BT-Drucksache 17/1528

Lohndumping-Leiharbeit von Redakteurinnen und Redakteuren in Zeitungsverlagen

Vom 28. April 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1528
17. Wahlperiode 28. 04. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Agnes Alpers, Herbert Behrens,
Matthias W. Birkwald, Heidrun Dittrich, Werner Dreibus, Nicole Gohlke,
Dr. Rosemarie Hein, Katja Kipping, Cornelia Möhring, Ingrid Remmers,
Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Lohndumping-Leiharbeit von Redakteurinnen und
Redakteuren in Zeitungsverlagen

Die Leiharbeit ist in Deutschland in die Kritik geraten als Lohndumping-Instru-
ment für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Aber nicht nur in Niedriglohnberei-
chen wird Leiharbeit als Lohndumpingstrategie eingesetzt.

Im Zeitungsverlagswesen sind nach Angaben des Deutschen Journalisten-
Verbands e. V. (DJV) in folgenden Zeitungen Fälle von Leiharbeit bekannt:
„Aachener Zeitung/Aachener Nachrichten“, „Allgemeine Zeitung“ (Mainz),
„Augsburger Nachrichten“ (bis 2009), „Bremer Tageszeitungen/Weserkurier“
(bis 2007), „Delmenhorster Kreisblatt“, „Donaukurier“ (Ingolstadt), „Frank-
furter Rundschau“, „Goslarsche Zeitung“, „Leipziger Volkszeitung“ (Madsack-
Hannover), „Märkische Oderzeitung“ (Frankfurt/Oder), „Main-Post“ (Würz-
burg), „Nordwest-Zeitung“ (Oldenburg), „Oberhessische Presse“ (Marburg),
„Oldenburgische Volkszeitung“, „Sächsische Zeitung“ (Dresden, SPD-Medien-
holding der Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft mbH/Gruner + Jahr
AG & Co. KG), „Waldeckische Landeszeitung“, „Westfälische Nachrichten“,
„Wiesbadener Kurier“, „Wilhelmshavener Zeitung“. Es sind große Print-
konzerne, wie Verlagsgesellschaft Madsack GmbH & Co. KG (Leipzig, Goslar,
Marburg und Waldeck), Gruner + Jahr AG & Co. KG (Dresden) und Verlags-
gruppe Georg von Holtzbrinck GmbH (Würzburg) – aber auch die SPD-
Medienholding (Dresden, Bielefeld, Frankfurt/Main) beteiligt.

Im Unterschied zu unbefristet beschäftigten Redakteurinnen und Redakteuren,
die tarifvertraglich gesicherte Arbeitsbedingungen haben, bekommen die als
Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter beschäftigten keine Altersversorgung.
Die Gehälter der leiharbeitenden Journalistinnen und Journalisten liegen etwa
30 Prozent unter dem Tarifniveau, weil sie im Gegensatz zu den Festangestellten
auf dem Niveau des Einstiegsgehalts verbleiben.

Der Fall der „Märkischen Oderzeitung“ zeigt, wie weit diese Praxis gehen kann.
Dort ist die gesamte Redaktion von rund 100 Beschäftigten in der hauseigenen
Leiharbeitsfirma MOZ Redaktions-GmbH beschäftigt (an der „Märkischen
Oderzeitung“ sind u. a. die „Stuttgarter Nachrichten“ und die „Süddeutsche Zei-
tung“ beteiligt).

Beängstigend sind die Auswirkungen dieser Lohnsparpolitik der Zeitungsver-
lage auch auf die sogenannte interne Pressefreiheit der Redakteurinnen und
Redakteure. Der Entleihbetrieb kann die Tätigkeit jederzeit beenden, was erheb-
liche disziplinierende Wirkung auf die Leiharbeiter hat.

Drucksache 17/1528 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung bei Redakteurinnen und Redakteuren den
Einsatz von Leiharbeit?

Ist der dauerhafte Ersatz von Redakteurinnen und Redakteuren durch Leih-
arbeiter legal und mit geltendem Recht vereinbar, dies insbesondere vor dem
Hintergrund, dass die Bundesregierung missbräuchlichen Einsatz von Leih-
arbeit dann konstatiert, wenn dauerhaft Stammbeschäftigte durch Zeitarbeiter
ersetzt werden (vergleiche Bundestagsdrucksache 17/1321; bitte begründen)?

