BT-Drucksache 17/1494

Finanzielle Auswirkungen der Einführung eines Einkommensteuerstufentarifs

Vom 23. April 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1494
17. Wahlperiode 23. 04. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Harald Koch, Richard Pitterle, Dr. Axel Troost
und der Fraktion DIE LINKE.

Finanzielle Auswirkungen der Einführung eines Einkommensteuerstufentarifs

Das Einkommensteuergesetz (EStG) unterwirft nach § 32a das zu versteuernde
Einkommen einem sowohl direkt als auch indirekt progressiven Tarif. Die pro-
gressive Tarifstruktur wird als besondere Ausprägung des Leistungsfähigkeits-
prinzips verstanden: Finanziell starke Schultern sollen sich an der Finanzierung
der öffentlichen Aufgaben relativ stärker als weniger leistungsstarke Schultern
beteiligen. Diese prinzipielle Ausgestaltung der Tarifstruktur wird von vielen
Bürgern als Indikator für die Steuergerechtigkeit empfunden. Der Koali-
tionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP sieht eine Abkehr von dem direkt
und indirekt progressiven Einkommensteuertarif hin zu einem Stufentarif vor. In
der öffentlichen Diskussion werden derzeit unterschiedliche Varianten eines
Stufentarifs diskutiert. Neben vorgesehenen Entlastungswirkungen für be-
stimmte Einkommensgruppen bewirkt die Einführung eines Stufentarifs auch
Einnahmeausfälle. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche öko-
nomischen und finanziellen Auswirkungen die Einführung eines Stufentarifs
bewirkt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Vorzüge sieht die Bundesregierung in einem Stufentarif mit ab-
schnittsweise konstanten Grenzsteuersätzen gegenüber dem derzeitigen di-
rekt und indirekt progressiven Einkommensteuertarif nach § 32a EStG (bitte
mit Begründung)?

2. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass durch Einführung eines Stufen-
tarifs die Bürger diesen nicht als gerecht empfinden werden, da innerhalb
einer Stufe unterschiedliche Einkommensteile mit einem gleichen Steuersatz
belastet werden (bitte mit Begründung)?

3. Welche Ungerechtigkeiten in dem aktuellen Einkommensteuertarif nach
§ 32a EStG lassen sich durch einen Stufentarif beseitigten (bitte mit Begrün-
dung)?

4. Hält die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Gemeinschaftsdiagnose
im Frühjahr 2010 und der derzeitigen Haushaltslage weiterhin an der
Aussage im Koalitionsvertrag fest, den Einkommensteuertarif zu einem

Stufentarif in dieser Legislaturperiode umbauen zu wollen, und wenn ja, zu
welchem konkreten Termin soll der Stufentarif erstmalig zur Anwendung
kommen?

5. Welche konjunkturellen Effekte erwartet die Bundesregierung von einer Ein-
kommensteuerentlastung mit einem Volumen von 16 Mrd. Euro (bitte mit
Begründung)?

Drucksache 17/1494 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

6. Welches Maß sieht die Bundesregierung als geeignet an, um den Grad der
Progression des geltenden Einkommensteuertarifs zu messen (bitte mit Be-
gründung)?

7. Bei welchen Einkommensbereichen fällt die Progression derzeit am höchs-
ten aus?

8. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff des Mittelstandsbauchs im
Zusammenhang mit § 32a EStG?

9. Zu welchen steuerlichen Mindereinnahmen bei der Einkommensteuer führt
die Einführung eines Stufentarifs mit den Tarifstufen und konstanten Grenz-
steuersätzen innerhalb einer Stufe bis 8 004 Euro zu versteuerndem
Einkommen (z. v. E.) 0 Prozent, bis 12 500 Euro z. v. E. 14 Prozent,
bis 35 000 Euro z. v. E. 25 Prozent, bis 53 000 Euro z. v. E. 35 Prozent,
bis 250 730 Euro z. v. E. 42 Prozent und ab 250 731 Euro z. v. E. 45 Prozent
(Einzelveranlagung, Beibehaltung der bisherigen Splittingregelung) gegen-
über dem Tarif 2010 auf Basis der aktuellen Einkommensteuerstatistik (bitte
untergliedert nach Einzel- und Zusammenveranlagung)?

10. Welche steuerlichen Mindereinnahmen stellen sich bei dem Tarif zu Frage 9
für die Einkommensbereiche bis 8 004 Euro, von 8 005 bis 12 500 Euro,
von 12 501 bis 35 000 Euro, von 35 001 bis 53 000 Euro, von 53 001 bis
250 730 Euro und ab 250 731 Euro ein (bitte untergliedert nach Einzel- und
Zusammenveranlagung)?

