BT-Drucksache 17/1912

Möglichkeiten und Grenzen zur Vereinfachung des Steuerrechts

Vom 3. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1912
17. Wahlperiode 03. 06. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Richard Pitterle, Harald Koch
und der Fraktion DIE LINKE.

Möglichkeiten und Grenzen zur Vereinfachung des Steuerrechts

Das Steuerrecht mit seinen zahlreichen Einzelsteuergesetzen wird von vielen
Steuerpflichtigen als sehr komplex empfunden. In der Vergangenheit wurden
immer wieder Initiativen vom jeweiligen Gesetzgeber unternommen, das Steu-
errecht zu vereinfachen. Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP
haben im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP ebenfalls erklärt, das
Steuerrecht spürbar zu vereinfachen und von unnötiger Bürokratie zu befreien.
Jüngst hatte sich die Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, diesem Thema ge-
widmet und gemahnt, sich mit der Vereinfachung des Steuersystems zu be-
fassen. Auf der Jahres-Finanzministerkonferenz am 20. Mai 2010 haben alle
Bundesländer gemeinsam erste Vereinfachungsvorschläge präsentiert. Vor die-
sem Hintergrund ist zu evaluieren, welche Vorhaben die Bundesregierung be-
absichtigt, um das Steuerrecht zu vereinfachen. Hierbei ist zu beachten, dass
eine Vereinfachung möglicherweise das Ziel der Einzelfallgerechtigkeit konter-
karieren kann.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung in der aktuellen Legislatur-
periode bereits unternommen, um das Steuerrecht zu vereinfachen, und wel-
che Vereinfachungseffekte haben sich hieraus ergeben (bitte einzelne Auf-
listung)?

2. Welche Maßnahmen der Bundesregierung in der aktuellen Legislaturperiode
haben zu einer Verkomplizierung des Steuerrechts geführt, und warum hat
die Bundesregierung diese jeweils in Kauf genommen (bitte einzelne Auf-
listung)?

3. In welchen weiteren Themenbereichen sieht die Bundesregierung die Mög-
lichkeit, das Steuerrecht zu vereinfachen (bitte mit Begründung aufgegliedert
nach Steuerarten)?

4. Welche Schritte plant die Bundesregierung in der verbleibenden Legislatur-
periode zur Vereinfachung des Steuerrechts, und sind Medienberichte (z. B.
ZEIT ONLINE, 21. April 2010) zutreffend, wonach die Bundesregierung
plant, einen Gesetzentwurf zu dieser Thematik vorzulegen (wenn ja, bitte die

grobe zeitliche Planung nennen)?

5. Anhand welcher Kriterien bemisst die Bundesregierung den Komplexitäts-
grad des Steuerrechts (bitte mit Begründung)?

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6. Anhand welcher Kriterien und Modelle evaluiert die Bundesregierung die
finanziellen Einsparungen an Bürokratiekosten für Staat, Unternehmen und
Steuerpflichtige bei einer Vereinfachung des Steuerrechts (bitte mit Begrün-
dung)?

7. Stimmt die Bundesregierung damit überein, dass die hohe Komplexität des
deutschen Steuerrechts zu einer Erosion der Steuermoral bei den Steuer-
pflichtigen führen kann (bitte mit Begründung)?

8. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse oder Studien über die jährlichen
Bürokratiekosten für Unternehmen und Steuerpflichtige vor, und welche
Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung hieraus gezogen (bitte mit Be-
gründung)?

9. Wird die Frage der Vereinfachung des Steuerrechts zentral von einem Refe-
rat im Bundesministerium der Finanzen bearbeitet, und welche weiteren Be-
hörden und Ministerien sind an der Vereinfachung des Steuerrechts beteiligt
(bitte mit Begründung)?

10. Welchen Vereinfachungseffekt misst die Bundesregierung dem Vorschlag
Nr. 1 der Jahres-Finanzministerkonferenz vom 20. Mai 2010 bei, die Ent-
fernungspauschale unabhängig vom Verkehrsmittel auf 4 500 Euro zu be-
grenzen, und welche finanziellen Auswirkungen hätte diese Änderung (bitte
mit Begründung und differenziert nach Grund- und Splittingtabelle)?

