BT-Drucksache 17/1602

zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Schlecht, Alexander Ulrich, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -17/1058- Eurozone reformieren - Staatsbankrotte verhindern

Vom 5. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1602
17. Wahlperiode 05. 05. 2010

Beschlussempfehlung und Bericht
des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Schlecht, Alexander Ulrich,
Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/1058 –

Eurozone reformieren – Staatsbankrotte verhindern

A. Problem

Die Wirtschafts- und Fiskalpolitik der Staaten der Eurozone ist nicht vollharmo-
nisiert. Unter anderem dadurch können Probleme in der Geld- und Währungs-
politik der Europäischen Union und einzelner Mitgliedstaaten sowie schwerwie-
gende Haushaltsrisiken entstehen. Außerdem problematisiert der Antrag den
strukturellen Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands.

B. Lösung

Der Antrag fordert kurzfristige Maßnahmen zur Bewältigung der jüngst entstan-
denen Haushaltsrisiken von Staaten der Eurozone, eine europaweite Mindest-
besteuerung von Einkommen und Unternehmen sowie eine makroökonomische
Koordination und einen ausgeglichenen Außenhandel zwischen den EU-Mit-
gliedstaaten.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion
DIE LINKE.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten
Der Antrag beziffert die Kosten des Vorschlags nicht im Einzelnen.

E. Bürokratiekosten

Der Antrag formuliert keine Einführung, Vereinfachung oder Abschaffung von
Informationspflichten für Unternehmen, Bürger oder die Verwaltung.

Drucksache 17/1602 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/1058 abzulehnen.

Berlin, den 21. April 2010

Der Finanzausschuss

Dr. Volker Wissing
Vorsitzender

Ralph Brinkhaus
Berichterstatter

Manfred Zöllmer
Berichterstatter

Dr. Axel Troost
Berichterstatter

durchschnittlichen effektiven Steuersätze der Euro-Mit- erwarteten wirtschaftlichen Vorteil mit sich bringen. Darüber

gliedstaaten einzusetzen;

– sich zur makroökonomischen Koordination sowie zum
Ausgleich des Außenhandels zwischen den EU-Mitglied-

hinaus wurde die im Antrag kritisierte zu große Lohnzurück-
haltung in Deutschland als unzutreffend zurückgewiesen.
Vergleiche man die Lohnstückkosten in der EU und weltweit,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1602

Bericht der Abgeordneten Ralph Brinkhaus, Manfred Zöllmer und Dr. Axel Troost

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag der Fraktion
DIE LINKE. auf Drucksache 17/1058 in seiner 34. Sitzung
am 25. März 2010 beraten und dem Finanzausschuss in strit-
tiger Abstimmung zur Federführung sowie dem Ausschuss
für Wirtschaft und Technologie, dem Ausschuss für die An-
gelegenheiten der Europäischen Union und dem Haushalts-
ausschuss zur Mitberatung überwiesen.

Der Finanzausschuss hat den Antrag in seiner 12. Sitzung am
21. April 2010 abschließend beraten.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Mit dem Antrag werden die Feststellungen angestrebt,
– die Europäische Währungsunion sei durch die nur unzu-

reichend koordinierte Wirtschaftspolitik der Staaten der
Eurozone bedroht;

– Ratingagenturen und Spekulanten würden im Fall Grie-
chenlands über die Politik eines souveränen Staates und
die Lebensbedingungen seiner Bevölkerung entscheiden;

– die niedrigen effektiven Steuersätze Griechenlands für
Unternehmen und große Einkommen seien ursächlich für
die steigende Staatsverschuldung des Euro-Staats;

– weitere EU-Mitgliedstaaten seien aufgrund der aktuellen
Finanz- und Wirtschaftskrise von Haushaltsrisiken be-
troffen;

– die unkooperative Wirtschaftspolitik Deutschlands mit
sinkenden, von der Produktivitätsentwicklung abgekop-
pelten Reallöhnen und niedrigen Unternehmensteuern
führe zu sinkenden Kosten für deutsche Unternehmen
und zu hohen Exportüberschüssen Deutschlands sowie
zu höheren Auslandsschulden der Defizitländer;

– die Bedingungen der EU und des Internationalen Wäh-
rungsfonds (IWF) an Griechenland würden zur Gefähr-
dung der wirtschaftlichen Erholung in Europa und zu ei-
ner politischen Krise der EU führen. Stattdessen sei es
notwendig, dass die Löhne in Deutschland stiegen, um ei-
nen Beitrag zur Verringerung der Leistungsbilanzdefizite
von Euro-Mitgliedstaaten zu leisten.

