BT-Drucksache 17/175

Vertragsvereinbarung des Bundes und der Länder mit GlaxoSmithKline über die Bereitstellung von Pandemie-Impfstoffen

Vom 8. Dezember 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 17/175
17. Wahlperiode 08. 12. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Maria Klein-Schmeink,
Elisabeth Scharfenberg, Katrin Göring-Eckardt, Priska Hinz (Herborn),
Sven Kindler, Beate Müller-Gemmeke und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Vertragsvereinbarung des Bundes und der Länder mit GlaxoSmithKline über die
Bereitstellung von Pandemie-Impfstoffen

Ende 2007 schlossen der Bund und die Länder mit dem Impfstoffhersteller
GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG (GSK) einen Vertrag über die Bereitstel-
lung eines Pandemie-Impfstoffes. Die Lieferung des derzeit in Deutschland
hauptsächlich verwendeten Impfstoffes gegen die Schweinegrippe/Neue
Grippe (Pandemrix) beruht auf diesem Vertrag. Laut Präambel des Vertrags war
die Bereitstellung von Impfstoffen bereits in einem Zuwendungsbescheid vom
13. Februar 2006 vereinbart worden, mit dem der Bund GSK Fördermittel ge-
währt hat.

Darüber hinaus vereinbarten die Bundesländer Ende 2007 den Kauf von 4 Mil-
lionen Dosen der Adjuvans AS03, die im Falle einer Pandemie dem Impfstoff
beigefügt werden sollte.

Der Vertrag zwischen GSK, Bund und Ländern enthält unter anderem einen
weitreichenden Haftungsausschluss für GSK, insbesondere für Schäden bei
Dritten. Zudem wurde bereits festgelegt, dass der gelieferte Pandemie-Impf-
stoff zwingend einen Adjuvans enthält sowie in Multidosenbehältern mit einem
Konservierungsmittel geliefert wird.

Auf Wunsch des Bundesministeriums für Gesundheit wurde der geschlossene
Vertrag bis zum heutigen Zeitpunkt nicht offengelegt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Mit welchen Impfstoffherstellern hat die Bundesregierung in der Vergangen-
heit Verhandlungen über Verträge zur Bereitstellung von Pandemie-Impf-
stoffen geführt?

Aus welchen Gründen hat es in dieser Sache keine öffentliche Ausschrei-
bung gegeben?

2. Aus welchen Gründen hat sich die Bundesregierung für einen Vertrags-

schluss mit dem Impfstoffhersteller GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG
(GSK) über die Bereitstellung von Pandemie-Impfstoffen entschieden?

3. Inwiefern stand die Erweiterung des Sächsischen Serumwerkes Dresden von
GSK und die Vergabe von staatlichen Fördermitteln im Zusammenhang mit
der getroffenen Vereinbarung über den Kauf von Impfstoffen (vgl. Präambel
und Absatz II Nummer 4 des Vertrags)?

Drucksache 17/175 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Wieso wurde im Zuwendungsbescheid vom 13. Februar 2006, der in der
Präambel des Vertrags erwähnt wird, bereits eine Vereinbarung über die
Bereitstellung von Impfstoffen durch GSK getroffen?

5. Welchen externen bzw. unabhängigen Experten hat die Bundesregierung
vor Vertragsschluss den Vertragsentwurf zur Prüfung vorgelegt?

6. Warum wurde der Vertrag von Bund und Ländern mit GSK über die Bereit-
stellung eines Pandemie-Impfstoffes auf Wunsch des Bundesministeriums
für Gesundheit bislang nicht öffentlich gemacht, obwohl die Geheimhal-
tungsklausel des Vertrags dies nicht vorsieht?

7. Inwieweit beeinträchtigt die im Vertrag getroffene Vereinbarung in Absatz X
Nummer 3, dass Pressemitteilungen über die Vertragsverhandlungen mit
GSK abzustimmen sind, die Unabhängigkeit der Arbeit der Bundesregie-
rung?

