BT-Drucksache 17/1619

Zum Beschluss der Vereinten Nationen, bis 2015 die Quote von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit zu erreichen

Vom 5. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1619
17. Wahlperiode 05. 05. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler, Dr. Sascha Raabe, Lothar Binding (Heidelberg),
Dr. Gernot Erler, Iris Gleicke, Dr. Barbara Hendricks, Ute Kumpf, Burkhard Lischka,
Thomas Oppermann, Karin Roth (Esslingen), Frank Schwabe, Wolfgang Tiefensee,
Manfred Zöllmer, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Zum Beschluss der Vereinten Nationen, bis 2015 die Quote von 0,7 Prozent
des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit
zu erreichen

Die Vereinten Nationen haben 1970 beschlossen, die Ausgaben für Entwicklung
auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen. Auch Deutschland
hat sich dazu verpflichtet. Der damalige Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl hat
dieses auf der Konferenz Umwelt und Entwicklung 1992 mit dem Hinweis auf
die gemeinsame Verantwortung für die eine Welt bestätigt. Allerdings sank der
ODA-Anteil (ODA: Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit) auf 0,28 Pro-
zent bis 1998 und wuchs erst nach dem Regierungswechsel um die Jahrtausend-
wende wieder.

Mit dem Beschluss der europäischen Staats- und Regierungschefs bei ihrem
Gipfeltreffen 2005 für einen ODA-Stufenplan gibt es für das in den 1970er-Jah-
ren vereinbarte 0,7-Prozent-Ziel der Vereinten Nationen erstmals einen verbind-
lichen Zeitplan, der auch für die Bundesrepublik Deutschland gilt: 0,51 Prozent
bis 2010 und 0,7 Prozent bis 2015. Der Deutsche Bundestag hat das ODA-Ziel
und den Stufenplan in mehreren Beschlüssen bekräftigt.

Der neue Bericht des Entwicklungskommitees (DAC) der Organisation für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) weist für 2009 einen
Rückgang der deutschen ODA-Quote aus. Dieser kann unter anderem darauf zu-
rückgeführt werden, dass für das Jahr 2009 vorgesehene Maßnahmen erst 2010
durchgeführt und damit angerechnet werden können. Doch trotz dieser Ver-
schiebungen wird Deutschland 2010 nur 0,4 Prozent des ODA erreichen und
bleibt damit hinter dem EU-Stufenplanbeschluss und hinter dem internationalen
Trend zur Steigerung der Entwicklungsfinanzierung zurück.

Die OECD kritisiert ebenfalls, dass die von den Regierungschefs der G8 im Jahre
2005 in Gleneagles beschlossene und 2007 in Heiligendamm bekräftigte Erhö-
hung der Mittel für staatliche Entwicklungszusammenarbeit um mehr als 40 Mrd.
US-Dollar insbesondere für Subsahara-Afrika nicht eingehalten wird. Der Deut-

sche Bundestag hatte hier die Bundesregierung mit Beschluss 16/4160 aufgefor-
dert, ihre hohe Verantwortung für die Entwicklungspolitik wahrzunehmen.

Auch nach der OECD-Veröffentlichung der ODA-Zahlen betont die Bundesre-
gierung, dass sie das ODA-Ziel von 0,7 Prozent im Jahre 2015 erreichen wird.
Der nicht eingehaltene Stufenplan und der geringe Aufwuchs des Entwicklungs-
haushalts für 2010 sowie die darin ausgewiesenen Verpflichtungen für die kom-
menden Jahre weisen jedoch nicht auf eine Wende zur Einhaltung der UN-Ver-
pflichtung hin.

Drucksache 17/1619 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welchen Schwerpunkten der internationalen Zusammenarbeit wird die
Bundesregierung für den Haushalt 2011 welche Aufwüchse im Entwick-
lungshaushalt und in anderen Einzelplänen vorschlagen, um die vereinbarte
Quote von 0,7 Prozent Anteil des Bruttonationaleinkommens für Entwick-
lungszusammenarbeit (ODA-Quote) bis zum Jahre 2015 zu erreichen?

2. Welche weiteren Steigerungen der ODA-Quote sieht die Bundesregierung
für die folgenden Bundeshaushalte bis zum Jahr 2015 vor, und warum gibt
es, wenn die Bundeskanzlerin und der zuständige Bundesminister ernsthaft
an der vereinbarten Quote bis 2015 festhalten wollen, dazu noch keine Aus-
sagen oder einen „internen ODA-Stufenplan“ der Bundesregierung?

3. Wie setzen sich die Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, und der Bundes-
minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Nebel,
innerhalb der Bundesregierung für die Steigerung der ODA-Quote ein, und
welche Absprachen gibt es innerhalb der Bundesministerien zur Steigerung
entwicklungspolitischer, ODA-anrechnungsfähiger Maßnahmen in den je-
weiligen Ressorts?

