BT-Drucksache 17/1491

Bewertung der Nachhaltigkeit von Palmölplantagen gemäß den EU-Nachhaltigkeitskriterien für Biotreibstoffe und flüssige Brennstoffe

Vom 23. April 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1491
17. Wahlperiode 23. 04. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Winfried Hermann, Ulrike
Höfken, Dr. Anton Hofreiter, Undine Kurth (Quedlinburg), Friedrich Ostendorff,
Bärbel Höhn, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Ute Koczy, Oliver Krischer, Dr. Hermann
Ott, Lisa Paus, Dorothea Steiner, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Bewertung der Nachhaltigkeit von Palmölplantagen gemäß den
EU-Nachhaltigkeitskriterien für Biotreibstoffe und flüssige Brennstoffe

Die Europäische Kommission arbeitet an einem Entwurf für die praktische Um-
setzung der Nachhaltigkeitskriterien für Biotreibstoffe und flüssige Brennstoffe,
die mit Artikel 17 der Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von
Energie aus erneuerbaren Quellen in das EU-Recht eingeführt wurden. Bio-
Treibstoffe und flüssige Brennstoffe, die diesen Nachhaltigkeitskriterien nicht er-
füllen, dürfen weder finanziell gefördert noch auf die zu erreichenden Ziele beim
Anteil von erneuerbaren Energien am Energieverbrauch angerechnet werden.

Zu den Nachhaltigkeitskriterien gemäß Artikel 17 gehört, dass

– gemäß Absatz 2 die erzielte Minderung der Treibhausgas-Emissionen min-
destens 35 Prozent betragen muss,

– gemäß Absatz 3 die Biomasse nicht auf Flächen gewonnen werden darf, die
im Januar 2008 einen hohen Wert hinsichtlich der biologischen Vielfalt hat-
ten (Primärwälder, Naturschutzflächen, artenreiches Grünland),

– gemäß Absatz 4 die Biomasse nicht auf Flächen gewonnen werden darf, die
im Januar 2008 einen hohen Kohlenstoffbestand hatten (Feuchtgebiete, kon-
tinuierlich bewaldete Gebiete), es sei denn, der Status der Flächen ist derselbe
wie im Januar 2008,

– gemäß Absatz 5 die Biomasse nicht auf Flächen gewonnen werden darf, die
im Januar 2008 Torfmoor waren, es sei denn, die Nutzung der Biomasse
erfordert keine zusätzliche Entwässerung der Flächen,

– gemäß Absatz 6 in der EU angebaute landwirtschaftliche Biomasse gemäß
den EU-Anforderungen gewonnen werden muss.

Im Zentrum der Auseinandersetzungen um den Entwurf für die praktische Um-
setzung dieser Nachhaltigkeitskriterien steht die Frage, welche Landnutzungs-
änderungen gemäß Absatz 4 erlaubt sind und welche nicht. Die Umwandlung

von Wald in Ackerland muss gemäß Richtlinie klar ausgeschlossen sein. So-
lange Wald jedoch Wald bleibt, kann die Biomasse aus dem Wald jedoch genutzt
werden, es sei denn, es handelte sich gemäß Absatz 3 im Januar 2008 um Pri-
märwälder.

In diesem Zusammenhang übernimmt der bekannt gewordene Kommissions-
entwurf die recht weit gefasste Wald-Definition der FAO (Food and Agriculture

Drucksache 17/1491 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Organization), bei der bereits ein Überschirmungsgrad von 30 Prozent für eine
Klassifizierung als Wald ausreicht. Selbst ein Überschirmungsgrad von 10 bis
30 Prozent soll, wenn die Minderung der Treibhausgasemissionen gemäß
Absatz 2 erfüllt wird, ausreichen, um eine Klassifizierung als Landnutzungsän-
derung gemäß Absatz 4 zu vermeiden.

Demnach wären auch Ölpalmenplantagen Wälder. Ein Wald könnte demnach,
solange es sich nicht gemäß Absatz 3 um Primärwald handelt, in eine Ölpalmen-
plantage oder eine andere Plantage umgewandelt werden, ohne dass dies zu
einem Bruch der Nachhaltigkeitskriterien führen würde. Dieses Palmöl wäre ge-
mäß Nachhaltigkeitskriterien der EU also nachhaltig produziert, obwohl hier
zweifellos eine Degradierung von Wäldern vorliegt. Dies hat zu großer Empö-
rung bei Tropenwaldschützern geführt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass Palmöl aus Palmölplantagen,
die im Januar 2008 noch keine Plantage, sondern Wald im eigentlichen Sinne
des Wortes waren, keine nachhaltig produzierte Biomasse ist, und wenn nein,
warum nicht?

2. Entspricht der bekannt gewordene Entwurf bei der Zuordnung von Palmöl-
plantagen noch dem aktuellen Stand, oder wurde der Entwurf mittlerweile in
den entscheidenden Passagen geändert?

3. Sofern Änderungen vorgenommen wurden, wie soll dieser Punkt gemäß
aktuellem Entwurf geregelt werden?

4. Ist diese Regelung im aktuellen Entwurf aus Sicht der Bundesregierung eine
tragbare Lösung, und wenn nein, wie sollte der Entwurf aus Sicht der Bun-
desregierung in Bezug auf die Zuordnung von Ölpalmenplantagen geändert
werden, und was tut die Bundesregierung dafür, um eine tragbare Lösung zu
erreichen?

5. Sofern keine Änderungen vorgenommen wurden, wie sollte der Entwurf aus
Sicht der Bundesregierung in Bezug auf die Zuordnung von Palmölplantagen
geändert werden?

6. Was unternimmt die Bundesregierung dafür, um eine entsprechende Ände-
rung des Entwurfs zu erreichen?

7. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über die laut „FINAN-
CIAL TIMES DEUTSCHLAND“ vom 12. April 2010 von der EU-Kommis-
sion in Auftrag gegebenen Studien zur Umweltbilanz von Biokraftstoffen
vor, welche Rückschlüsse zieht sie aus den Ergebnissen, und inwieweit setzt
sie sich für die umgehende Veröffentlichung der Studienergebnisse ein?

8. Welchen Anteil Biokraftstoff, welchen Anteil Elektromobilität auf der Straße
und welchen Anteil erneuerbare Energien beim Bahnstrom will die Bundes-
regierung im Rahmen des EU-Aktionsplans erneuerbare Energien für den
Verkehrsbereich benennen?

9. Bis wann wird die Benennung der deutschen Ziele im Rahmen des Aktions-
plans erneuerbare Energien erfolgen?

Berlin, den 23. April 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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