2. Entspricht der geschilderte Einsatz von Leiharbeitskräften den politischen In-
tentionen, die mit der Schaffung des Arbeitsmarktinstrumentes Leiharbeit
verbunden waren?

Wenn ja, inwiefern?

Wenn nein, warum nicht?

3. Inwiefern finden solche Fälle Eingang in die derzeit stattfindende Prüfung
notwendiger gesetzgeberischer Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungs-
gesetz?

Leitet die Bundesregierung aus den geschilderten Fällen gesetzgeberischen
Handlungsbedarf ab?

Wenn ja, welchen?

Wenn nein, warum nicht?

4. Ist es der Bundesregierung möglich zu beziffern, wie viele Beschäftigte
jeweils in den geschilderten Fällen zusätzlich zu ihrem Lohn Aufstockungs-
leistungen aus der Grundsicherung für Arbeit erhalten?

Wie hoch sind die Finanzmittel, mit denen die Grundsicherungsträger die
Niedriglöhne der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter aufstocken, um deren
Existenz zu sichern?

5. Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen von Leiharbeit und
unsicheren Arbeitsverhältnissen in Hinsicht auf die innere Pressefreiheit
und die Autonomie journalistisch-redaktioneller Arbeit?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen von Leiharbeit und un-
sicheren Arbeitsverhältnissen in Hinsicht auf die Sicherung des Qualitäts-
und Vielfaltsniveaus der Zeitungsmedien?

7. Wie bewertet die Bundesregierung, dass sog. Leiharbeiter bei den Schwellen-
werten des Betriebsverfassungsgesetzes im Hinblick auf Betriebsratsgröße
usw. auch dann nicht mitgezählt werden, wenn sie zu den „in der Regel
Beschäftigten“ gehören?

8. Wie will die Bundesregierung in der gegenwärtigen Gesetzeslage, die auch
dauerhafte und unbefristete Leiharbeit ermöglicht, sicherstellen, dass Leih-
arbeit nur für die Bewältigung von vorübergehendem Personalbedarf ver-
wendet wird?

9. Hält die Bundesregierung die (Wieder-)Einführung einer maximalen Aus-
leihdauer für notwendig?

Wenn ja, wie lang soll eine maximale Ausleihdauer nach Meinung der Bun-
desregierung sein?

Wenn nein, welche anderen Möglichkeiten der Regulierung sieht die Bundes-
regierung, die Leiharbeit ausschließlich auf die Bewältigung von vorüber-
gehendem Personalbedarf zu beschränken?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1528

10. Haben die Leiharbeitsfirmen der genannten Zeitungen eine Genehmigung
der Bundesagentur für Arbeit?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, welche?

11. Besteht nach Ansicht der Bundesregierung ein Entleihermarkt, d. h. keine
exklusive Verleihung, wenn, wie bei den meisten regionalen Tageszeitun-
gen der Fall, nur eine Zeitung als Entleiherbetrieb in Frage kommt (bitte be-
gründen, warum)?

12. Wie hoch ist der Lohnabstand in den genannten Fällen zwischen den regulär
Beschäftigten und den Leiharbeitskräften?

Welche Art von Tarifvertrag gilt jeweils für die Leiharbeitskräfte (Haus-
tarifvertrag, Branchentarifvertrag)?

Im Falle eines Branchentarifvertrags: Welche Gewerkschaft hat ihn mit wel-
chem Arbeitgeberverband abgeschlossen, und wie hoch sind die vereinbar-
ten Stundenlöhne?

Mit welcher Gewerkschaft wurde im Falle eines Haustarifvertrags der Tarif-
vertrag abgeschlossen, und wie hoch sind die vereinbarten Stundenlöhne?

13. Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um den
strategischen Einsatz von Leiharbeit zum Lohndumping und zur Ersetzung
von Stammbelegschaften zu unterbinden, damit u. a. dem systematischen
Einsatz von Steuergeldern zur Existenzsicherung von Leiharbeitsbeschäf-
tigten ein Riegel vorgeschoben wird?

Wie begründet die Bundesregierung ihr Vorgehen?

Berlin, den 28. April 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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