Daraus leitet der Antrag die Forderungen ab,
– sich zur Bewältigung der Haushaltsrisiken von Euro-Mit-

gliedstaaten kurzfristig dafür einzusetzen, dass das Ver-
bot von finanziellem Beistand für EU-Mitgliedstaaten
ausgesetzt wird, dass die Euro-Mitgliedstaaten eine Eu-
roanleihe auflegen, dass die Europäische Zentralbank
(EZB) Staatsschuldtitel erwirbt, und dass der Handel mit
Credit Default Swaps verboten wird;

– sich in der EU für eine Mindestbesteuerung von Einkom-
men und Unternehmen auf breiter und harmonisierter Be-
messungsgrundlage, mindestens auf dem Niveau der

bilitätspakt mit Verpflichtungen für EU-Mitgliedstaaten
mit Leistungsbilanzüberschüssen ersetzt wird, und dass
ein EU-Strukturfonds zur Finanzierung längerfristig an-
dauernder Defizite von EU-Mitgliedstaaten sowie zur
Unterstützung aufholender Entwicklungen in den betrof-
fenen Mitgliedstaaten geschaffen wird;

– sich, soweit erforderlich, in diesem Sinne für eine Ände-
rung des Vertrags von Lissabon einzusetzen.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat den
Antrag der Fraktion DIE LINKE. in seiner 9. Sitzung am
21. Ap- ril 2010 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP sowie der
Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. Ablehnung.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat den Antrag in seiner 12. Sitzung am 21. April
2010 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. Ablehnung.

Der Haushaltsausschuss hat den Antrag in seiner 16. Sitzung
am 21. April 2010 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.
Ablehnung.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Finanzausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. beschlossen,
die Ablehnung des Antrags zu empfehlen.

Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP kri-
tisierten den Antrag grundlegend. Zum Ersten würden die
Forderungen zur Steigerung der Geldmenge führen. Das
werde aus stabilitätspolitischen Gesichtspunkten abgelehnt.
Zum Zweiten müsse die Forderung nach einer Mindestbe-
steuerung von Einkommen und Unternehmen aufgrund ihrer
Komplexität gesondert diskutiert werden. Zum dritten er-
gebe sich aus dem Antrag, dass die internationale Wett-
bewerbsfähigkeit Deutschlands zugunsten eines Ausgleichs
innerhalb der Eurozone gesenkt werden solle. Da Deutsch-
land aber auf dem Weltmarkt nicht in erster Linie mit an-
deren, wirtschaftlich schwächeren Mitgliedstaaten der Euro-
päischen Union (EU), sondern vielmehr mit aufstrebenden
Staaten wie China, Indien oder Brasilien konkurriere,
brächte eine solche Politik nicht nur negative Auswirkungen
für den Wirtschaftsstandort Deutschland mit sich, sondern
würde zudem für die anderen EU-Mitgliedstaaten nicht den
staaten dafür einzusetzen, dass der Stabilitäts- und
Wachstumspakt durch einen außenwirtschaftlichen Sta-

zeige sich sehr deutlich, dass Deutschland hier immer noch
an der Spitze liege. Andere Länder würden lediglich das auf-

geglichen werden. Ferner wurde der Vorschlag des Antrags,
einen EU-Strukturfonds zu schaffen, als innereuropäische
Umverteilungspolitik abgelehnt. Damit Griechenland Geld
zu einem geringeren Zinssatz aufnehmen könne, müsste
Deutschland für seine Schulden höhere Zinsen zahlen. Das
sei dem deutschen Steuerzahler nicht zu vermitteln. Dessen
ungeachtet erkennen die Koalitionsfraktionen jedoch im
Lichte der aktuellen Situation Griechenlands an, dass es not-
wendig sei, sich mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt zu
befassen. Ausnahmen und längere Fristen, die in den letzten
Jahren eingeführt worden wären, seien mit ursächlich für die
aktuellen Probleme. Würde man den Pakt so reformieren,
dass er frühzeitiger, schneller und effektiver wirke, könnten
Ungleichgewichte gar nicht erst in dieser Dimension entste-
hen, dass eine Lösung mit haushaltstechnischen Maßnahmen
an die Grenzen ihrer Möglichkeiten komme.

Die Fraktion der SPD verwehrte sich dagegen, dass man
sich in der deutschen Außenwirtschaftspolitik von natio-
nalen französischen Interessen leiten lasse. Die Situation sei
sehr viel komplexer, als vom Antrag dargestellt: So sei bei-
spielsweise die Lohnentwicklung Deutschlands weniger ein
Problem, als ein bedeutender Teil des deutschen außenwirt-
schaftlichen Erfolgs. Seit dem Wegfall des Wechselkurses
sei die Bedeutung der Entwicklung der Lohnstückkosten
stark angewachsen. Sie könne jedoch nicht alleine die Posi-
tion Deutschlands als „Exportweltmeister“ erklären. Zusätz-
liche Erfolgsfaktoren seien z. B. die gute Marktpflege, das
konkurrenzlose Produktangebot oder die hohe Produktquali-
tät insbesondere kleiner und mittelständischer deutscher Un-
ternehmen. Die Diskussion auf die Frage des Lohns zu ver-
kürzen, greife zu kurz. Außerdem sei die Forderung, den
Marktführer zu bremsen, um die Wettbewerber aufholen zu
lassen, die grundlegend falsche Strategie. Dennoch müsse
man sich mit der Frage aus EU-politischer Sicht inhaltlich
auseinandersetzen, da sich daraus wichtige Erkenntnisse ab-
leiten ließen. Dessen ungeachtet werde der Antrag jedoch
grundsätzlich abgelehnt, da er fordere, dass die Europäische
Zentralbank Staatsschuldtitel nach US-amerikanischen Vor-
bild ankaufe. Das würde der in Deutschland selbstverständ-
lichen Stabilitätspolitik fundamental widersprechen.