11. Welchen Vereinfachungseffekt misst die Bundesregierung dem Vorschlag
Nr. 2 der Jahres-Finanzministerkonferenz vom 20. Mai 2010 bei, § 2
Absatz 5b Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu streichen, und
welche finanziellen Auswirkungen hätte diese Änderung (bitte mit Begrün-
dung und differenziert nach Grund- und Splittingtabelle)?

12. Welchen Vereinfachungseffekt misst die Bundesregierung dem Vorschlag
Nr. 3 der Jahres-Finanzministerkonferenz vom 20. Mai 2010 bei, durch eine
Änderung von § 3 Nummer 44 EStG Stipendien aus unmittelbaren und
mittelbaren öffentlichen Mitteln gleichzustellen, und welche finanziellen
Auswirkungen hätte diese Änderung (bitte mit Begründung und differen-
ziert nach Grund- und Splittingtabelle)?

13. Welchen Vereinfachungseffekt misst die Bundesregierung dem Vorschlag
Nr. 4 der Jahres-Finanzministerkonferenz vom 20. Mai 2010 bei, Erstat-
tungsüberschüsse von Sonderausgaben nur im Jahr des Zuflusses zu er-
fassen, und welche finanziellen Auswirkungen hätte diese Änderung (bitte
mit Begründung und differenziert nach Grund- und Splittingtabelle)?

14. Welchen Vereinfachungseffekt misst die Bundesregierung dem Vorschlag
Nr. 5 der Jahres-Finanzministerkonferenz vom 20. Mai 2010 bei, bei Kin-
derbetreuungskosten auf die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen bei
den Eltern wie Erwerbstätigkeit, Krankheit, Behinderung usw. zu verzich-
ten, sodass gezahlte Kinderbetreuungskosten unabhängig von dem Grund
der Betreuung in den derzeitigen Grenzen steuerlich berücksichtigt werden,
und welche finanziellen Auswirkungen hätte diese Änderung (bitte mit
Begründung und differenziert nach Grund- und Splittingtabelle)?

15. Welchen Vereinfachungseffekt misst die Bundesregierung dem Vorschlag
Nr. 6 der Jahres-Finanzministerkonferenz vom 20. Mai 2010 bei, die pro-
zentualen Grenzen bei der Überlassung von verbilligtem Wohnraum nach
§ 21 Absatz 2 EStG (i. V. m. H. 21.3 Einkommensteuer-Hinweise und
Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 8. Oktober 2004
BStBl I S. 933) auf eine Grenze von 66 Prozent mit vollem Abzug der Wer-
bungskosten zu vereinheitlichen bei gleichzeitigem Wegfall der Einkünf-

teerzielungsabsicht für Werte über 66 Prozent, und welche finanziellen Aus-

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wirkungen hätte diese Änderung (bitte mit Begründung und differenziert
nach Grund- und Splittingtabelle)?

16. Welchen Vereinfachungseffekt misst die Bundesregierung dem Vorschlag
Nr. 7 der Jahres-Finanzministerkonferenz vom 20. Mai 2010 bei, die Ehe-
gattenveranlagung zu vereinfachen, sodass die steueroptimale Verteilungs-
möglichkeit von Kosten bei der getrennten Veranlagung entfällt bei gleich-
zeitigem Wegfall der nachträglichen Änderung hinsichtlich der Veran-
lagungsart, und wie viele Steuerpflichtige wären von dieser Änderung be-
troffen (bitte mit Begründung und differenziert nach Grund- und
Splittingtabelle)?

17. Welchen Vereinfachungseffekt misst die Bundesregierung dem Vorschlag
Nr. 8 der Jahres-Finanzministerkonferenz vom 20. Mai 2010 bei, bei voll-
jährigen Kindern in Schul- oder Berufsausbildung unabhängig von der
Höhe der eigenen Bezüge Kindergeld/Kinderfreibeträge zu gewähren, und
welche finanziellen Auswirkungen hätte diese Änderung (bitte mit Begrün-
dung und differenziert nach Grund- und Splittingtabelle)?

18. Welchen Vereinfachungseffekt misst die Bundesregierung dem Vorschlag
Nr. 9 der Jahres-Finanzministerkonferenz vom 20. Mai 2010 bei, die
Pauschbeträge für behinderte Menschen gemäß den im Vorschlag Nr. 9 ge-
nannten Zahlen zu erhöhen bei gleichzeitiger Abschaffung des § 33b EStG,
und welche finanziellen Auswirkungen hätte diese Änderung (bitte mit
Begründung und differenziert nach Grund- und Splittingtabelle)?