8. a) Inwiefern hält die Bundesregierung die Regelung im Vertrag für sinn-
voll, die Feststellung der Pandemiegefahr bzw. des Endes der Pande-
miegefahr einer Mehrheitsentscheidung der EU-Staaten zu überlassen,
die bei GSK Pandemie-Impfstoffe bestellt haben (Absatz I Nummer 9
des Vertrags)?

b) Wie begründet die Bundesregierung die Vereinbarung des Vertrags, dass
sich die Stimmgewichtung bei dieser Entscheidung nach der Zahl der
bestellten Impfdosen bestimmt (Absatz I Nummer 9 des Vertrags), und
inwieweit sieht sie hier die Gefahr einer unsachgemäßen Beeinflussung
der Entscheidung?

9. Warum wurde vertraglich vereinbart, dass die Bundesländer auch dann zur
vollständigen Abnahme und Bezahlung der bestellten Impfstoffe, die sich
bereits in der Produktion befinden, verpflichtet sind, wenn das Ende der
Pandemiegefahr bereits festgestellt wurde (Absatz VII Nummer 2 des Ver-
trags)?

Wieso wurde hier keine Teilung des Risikos zwischen GSK, dem Bund und
den Ländern vorgenommen?

10. Wie begründet die Bundesregierung die Vereinbarung über Zahlung einer
pauschalen Aufwandsentschädigung von bis zu 224 Mio. Euro zuzüglich
Umsatzsteuer an GSK bei einem vorzeitigen Ende der Pandemiegefahr
(Absatz VII Nummer 3 des Vertrags)?

Woran orientiert sich die Höhe dieser vereinbarten Entschädigung?

11. Warum wurde in dem Vertrag keine Möglichkeit zu einer (Teil- )Stornie-
rung der Bestellung in bestimmten Fällen geschaffen?

12. Wieso wurde vertraglich festgelegt, dass die Länder auch weiterhin zur Ab-
nahme und Bezahlung von bestellten, aber veralteten Impfstoffen ver-
pflichtet sind, wenn die Zusammensetzung des Impfstoffes zwischenzeit-
lich geändert wurde (Absatz II Nummer 6 des Vertrags)?

13. Wieso wurde vertraglich vereinbart, dass im Falle einer Änderung der Zu-
sammensetzung des Impfstoffes oder des Herstellungsverfahrens der Bund
und die Länder weder eine Einflussmöglichkeit auf diese Entscheidung
noch die Option haben, in diesem Fall von der Bestellung ganz oder teil-
weise zurückzutreten?

14. a) In welcher Form wurde das Herstellungsverfahren von Pandemrix, um
eine erhöhte Antigenausbeute zu erreichen, im Sächsischen Serumwerk
umgestellt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/175

b) Gab es nach dieser Umstellung des Herstellungsverfahrens eine Ver-
trags- oder Preisanpassung im Sinne des Absatez IV Nummer 5 des Ver-
trags?

Wenn ja, wie sieht diese aus?

15. Zu welchem Preis wird Pandemrix von GSK in anderen EU-Staaten abge-
geben?

16. In welcher Form sind Bund und Länder ihrer Verpflichtung aus Absatz III
des Vertrags nachgekommen, GSK bei Erhalt der Zulassung für Pandemrix
zu unterstützen?

17. Inwieweit wären die Länder nach Absatz VI Nummer 2 Satz 3 des Vertrags
auch zu einer Abnahme und Bezahlung des Impfstoffes verpflichtet ge-
wesen, wenn dieser nicht zugelassen worden wäre?

Sieht die Bundesregierung hier einen Widerspruch zu Absatz II Nummer 7
des Vertrags, nach der eine Abnahmepflicht nur bei Vorliegen „aller erfor-
derlichen regulatorischen Genehmigungen für das Inverkehrbringen“ be-
steht?

18. Wieso wurde im Vertrag festgelegt, dass der bereitgestellte Pandemie-
Impfstoff zwingend Adjuvanzien enthalten soll (Absatz I Nummer 1 des
Vertrags)?

Wieso wurde keine Option auf die Bereitstellung eines nicht adjuvantierten
Impfstoffes für bestimmte Bevölkerungsgruppen (z. B. Schwangere) ver-
einbart?

