BT-Drucksache 17/1580

Das "Parlament der Bäume gegen Krieg und Gewalt" muss dauerhaft geschützt werden

Vom 5. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1580
17. Wahlperiode 05. 05. 2010

Antrag
der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Katrin Göring-Eckardt, Bettina Herlitzius,
Cornelia Behm, Ekin Deligöz, Katja Dörner, Kai Gehring, Priska Hinz (Herborn),
Monika Lazar, Tabea Rößner, Krista Sager und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Das „Parlament der Bäume gegen Krieg und Gewalt“ muss dauerhaft geschützt
werden

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das „Parlament der Bäume gegen Krieg und Gewalt“, ein Gedenkort für die Toten
an der Berliner Mauer, wurde 1990 vom Baumpatenverein zusammen mit dem
Künstler Ben Wagin auf dem ehemaligen Grenzstreifen angelegt. Es besteht aus
einem Reststück der ehemaligen innenstädtischen Grenzmauer mit großflächigen
Bildern, Skulpturen, einem Baumhain und Steinplatten entlang des ehemaligen
Patrouillenwegs am originalen Standort mit eingravierten Namen von tausenden
Soldaten des Zweiten Weltkriegs sowie 900 Menschen, die an der innerdeutschen
Grenze in den Jahren 1948 bis 1989 getötet wurden.

Initiiert von K. Brantel, G. Fehrenbach, E. Reischke und J. Schultze-Bansen ent-
stand nach dem Mauerbau in Berlin 1961 auf der Grünfläche zwischen Kongress-
halle und dem Reichstag eine Skulpturenwiese als „Mauer aus Kunst wider alle
Mauern der menschlichen Tyrannei“. Ben Wagin pflanzte hier und in der weiteren
Umgebung des Spreeufers Bäume als lebendige Zeichen der Erinnerung an die Ge-
schichte dieses Ortes und gegen die Trennung der Stadtteile.

Dies weiterführend rief Ben Wagin in der Zeit der politischen Wende 1989/1990,
als sich für das Niemandsland des Grenzstreifens niemand verantwortlich fühlte,
gegenüber dem Reichstag am Schiffbauerdamm das „Parlament der Bäume gegen
Krieg und Gewalt“ ins Leben. Auf einzelnen Segmenten der Hinterlandmauer
listete er die Anzahl der Mauertoten nach Jahren auf und ergänzte die Dokumen-
tation durch Bilder und Gedichte.

Von der alten Kronprinzenbrücke aus war am 24. August 1961 der erste Flüchtling
erschossen worden, der 24-jährige Schneider Günter Liftin. Er hatte versucht,
durch den Humboldthafen an das West-Berliner Friedrich-List-Ufer zu schwim-
men. Bis 1973 starben hier Lutz Haberland, Axel Hannemann, Hedwig Forgert,
Klaus Schröter und Manfred Gertzki. Derzeit lagern auf dem Gelände Steinplatten

mit den eingravierten Namen der über 900 Menschen, die an der innerdeutschen
Grenze in den Jahren 1948 bis 1989 getötet wurden.

Auf einem der Mauerfragmente steht der legendäre Ausspruch Michail
Gorbatschows „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“.

Zudem bringt das „Parlament der Bäume“ den Tod tausender Soldaten des Zweiten
Weltkrieges in Erinnerung: Sowjetische Soldaten hatten am 30. April 1945 den

Drucksache 17/1580 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Reichstag erstürmt und waren auf ihrem Rückweg von einer zuvor unentdeckten SS-
Elite-Einheit hinterrücks erschossen worden. Rund um das Spreeufer fand 1945 das
große Gemetzel statt. In der Nachkriegszeit wurden hier Kartoffeln angebaut. Den
einzig übrig gebliebenen Baum, eine Eiche, will Ben Wagin unter Denkmalschutz
stellen. Der Hain aus Ginkgobäumen trägt eine Bedeutung als Mahnmal für Frieden
und Umweltschutz. Gemeinsam mit seinem Mitglied Ben Wagin hat das „Kurato-
rium Baum des Jahres“ den Ginkgobaum zum „Baum des Jahrtausends“ ernannt.

Ben Wagins Werk ist ein Beispiel für die friedvolle Macht der Kunst, die länger
währt als Diktaturen. Das Kunstwerk ist an seinem authentischen Ort einzigartig in
der Haltung gegen die Trennung der Stadtteile und ein Mahnmal gegen Krieg und
Gewalt und auch ein Mahnmal gegen die Mauern in unseren Köpfen und gegen das
Vergessen. Der Deutsche Bundestag spricht sich für die Erhaltung und dauerhafte
Sicherung des Ensembles aus.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. insbesondere im gemeinsamen Ausschuss von Bund und Berlin nach § 247 des
Baugesetzbuchs (BauGB) darauf zu dringen, dass das „Parlament der Bäume“
durch eine entsprechende Bauleitplanung geschützt wird und beispielsweise als
Grünfläche von der Bebauung freigehalten wird,

2. die Aufnahme als Kulturdenkmal in die Landesdenkmalliste Berlin anzuregen,
um den dauerhaften und unveränderten Bestand des einzigartigen Ensembles als
Kunstwerk und Mahnmal gegen Krieg und Gewalt sicherzustellen.

Berlin, den 4. Mai 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Der Baumpatenverein, der zusammen mit dem Künstler Ben Wagin die geschicht-
lich einzigartige Erinnerungsstätte erschaffen hat, möchte diese langfristig – also
über den Zeitraum von zehn Jahren der Unterschutzstellung hinaus – erhalten.

Eine Unterschutzstellung als Ensemble durch den Bund als Grundstückseigen-
tümer wird beiden Anliegen und der herausragenden Bedeutung der Erinnerungs-
stätte als Gesamtkunstwerk gerecht. Das „Parlament der Bäume“ ist von wuchtigen
Gebäuden umgeben, durch die Baumaßnahmen in der Umgebung in den letzten
Jahren erheblich geschrumpft und weiterhin bedroht. Das Kunstwerk ist an seinem
authentischen Ort einzigartig in der Haltung gegen Krieg und Gewalt. Ein entspre-
chender Schutz der Flächen im Wege der Bauleitplanung ist daher notwendig. Der
Gemeinsame Ausschuss nach § 247 BauGB ist der richtige Ort, die Belange Berlins
als Hauptstadt Deutschlands sowie die Erfordernisse der Verfassungsorgane in Ein-
klang zu bringen. Der Schutz des Ensembles entspricht den Belangen und Erforder-
nissen des Deutschen Bundestages und Berlin als historischem, künstlerischem und
repräsentativem Ort (vgl. Drucksache 16/13160 des Abgeordnetenhauses von
Berlin).

Darüber hinaus ist auch eine Unterschutzstellung als Denkmal geboten. Zwar er-
folgt die Unterschutzstellung bereits von Gesetzes wegen. Eine Aufnahme in die
Landesdenkmalliste gemäß § 4 des Denkmalschutzgesetzes Berlin ist dennoch an-
zuregen, da Berlin dies bislang nicht vorgenommen hat. Die Unterschutzstellung
von Bundeseigentum durch Landesdenkmalrecht ist zulässig (vgl. BVerG, NVwZ,
2009, 588, 589).

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