich den kombinierten Einsatz militärischer und ziviler (d. h. auch
polizeilicher) Mittel vor, um „einen besonderen Mehrwert“ zu erzielen.

Diese Entwicklung ist aus mehreren Gründen besorgniserregend.

So leistet sie der Vermischung von polizeilichen und militärischen Zuständig-
keiten Vorschub. Die Grenzen zwischen Polizei und Militär drohen zu ver-
schwimmen. Das gilt umso mehr, als gerade bei Einsätzen in Kriegs- und Krisen-
gebieten, Polizisten immer wieder in lebensbedrohliche Situationen kommen.
Diese dienen dann wiederum als Legitimation für eine Aufrüstung der Polizei,
bis hin zu Überlegungen, schwerbewaffnete Einheiten der Bundespolizei speziell
für Auslandseinsätze aufzustellen.

Hinzu kommt, dass für polizeiliche Auslandseinsätze keinerlei parlamentarische
Zustimmung erforderlich ist. Je nach Rechtsgrundlage ist noch nicht einmal die
Information des Deutschen Bundestages vorgeschrieben. Damit wird ein wich-
tiger Bereich der Außenpolitik der parlamentarischen Kontrolle entzogen. Be-
denklich ist dies vor allem wegen der gerade bei Einsätzen in Kriegs- und Krisen-
gebieten stets vorhandenen Eskalationsgefahr.

Ähnliches gilt für Einsätze von Zollbeamtinnen und Zollbeamten. Auch für ihre
Entsendung ins Ausland ist keine Zustimmung des Deutschen Bundestages er-
forderlich.

Mit einigem Unverständnis bewerten die Fragesteller die Tatsache, dass die Bun-
desregierung auf die bisherigen einschlägigen Anfragen der Fraktion DIE
LINKE. keine Angaben zu sicherheitsrelevanten Vorfällen machen konnte oder
wollte, denen deutsche Polizeibeamte in ihren Missionen ausgesetzt waren. Nach

Ansicht der Fraktion DIE LINKE. gehört die Erfassung solcher Vorfälle zur
Sorgfaltspflicht der Bundesregierung.

Drucksache 17/1923 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. An welchen bi- und multilateralen Missionen sind derzeit deutsche Polizistin-
nen und Polizisten (bitte aufgliedern nach Bundesländern, Zugehörigkeit zu
Bundespolizei/Bundeskriminalamt – BKA) sowie Zollbeamtinnen und Zoll-
beamte beteiligt?

a) Welche rechtliche Grundlage hat die Mission, wer ist Missionsträger bzw.
wer hat ggf. das Mandat erteilt, welche Mandatsobergrenze ist vorgesehen,
und welche tatsächliche Gesamtstärke hat die Mission derzeit?

b) Welchen Auftrag haben die Polizistinnen und Polizisten sowie Zollbeam-
tinnen und Zollbeamten?

c) Wann wird die Mission voraussichtlich beendet sein?

2. Wie viele deutsche Polizistinnen und Polizisten sowie weiteres ziviles Perso-
nal (bitte aufgliedern nach Bundesländern, Zugehörigkeit zu Bundespolizei/
BKA sowie entsendenden Dienststellen) bzw. Zollbeamtinnen und Zollbeamte
sind dabei jeweils eingesetzt?

a) Welche konkreten Aufgaben verrichten sie dort (bitte jeweils die einzelnen
Personalzahlen angeben)?

b) An welchen Orten sind sie eingesetzt?

c) In welchen Stäben, Einrichtungen und Stellen sind sie tätig (bitte jeweils
die einzelnen Personalzahlen angeben)?

d) Wie bewertet die Bundesregierung die Relation von Mandatsobergrenze,
dem derzeitigen tatsächlichen Gesamtumfang und dem Umfang der deut-
schen Beteiligung?

e) Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung eine Veränderung hinsichtlich
der Art und/oder des Umfangs der deutschen Beteiligung, und bis wann
soll diese umgesetzt sein (bitte ggf. konkrete Angaben und Zahlen zu den
einzelnen Missionen geben)?

3. Wie viele der im Rahmen des German Police Project Teams sowie EUPOL
Afghanistan (European Union Police Mission in Afghanistan) eingesetzten
deutschen Polizeibeamten sind Kurzeit- bzw. Langzeitexperten?

4. Wie viele Verbindungsbeamtinnen und Verbindungsbeamte des BKA halten
sich derzeit in welchen Ländern auf (bitte jeweils die Einsatzländer und Ein-
satzorte sowie die zugehörige Zahl von Beamtinnen und Beamten angeben)?

5. Wie viele deutsche Polizeibeamte werden derzeit im Ausland als

a) Dokumentenberater,

b) Sicherheitsbeamte,

c) Grenzpolizeiliche Verbindungsbeamte,

d) Unterstützungskräfte sowie Berater in Fragen der Grenzsicherheit einge-
setzt (bitte jeweils, d. h. zu jedem Unterpunkt, Einsatzland und Einsatzort
sowie die Zahl der eingesetzten Polizeibeamten nennen und angeben, ob sie
vom BKA, der Bundespolizei oder einer Länderpolizei gestellt werden)?

