BT-Drucksache 17/14799

Treffen der informellen Struktur der "Gruppe der Sechs" in Rom und dort behandelte Inhalte

Vom 23. September 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14799
17. Wahlperiode 23. 09. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Sevim Dag˘delen,
Annette Groth, Ulla Jelpke, Harald Koch, Niema Movassat, Thomas Nord,
Jens Petermann und der Fraktion DIE LINKE.

Treffen der informellen Struktur der „Gruppe der Sechs“ in Rom und dort
behandelte Inhalte

Am 12. und 13. September 2013 haben sich die Innenminister der sechs einwoh-
nerstärksten EU-Mitgliedstaaten in Rom getroffen. Zur heutigen „Gruppe der
Sechs“ (G6) gehören seit ihrer Gründung 2003 die Regierungen Deutschlands,
Frankreichs, Großbritanniens, Italiens und Spaniens. Mit dem EU-Beitritt wurde
auch Polen 2006 Mitglied des informellen Zirkels. Auf Initiative des damaligen
Bundesministers des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, nimmt seit 2007 auch das
US-Ministerium für „Heimatschutz“ sowie die US-Generalbundesanwaltschaft
an den Treffen teil. Die Zusammenkunft firmiert seitdem als „G6+1“. Auch die
EU-Kommissarin für die Digitale Agenda und Vizepräsidentin der Europä-
ischen Kommission, Neelie Kroes, sowie die EU-Kommissarin für Inneres
Cecilia Malmström sind – jedoch nur teilweise – zugegen. Zu den Aufgaben der
jeweils ausrichtenden Regierung gehört die Gestaltung der Tagesordnung. In
diesem Falle war also Italien hierfür verantwortlich. Die Gruppe ist auch mit
geheimdienstlichen Aktivitäten und der Telekommunikationsüberwachung be-
fasst. Dies hatte das Bundesministerium des Innern bestätigt (Bundestagsdruck-
sache 17/9904).

In Rom wollte der Bundesminister des Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, auch
die Enthüllungen zu den US-Spionageprogrammen ansprechen. Das jedenfalls
hatte er im Rahmen der Diskussionen um das PRISM-Programm verlautbart.
Kritisches ist hiervon nicht zu erwarten, zumal er dem Spionageprogramm da-
mals einen „edlen Zweck” attestierte (Interview www.heute.de, 12. Juli 2013).
Gespräche zur US-Spionage auf der Ebene der Europäischen Union (EU) waren
allerdings bislang fruchtlos verlaufen. Großbritannien, ebenfalls Mitglied der
G6, hatte eine Offenlegung seiner geheimdienstlichen Praktiken abgelehnt. Die
Regierung zeigte sich nur dann dazu bereit, wenn alle 27 EU-Mitgliedstaaten
hierzu Angaben machen würden.

Der Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich wollte in Rom auch über
seinen neuerlichen Vorstoß zum EU-Ein- und Ausreiseregister EES sprechen.
Alle ausländischen Reisenden werden gezwungen, vor jeder Einreise in einen

Mitgliedstaat – unabhängig davon, ob ein Visum erforderlich ist – eine Anmel-
dung vorzunehmen. Vorgebliches Ziel der neuen Datensammlung ist die Aus-
forschung der „Reisebewegungen von Terrornetzwerken”. Die erlangten Daten
der Reisenden werden mit polizeilichen und geheimdienstlichen Datenbanken
abgeglichen. Erst dann erfolgt die Erlaubnis – oder ein Reiseverbot. Auf dem
Treffen der G6 wurde womöglich darüber beraten, ob die USA Zugriff auf Da-
ten des EES bekommen können.

Drucksache 17/14799 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Treffen der „G6+1“ sind aus Sicht der Fragesteller zutiefst undemokratisch.
In ihrer Antwort auf eine frühere Anfrage der Fragesteller/-innen hatte die Bun-
desregierung ihren informellen Charakter sogar hervorgehoben (Bundestags-
ducksache 17/9904): Demgemäß gehe es den Beteiligten darum, sich über
„Problemlagen in ihren Ländern“ auszutauschen.