Die Fraktion DIE LINKE. wies in der Ausschussberatung
darauf hin, sie habe vorgeschlagen, den Antrag zur federfüh-
renden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Tech-
nologie zu überweisen. Außerdem sei der Antrag bereits
Mitte März 2010 gestellt worden. In der Zwischenzeit sei die
Diskussion um finanzielle Hilfen für Griechenland und um

Ausland würde sowohl auf politischer, als auch auf wis-
senschaftlicher Ebene mitunter von einer unkooperativen
Wirtschaftspolitik Deutschlands gesprochen werden. Der
Analyse Die deutsche Wirtschaftspolitik: ein Problem für
Europa? der Friedrich-Ebert-Stiftung (Januar 2010) von
Patrick Artus, Mitglied des französischen Sachverständigen-
rats „Conseil danalyse économique“ könne dies beispielhaft
entnommen werden. Intention des Antrags sei, die Diskus-
sion in diese Richtung voranzutreiben. Der Ausschuss solle
daher gemeinsam mit dem Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie eine öffentliche Anhörung zur Grundausrich-
tung der deutschen und europäischen Wirtschafts- und
Finanzpolitik durchführen. Nicht nur die Fraktion DIE
LINKE., sondern auch die deutschen Gewerkschaften und
verschiedene Wissenschaftler würden hier eine dezidiert an-
dere Ansicht vertreten als die Bundesregierung. Die Lohn-
dumpingstrategie seit 1994, die nicht verteilungsneutrale,
sondern zu Lasten der Arbeitnehmer gehende Verteilungs-
politik sei ursächlich für die heute zu beobachtende Ent-
wicklung der Lohnstückkosten, die sich aus einer gleichge-
wichtigen Situation heraus zum heutigen Ungleichgewicht
entwickelt hätten. Das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz for-
dere jedoch ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht, keinen
Leistungsbilanzüberschuss in Höhe von 170 Mrd. Euro, der
sicherlich im Jahr 2012 oder 2013 nach Überwindung der
aktuellen Krise wieder erreicht werde. Zu dieser Anhörung
müssten auch Vertreter aus anderen europäischen Ländern
eingeladen werden. Nur nationale französische Interessen
zurückzuweisen, greife zu kurz. Vielmehr sei einer Forde-
rung nach kurzfristigen Ausgleichsmechanismen zuzustim-
men. Allerdings dürften diese nicht nur für Defizitländer,
sondern müssten auch für Überschussländer greifen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßte, der
Antrag greife wichtige Fragen auf. Beispielsweise seien
deutsche Exportüberschüsse häufig in schlechte, nun ab-
zuschreibende Wertpapiere investiert worden. Dies müsse
hinterfragt werden. An anderen Stellen würde der Antrag
jedoch auf bestimmte Entwicklungen falsch reagieren. So sei
insbesondere die Forderung, den Stabilitäts- und Wachstums-
pakt abzuschaffen und durch einen außenwirtschaftlichen
Stabilitätspakt zu ersetzen, grundlegend falsch. Vielmehr
müsse er um die Frage der Ungleichgewichte ergänzt und
reformiert werden, da er diverse Schwächen habe. Diese
seien beispielsweise daran deutlich geworden, dass der Pakt
das Problem der privaten Verschuldung in Spanien, die sich
zu einer staatlichen Verschuldung entwickelt habe, nicht auf-
gegriffen habe.

Berlin, den 21. April 2010

Ralph Brinkhaus
Berichterstatter

Manfred Zöllmer
Berichterstatter

Dr. Axel Troost
Berichterstatter
Drucksache 17/1602 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

holen, was in Deutschland in den letzten Jahrzehnten bereits
erreicht worden sei. Würde man jedoch nun die Lohnzurück-
haltung in Deutschland aufgeben, hätte man in den nächsten
Jahren Massenarbeitslosigkeit zu beklagen, da Deutschland
auf dem Weltmarkt nicht mehr wettbewerbsfähig wäre. Über
eine Steigerung der Binnennachfrage könne dies nicht aus-

Maßnahmen zur Bewältigung der hohen Verschuldung und
der schlechten Finanzmarktposition Griechenlands weiter
vorangeschritten. Aus aktueller Sicht verbleibe damit ledig-
lich die Notwendigkeit, die Rolle Deutschlands und seiner
Wirtschaftspolitik für die Stabilisierung bzw. Destabilisie-
rung anderer europäischer Länder kritisch zu diskutieren. Im

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