6. Wie viele deutsche Polizeibeamte wurden bislang im Jahr 2010 im Rahmen
der „Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außen-
grenzen“ (FRONTEX) eingesetzt

a) als Dokumentenberater im Rahmen welcher Operationen, und an welchen
Standorten,
b) als Mitarbeiter in der Warschauer Zentrale (bitte mit der jeweiligen Funk-
tion auflisten),

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1923

c) als Teilnehmer von Operationen zur Überwachung und Kontrolle der
Außengrenzen, die deutsches Gerät aus der FRONTEX-„tool box“ be-
dienen (bitte mit Einsatzstandort und jeweiligem Tätigkeitsprofil),

d) als Mitglied der „Rapid Border Intervention Teams“ (RABIT),

e) und welche Melde- und Berichtswege zwischen diesen Beamten und
deren deutscher Führungsstelle bestehen für die einzelnen operativen Be-
reiche?

7. Wie viele deutsche Polizeibeamte werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt im
Rahmen der „Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an
den Außengrenzen“ (FRONTEX) eingesetzt

a) als Dokumentenberater im Rahmen welcher Operationen, und an welchen
Standorten,

b) als Mitarbeiter in der Warschauer Zentrale (bitte mit der jeweiligen Funk-
tion auflisten),

c) als Teilnehmer von Operationen zur Überwachung und Kontrolle der
Außengrenzen, die deutsches Gerät aus der FRONTEX-„tool box“ bedie-
nen (bitte mit Einsatzstandort und jeweiligem Tätigkeitsprofil),

d) als Mitglied der „Rapid Border Intervention Teams“ (RABIT)?

8. Welche Informationen liegen der Bundesregierung vor bezüglich sicher-
heitsrelevanter Vorfälle, in die deutsche Polizistinnen und Polizisten sowie
Zollbeamtinnen und Zollbeamte bislang im Jahr 2010 involviert bzw. denen
sie ausgesetzt waren?

9. Wie bewertet die Bundesregierung die politische und militärische Gefähr-
dungslage in den jeweiligen Einsatzgebieten (bitte Veränderungen dar-
stellen)?

10. Welche mittlerweile abgeschlossenen Ausbildungsmaßnahmen für aus-
ländische Sicherheitskräfte haben deutsche Polizeibeamtinnen und Polizei-
beamte seit Beantwortung der letzten diesbezüglichen Kleinen Anfrage
(Bundestagsdrucksache 17/1006) begonnen bzw. an welchen waren sie be-
teiligt?

a) Wie lauteten die Bezeichnungen der Maßnahmen, und wo fanden sie
statt?

b) Was waren die Ziele der Maßnahmen, wann haben sie begonnen, und
wann wurden sie beendet?

c) Wie vielen und welchen ausländischen Sicherheitskräften wurde welche
Art der Ausbildung gewährt?

d) Worin bestanden die Aufgaben und Tätigkeiten der deutschen Polizei-
beamtinnen und Polizeibeamten, und in welchen Stäben, Einrichtungen
und sonstigen Stellen waren sie vertreten?

e) Wie viele deutsche Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte waren jeweils
an den Maßnahmen beteiligt (bitte für die einzelnen Maßnahmen detail-
liert ausweisen)?

f) Welche Kosten entstanden der Bundesrepublik Deutschland für die Aus-
bildungsmaßnahmen, und aus welchen Haushaltstiteln wurden diese be-
stritten?

11. Welche Ausbildungsmaßnahmen für ausländische Sicherheitskräfte führen
deutsche Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte gegenwärtig durch bzw. an
welchen sind sie beteiligt?
a) Wie lautet die Bezeichnung der Maßnahmen, und wo finden sie statt?

Drucksache 17/1923 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
b) Was ist Ziel der Maßnahmen, wann haben sie begonnen, und bis wann sind
sie voraussichtlich beendet?

c) Wie vielen und welchen ausländischen Sicherheitskräften wird welche
Art der Ausbildung gewährt?

d) Worin bestehen die Aufgaben und Tätigkeiten der deutschen Polizei-
beamtinnen und Polizeibeamten, und in welchen Stäben, Einrichtungen
und sonstigen Stellen sind sie vertreten?

e) Wie viele deutsche Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sind jeweils an
den Maßnahmen beteiligt?

f) Welche Kosten entstehen dem Bund für die Ausbildungsmaßnahmen, und
aus welchen Haushaltstiteln werden diese bestritten?

12. Welche Ausbildungsmaßnahmen für ausländische Sicherheitskräfte sind für
die nächste Zukunft geplant, welche Kosten werden dem Bund dafür entste-
hen, und aus welchen Haushaltstiteln sollen diese bestritten werden (bitte
nach dem Schema der vorangegangenen Frage beantworten)?

13. In welchem Rahmen sind außerdem noch deutsche Polizistinnen und Poli-
zisten bzw. Zollbeamtinnen und Zollbeamte im Ausland eingesetzt, und
welche Tätigkeiten verrichten sie dort (bitte nach Einsatzländern und Ein-
satzorten sowie Zugehörigkeit zu Bundesländern/BKA/Bundespolizei auf-
gliedern)?

Berlin, den 3. Juni 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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