Die Bundesregierung bestätigt, „eine Vertiefung der erörterten Themen erfolgte
im Übrigen in zahlreichen bi- und multilateralen Foren formeller und informel-
ler Art“.

Die Fragesteller/-innen bleiben daher bei ihrer Auffassung zum Demokratiede-
fizit des Treffens, da über den konkreten Inhalt, also die Gespräche im Verbor-
genen, nichts berichtet wird. Der „informelle Gedankenaustausch“ dient der
Anbahnung oder Umsetzung konkreter gemeinsamer Initiativen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Da die Treffen der „G6+1“ dem „freien Gedankenaustausch“ unter den be-
teiligten Innenministern dienen (Bundestagsdrucksache 17/11949), wie soll
das Zustandekommen demokratischer Entscheidungen der Europäischen
Union, wenn diese wie in Rom unter mächtigen Mitgliedstaaten vorbereitet
werden, dann parlamentarisch kontrolliert werden?

2. Inwiefern hat die Bundesregierung selbst erwogen, trotz des „informellen
Charakters“ der Treffen Abgeordneten, Journalistinnen und Journalisten
oder der allgemeinen Öffentlichkeit ungefilterten Zugang zu Inhalten der
Treffen zu verschaffen oder diese Frage im Rahmen der Treffen sogar zum
Thema zu machen (Bundestagsdrucksache 17/11949)?

3. Nach welchen Kriterien hatte das Bundesinnenministerium beim Treffen
2012 in München entschieden, welche Inhalte und Ergebnisse der Öffent-
lichkeit oder Abgeordneten nationaler Parlamente mitgeteilt werden, da
laut früherer Antwort ein allgemeiner „Kriterienkatalog“ hierfür nicht fest-
gelegt wurde?

4. Welche Tagesordnung hatte das Treffen der „G6+1“ in Rom (bitte in gro-
ben Zügen skizzieren und die Tagesordnung beifügen)?

5. Wo hat das Treffen stattgefunden?

6. Welche Stellen der Bundesregierung waren konkret in die Vorbereitung des
Treffens eingebunden (bitte auch die Abteilungen und die benötigte Perso-
nalstärke angeben)?

7. Welche weiteren Treffen am Rande der „G6+1“ haben in zeitlicher Nähe
stattgefunden, sofern diese im Bezug zum Treffen in Rom standen?

8. Welche Angehörigen anderer Regierungen, EU-Agenturen, sonstiger Insti-
tutionen oder „Wissenschaftler und Experten“ nahmen mit welchem Perso-
nal an dem Treffen teil, und um welche konkreten Personen handelte es
sich dabei (bitte auch deren Zugehörigkeit zu Behörden und anderen Ein-
richtungen angeben)?

9. Zu welchen Themen waren diese anderen Teilnehmenden eingeladen, und
welche Beiträge steuerten diese bei?

10. Welche deutschen Behörden oder sonstigen Stellen nahmen mit welchen
Kräften teil?

11. Nach welchem Verfahren sowie nach welchen Kriterien hat nach Kenntnis
der Bundesregierung der italienische Vorsitz festgelegt, an welchen Tages-
ordnungspunkten oder Arbeitsgruppen die Europäische Kommission sowie

die teilnehmenden US-Behörden anwesend sein dürfen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14799

12. Inwiefern hat die Bundesregierung Kenntnis, nach welchen Kriterien die
Teilnahme der Kommission sowie Behörden der USA seitens der italieni-
schen Regierung zu einzelnen Themen als hilfreich eingeschätzt wurde und
sie deshalb hinzugezogen wurden?

13. An welchen Tagesordnungspunkten oder Arbeitsgruppen haben die USA
sowie die Europäische Kommission beim Treffen in Rom teilgenommen?

14. Welche eigenen Beiträge haben diese hierzu verteilt oder gehalten (bitte
nicht nur Titel und Untertitel nennen, sondern in groben Zügen skizzieren)?

