Vom 3. Juni 2010
Deutscher Bundestag Drucksache 17/1920
17. Wahlperiode 03. 06. 2010
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jens Petermann, Wolfgang Neskovic, Petra Pau, Frank Tempel,
Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.
Abordnung von Richterinnen, Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten an
die Bundesverwaltung
Die Verflechtung der Judikative mit der Exekutive wird in den Abordnungen von
Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten an die
Ministerialverwaltung besonders deutlich.
Die dort gesammelte Verwaltungserfahrung ist ein wichtiger Baustein für eine
Karriere in Beförderungsämtern an den Gerichten. Das gilt nicht nur bei Präsi-
dentenstellen, sondern vielfach auch bei reinen richterlichen Beförderungs-
ämtern.
Abordnungen werden von der Justizverwaltung ohne Kontrolle einer Richterver-
tretung vergeben. Gleichzeitig steuert die Justizverwaltung – kontrollfrei – mit
der Verschaffung von „Verwaltungserfahrung“ langfristig die Beförderungsent-
wicklung der betreffenden Richterinnen und Richter.
Nach ständiger Praxis wird ein Richter bereits zum Zeitpunkt der Abordnung in
ein Bundesministerium bzw. zum Zeitpunkt der Übernahme einer Verwaltungs-
tätigkeit am Gericht mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine Beförderung in „an-
gemessenem“ Zeitabstand ausgewählt.
Die Berücksichtigung von „Verwaltungserfahrung“ bei Beförderungen eröffnet
dem Bundesministerium der Justiz die Möglichkeit, bei der Besetzung von Spit-
zenposten in der Justiz Interessen der Exekutive zur Geltung zu bringen.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Berufsrichterinnen und Berufsrichter, Staatsanwältinnen und
Staatsanwälte (jeweils Personen, nicht Stellenanteile) aus dem Bundes- oder
dem Landesdienst waren am 1. März 2010 an die Bundesverwaltung – Unter-
scheidung nach Geschäftsbereichen, obersten Bundesbehörden und übrigen
Bundesbehörden (ohne Gerichte und Bundesanwaltschaft) – abgeordnet?
2. Wie viele Berufsrichterinnen und Berufsrichter, Staatsanwältinnen und
Staatsanwälte (jeweils Personen, nicht Stellenanteile) aus dem Bundes- oder
dem Landesdienst waren ungeachtet der Dauer zu irgendeinem Zeitpunkt im
Zeitraum vom 1. März 2000 bis zum 28. Februar 2010 an die Bundesverwal-
tung – Unterscheidung nach Geschäftsbereichen, obersten Bundesbehörden,
übrigen Bundesbehörden und nach Kalenderjahren (ohne Gerichte und ohne
Bundesanwaltschaft) – abgeordnet?
3. Welche Beförderungsstellen sind auch ohne Erprobungsabordnung erreichbar
und welche setzten eine Erprobungsabordnung unmittelbar voraus?
Drucksache 17/1920 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
4. Welche besonderen Qualifikationen erlangen die zur Erprobung abgeord-
neten Volljuristinnen und Volljuristen durch ihre Tätigkeit in der Bundesver-
waltung?
Berlin, den 3. Juni 2010
Dr. Gregor Gysi und Fraktion