11. Welche steuerlichen Mindereinnahmen stellen sich bei dem Tarif zu Frage 9
beim Solidaritätszuschlag ein (bitte untergliedert nach Einzel- und Zusam-
menveranlagung)?

12. Welche steuerlichen Mindereinnahmen stellen sich bei dem Tarif zu Frage 9
bei der Kirchensteuer ein (bitte untergliedert nach Einzel- und Zusammen-
veranlagung)?

13. Mit welchem Anteil finanziert sich eine steuerliche Entlastung nach Frage 9
durch entsprechende Konjunktur- und Nachfrageimpulse selber gegen (bitte
mit Begründung)?

14. Wie viele Einkommensteuerpflichtige und welcher Prozentsatz aller Ein-
kommensteuerpflichtigen nahmen in den letzten 10 Jahren zum Abzug ihrer
Werbungskosten von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit aus-
schließlich den Arbeitnehmerpauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nummer 1a
EStG in Anspruch, und welche steuerlichen Mindereinnahmen entstehen
hierdurch (bitte untergliedern nach Jahr und Einzel-/Zusammenveranla-
gung)?

15. Welche steuerlichen Mindereinnahmen stellen sich bei dem Tarif zu Frage 9
ein, wenn die Pauschbeträge für Werbungskosten nach § 9a EStG durch eine
Aufwendungspauschale mit 2 Prozent der steuerpflichtigen Einnahmen,
mindestens jedoch 200 Euro und höchstens 5 000 Euro ersetzt werden,
höhere Werbungskosten aber weiterhin durch Nachweis abgezogen werden
können (bitte untergliedert nach Einzel- und Zusammenveranlagung)?

16. Welche steuerlichen Mehr- oder Mindereinnahmen stellen sich bei dem
Tarif zu Frage 15 für die Einkommensbereiche bis 8 004 Euro, von 8 005 bis
10 000 Euro, von 10 001 bis 12 500 Euro, von 12 501 bis 15 000 Euro,
von 15 001 bis 20 000 Euro, von 20 001 bis 35 000 Euro, von 35 001 bis
53 000 Euro, von 53 001 bis 250 730 Euro und ab 250 731 Euro ein (bitte
untergliedert nach Einzel- und Zusammenveranlagung)?

17. Welche Anpassungen der Tarifeckwerte wären bei dem aktuellen Tarif nach

§ 32a EStG vorzunehmen, wenn ein Entlastungsvolumen von 16 Mrd. Euro
erzielt und die Verschiebung der Tarifeckwerte gleichmäßig erfolgen sollen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1494

18. Wie wäre der Spitzensteuersatz (oberste Proportionalzone) bei Geltung der
Tarifstufen zu Frage 9 zu erhöhen, wenn die Veränderung der Tarifstruktur
zu Frage 9 aufkommensneutral erfolgen soll?

19. Stimmt die Bundesregierung darin überein, dass durch die Einführung eines
Stufentarifs die Problematik der kalten Progression weiterhin besteht und
nicht neutralisiert wird, sodass eine jährliche Überprüfung der Tarif-
eckwerte oder eine Inflationierung dieser sinnvoll erscheint (bitte mit Be-
gründung)?

20. Stimmt die Bundesregierung zu, dass die Einführung eines Stufentarifs die
Abgeltungswirkung der Abgeltungsteuer konterkariert, da fortan deutlich
mehr Personen die Günstigerprüfung nach § 32d Absatz 6 EStG beantragen
werden, und wie viele zusätzliche Fälle könnten unter Geltung von Frage 9
die Günstigerprüfung in Anspruch nehmen (bitte mit Begründung)?

21. Stimmt die Bundesregierung damit überein, dass eine Vereinfachung der
Tarifstruktur im Einkommensteuergesetz durch die Einführung eines
Stufentarifs nicht gegeben ist, da derzeit neben dem Regeltarif nach § 32a
EStG noch zahlreiche Sondertarifvorschriften existieren (§ 32a Absatz 1
Satz 2: „Sie beträgt vorbehaltlich der §§ 32b, 32d, 34, 34a, 34b und 34c…“),
und sollten diese oder Teile dieser Sondertarifvorschriften neben § 32a
EStG abgebaut werden (bitte mit Begründung)?

Berlin, den 23. April 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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