19. Welchen Vereinfachungseffekt misst die Bundesregierung dem Vorschlag
Nr. 10 der Jahres-Finanzministerkonferenz vom 20. Mai 2010 bei, die Auf-
teilung der Steuerschuld bei zusammenveranlagten Ehegatten dahin gehend
zu vereinfachen, dass das gemeinsam zu versteuernde Einkommen der Ehe-
gatten nach dem Verhältnis der Einkünfte beider Ehegatten aufgeteilt wird,
womit hierauf basierend die Steuer bei Einzelveranlagung berechnet wird,
und welche finanziellen Auswirkungen hätte diese Änderung (bitte mit
Begründung und differenziert nach Grund- und Splittingtabelle)?

20. Welchen Vereinfachungseffekt misst die Bundesregierung dem Vorschlag
Nr. 11 der Jahres-Finanzministerkonferenz vom 20. Mai 2010 bei, Quoten
und Lohnsummen für die Ermittlung der Erbschaftsteuer durch die Be-
triebsstättenfinanzämter förmlich feststellen zulassen (bitte mit Begrün-
dung)?

21. Welchen Vereinfachungseffekt misst die Bundesregierung dem Vorschlag
Nr. 12 der Jahres-Finanzministerkonferenz vom 20. Mai 2010 bei, die Ver-
lustverrechnungsbeschränkung nach § 15a EStG anhand des von der Bund-
Länder-Arbeitsgruppe entwickelten Steuerbilanzmodells zu bemessen, und
welche finanziellen Auswirkungen hätte diese Änderung (bitte mit Begrün-
dung und differenziert nach Grund- und Splittingtabelle)?

22. Welchen Vereinfachungseffekt misst die Bundesregierung dem Vorschlag
Nr. 13 der Jahres-Finanzministerkonferenz vom 20. Mai 2010 bei, bei einer
Betriebsunterbrechung von der Fiktion der Betriebsfortführung auszu-
gehen, bis ausdrücklich die Betriebsaufgabe erklärt wird, und welche finan-
ziellen Auswirkungen hätte diese Änderung (bitte mit Begründung und dif-
ferenziert nach Grund- und Splittingtabelle)?

23. Plant die Bundesregierung einzelne Vorschläge der Jahres-Finanzminister-
konferenz vom 20. Mai 2010 umzusetzen, und stimmt die Bundesregierung
damit überein, dass insbesondere im Einkommensteuergesetz vielfältige
Möglichkeiten zur Vereinfachung des Steuerrechts möglich sind (bitte mit
Begründung)?

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24. Plant die Bundesregierung neben dem Steuergesetz in weiteren Rechtsge-
bieten eine Vereinfachung vorzunehmen, und welche Bedeutung misst die
Bundesregierung insgesamt dem Bürokratieabbau zu (bitte mit Begrün-
dung)?

25. Kann die Bundesregierung Äußerungen des Leiters der Steuerabteilung be-
stätigen (FR 2010, S. 416), wonach die Bundesregierung plant, den vollen
Abzug von Steuerberatungskosten wieder zuzulassen, und wenn ja, wann
soll diese Regelung wieder eingeführt werden (bitte mit Begründung)?

26. Welche finanziellen Auswirkungen hätte die Wiedereinführung des vollen
Abzugs von Steuerberatungskosten und sieht die Bundesregierung hierin
eine Vereinfachung des materiellen Steuerrechts (bitte mit Begründung und
differenziert nach Grund- und Splittingtabelle)?

27. Stimmt die Bundesregierung damit überein, dass das Steuerrecht durch eine
Reduzierung einzelner Sondertarifvorschriften, wie z. B. §§ 32d, 34, 34a,
34b EStG oder Ermäßigungsvorschriften, wie z. B. §§ 35, 35b EStG verein-
facht werden könnte, und liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber
vor, in wie vielen Fällen die Abgeltungsteuer infolge der komplexen Rege-
lung dieser Materie keine abgeltende Wirkung hat (bitte mit Begründung zu
den einzelnen Normen)?

Berlin, den 3. Juni 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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