19. Wie begründet sich der im Vergleich zum Antigen hohe Preis für die Adju-
vans in Höhe von 6 Euro pro Dosis (Absatz VI Nummer 2 des Vertrags)?

Warum wurde dieser Preis pauschal für alle Adjuvanzien vereinbart?

20. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Gründe, weshalb sich
die Bundesländer bereits 2007 zu einem Vorabkauf von 4 Millionen Dosen
der Adjuvanz AS03 entschieden haben?

Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse insbesondere über Risiken und
Nutzen von AS03 lagen den Ländern bei dieser Entscheidung vor?

21. Wie beurteilt die Bundesregierung die Vereinbarung in diesem Vertrag,
nach der GSK jegliche Gewähr dafür ausschließt, dass eine Verwendung
von AS03 bei einer späteren Herstellung des Impfstoffes überhaupt mög-
lich ist?

22. a) Aus welchem Grund wurde eine Haftungsfreistellung von GSK zulasten
der Länder bei Schadensersatzansprüchen Dritter vereinbart (Absatz VIII
Nummer 2 des Vertrags)?

b) Betrifft diese Freistellung nur Ansprüche, die sich aus dem Zusammen-
hang mit Anwendung, Organisation, Vertrieb und Lagerung der Imp-
fung ergeben oder sämtliche Ansprüche?

23. Wie begründet sich die Freistellung auch für haftungsbegründende Neben-
wirkungen bei einer nachträglichen negativen Nutzen-Risiko-Abwägung?

Inwieweit birgt eine solche Vereinbarung für Bund und Länder ein schwer
kalkulierbares finanzielles Risiko, wenn Pandemie-Impfstoffe vor der Zu-
lassung nicht umfangreich getestet wurden (Absatz VIII Nummer 2 des Ver-
trags)?

24. Wie begründet die Bundesregierung die vertragliche Freistellung von der
Gefährdungshaftung für GSK nach § 84 des Arzneimittelgesetzes (Ab-

satz VIII Nummer 2 des Vertrags)?

Drucksache 17/175 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Inwieweit wird durch diese Vereinbarung der Sinn und Zweck dieser Vor-
schrift ausgehebelt?

25. Wie begründet die Bundesregierung die vertragliche Vereinbarung, die
Haftungssumme für GSK insgesamt auf die Höhe des mit den Ländern ver-
einbarten Kaufpreises zu begrenzen (Absatz VIII Nummer 3 des Vertrags)?

26. In welchen anderen EU-Staaten wurde nach Kenntnis der Bundesregierung
ein so weitreichender Haftungsausschluss mit GSK vereinbart?

Ist ein solcher Haftungsausschluss international üblich?

27. Wieso wurde in dem Vertrag die Lieferung des Impfstoffes in Multidosen-
behältern unter Verwendung eines Konservierungsmittels vereinbart (Ab-
satz I Nummer 1 des Vertrags)?

Inwieweit wurde dabei berücksichtigt, dass eine solche Lieferung je nach
Nachfrage dazu führen könnte, dass Teile des Impfstoffes, die nicht recht-
zeitig verimpft werden können, verfallen?

28. Inwieweit ist die Verwendung von Multidosenbehältern bei Pandemie-
Impfstoffen mit geringer Antigenausbeute nach Auffassung der Bundesre-
gierung überhaupt sinnvoll, wenn für diese Abfüllung noch eine zusätzli-
che Antigenmenge benötigt wird (vgl. Absatz II Nummer 2 des Vertrags)?

29. a) Welche Informationen hat die Bundesregierung über das zugesicherte
Bemühen von GSK, ein One-Vial-System (keine getrennte Lieferung
von Antigen und Adjuvans) für Pandemrix zu entwickeln (Absatz III
Nummer 1 des Vertrags)?

Aus welchen Gründen steht ein solches System für diesen Impfstoff bis-
lang nicht zur Verfügung?

b) Warum wurde nicht vertraglich vereinbart, dass bei keiner rechtzeitigen
Entwicklung eines One-Vial-Systems der Preis für die Impfung redu-
ziert werden kann?

Berlin, den 8. Dezember 2009

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.