4. Welche Absprachen und Bemühungen gibt es von Seiten der Bundeskanz-
lerin und der Bundesregierung, um vor allem die Bundesländer aber auch
die Städte und Gemeinden zu stärkerer Entwicklungszusammenarbeit zu er-
mutigen, was ja auf die ODA-Quote der Bundesrepublik Deutschland ange-
rechnet wird?

5. Wie wird die Bundesregierung ihre internationalen finanziellen Zusagen
und Verpflichtungen einhalten, vorrangig

a) bei der Verpflichtung, die Millenniumsentwicklungsziele der Vereinten
Nationen bis 2015 umzusetzen,

b) bei der Verpflichtung, Entwicklungsländer bei Maßnahmen für den Er-
halt der Biodiversität und Klimaschutz zu unterstützen,

c) bei der Bekämpfung des Hungers und bei der Unterstützung der eigen-
ständigen Ernährungssicherung,

d) bei der Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria,

und wie, und wann wird sich das in einer gestiegenen ODA-Quote ausweisen?

6. In welchem Umfang wird in den Haushalten 2010 bis 2015 die Erfüllung
eingegangener Zahlungsverpflichtungen für internationale Organisationen
in Umsetzung des Koalitionsvertrags zwischen CDU, CSU und FDP einge-
schränkt oder eingestellt, und welche Auswirkungen hat dies auf die deut-
sche ODA-Quote?

7. Wie würde sich die Einhaltung der Finanzierungszusagen der Bundeskanz-
lerin und der Bundesregierung für Klimaschutz und Biodiversitätsmaßnah-
men, für HIV/Aids-Bekämpfung, Müttergesundheit oder Bildung insbeson-
dere für die genannten internationalen Vereinbarungen auf die ODA-Quote
der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2010 und für die Folgejahre
bis 2015 auswirken?

8. Welche zusätzlichen Gelder für den Klimaschutz und für Anpassungsmaß-
nahmen an den Klimawandel in Entwicklungsländern wird die Bundes-
regierung künftig auf die ODA-Quote anrechnen?

9. Wie werden die mit der Vereinbarung von Kopenhagen zugesagten 400 Mio.
Euro in den Haushalten 2010 bis 2012 jeweils auf die Einzelpläne des Ent-
wicklungsministeriums (EPL 23) und des Bundesministeriums für Umwelt,

Naturschutz und Reaktorsicherheit (EPL 16) aufgeteilt, und welche Sum-
men werden als ODA-anrechnungsfähig gemeldet?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1619

10. Welchen Anteil an den nichteingehaltenen Zusagen gegenüber den Staaten
des Afrikanischen Kontinents auf den G8-Gipfeln – statt 25 Mrd. US-Dollar
nur etwa 11 Mrd. US-Dollar – hat die Bundesrepublik Deutschland, und in
welcher Verantwortung sieht sich hier insbesondere die Bundeskanzlerin
bei der Einhaltung der Zusagen von Heiligendamm?

11. Welche Rolle spielen bei den Treffen der Entwicklungsministerinnen und
Entwicklungsminister der EU sowie bei den Treffen der Regierungschefs
die Fragen der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit und der Einhal-
tung der Vereinbarungen sowohl des Stufenplans der ODA-Quote als auch
der Vereinbarungen der G8- und G20-Gipfel?

12. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Vertrauensverlust in der interna-
tionalen Gemeinschaft durch die Nichteinhaltung des ODA-Stufenplans
und von Finanzierungszusagen der Bundeskanzlerin zuletzt in Kopenha-
gen?

13. Wie bewertet die Bundesregierung, dass der Entwicklungsminister inno-
vative Finanzierungsinstrumente mehrfach öffentlich abgelehnt hat und
sich nicht dazu äußert, wie er die 0,7 Prozent des ODA dennoch erreichen
will?

14. Wie steht die Bundesregierung

a) allgemein zur Nutzung neuer Finanzierungsinstrumente, um die ODA-
Quote zu erreichen, und

b) insbesondere zur Nutzung von Einnahmen
– aus der CO2-Zertifizierung,
– aus der Einführung einer echten Finanztransaktionssteuer oder
– aus der Einführung einer Flugticketabgabe und

c) zu Berechnungen der zu erzielenden Mehreinnahmen?

15. Mit welchen Summen rechnet die Bundesregierung durch Einnahmen aus
welchen neuen Finanzierungsinstrumenten, und wie wird sie sie verwen-
den?

16. Warum hat sich die Bundesregierung in ihren öffentlichen Verlautbarungen
zum Entwicklungshaushalt und zur ODA-Quote nur auf die Zahlen des
Jahres 2008 bezogen, ohne auf den Aufwuchs 2009 hinzuweisen, und dies
zur Rechtfertigung für die Nichteinhaltung des ODA-Stufenplans heran-
gezogen?

Berlin, den 5. Mai 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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