15. Sofern es sich auch um „Sicherheitsthemen mit transatlantischem Bezug“
handelte, was ist damit konkret gemeint (bitte nicht nur Titel und Untertitel
nennen, sondern in groben Zügen skizzieren)?

16. Wie und mit welchem Inhalt hat die Bundesregierung zuvor von der Gele-
genheit Gebrauch gemacht, sich „zur Themensetzung“ und zur Teilnahme
der USA zu äußern?

17. Inwiefern trifft es zu, dass der Bundesminister des Innern Dr. Hans-Peter
Friedrich die Enthüllungen zu den US-Spionageprogrammen PRISM sowie
weiteren digitalen Spionagetätigen der britischen und US-amerikanischen
Regierungen ansprach?

18. Wann und in welcher Form wurden an wen entsprechende Vorschläge oder
Forderungen gerichtet?

19. Welchen Inhalt hatten diese Mitteilungen konkret?

20. Wie und mit welchem Inhalt haben die übrigen teilnehmenden Regierungen
nach Kenntnis der Bundesregierung zuvor von der Gelegenheit Gebrauch
gemacht, sich „zur Themensetzung“ und zur Teilnahme der USA bzw. zu
den Enthüllungen zu den US-Spionageprogrammen PRISM sowie weiteren
digitalen Spionagetätigen der britischen und US-amerikanischen Regierun-
gen zu äußern?

21. Inwiefern haben die Reaktionen der beiden Regierungen tatsächlich zu ei-
ner veränderten Tagesordnung bzw. einer anderen Behandlung der Themen
geführt?

22. Inwiefern und mit welchem Inhalt sind diese Themen dann tatsächlich be-
handelt worden?

23. Inwiefern hat der Bundesinnenminister seine Auffassung (so oder ähnlich)
wiederholt, das PRISM-Programm diene einem „edlen Zweck“, und wie
reagierten die übrigen Teilnehmenden?

24. Inwiefern hatte der Bundesinnenminister auch seinen neuerlichen Vorstoß
zum EU-Ein- und Ausreiseregister EES auf die Tagesordnung gesetzt?

25. Wie und mit welchem Inhalt wurde darüber beraten, ob die USA mittelba-
ren oder unmittelbaren Zugriff auf Daten des EES bekommen könnten?

26. Wie wurden die übrigen 21 EU-Mitgliedstaaten nach Kenntnis der Bundes-
regierung im Vorfeld des Treffens über die dort behandelten Themen unter-
richtet?

27. Inwiefern haben diese nach Kenntnis der Bundesregierung davon Ge-
brauch gemacht, „Anregungen in Bezug auf dort behandelte Themen“ mit-
zuteilen (Bundestagsdrucksache 17/9904)?

28. Sofern sich dies der Kenntnis der Bundesregierung entzieht, welche Mög-
lichkeiten kann sie einsetzen, um den Fragestellerinnen und Fragestellern
hierzu eine Antwort zu geben?

Drucksache 17/14799 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

29. Welche weiteren Inhalte wurden bei dem Treffen in London diskutiert
(bitte nicht nur Titel und Untertitel nennen, sondern in groben Zügen skiz-
zieren)?

30. Welche Dokumente oder „zur Strukturierung und Eingrenzung der Diskus-
sion“ oder „vorab mit Fragen versehene Gesprächsunterlagen“ wurden ver-
teilt (bitte als Anlage beifügen bzw. nicht nur Titel und Untertitel nennen,
sondern in groben Zügen skizzieren)?

31. Welche wesentlichen Ergebnisse des „G6+1“-Treffens in Rom kann die
Bundesregierung mitteilen?

32. Sofern die Bundesregierung wieder nur auf Statements anderer verweist
(Bundestagsdrucksache 17/11949), inwiefern wird die dort vorgetragene
Haltung geteilt?

33. In welchen Punkten herrschte nach Einschätzung der Bundesregierung
beim „Gedankenaustausch“ der „G6+1“-Treffen keine Einigkeit, bzw. zu
welchen behandelten Themen können keine konkreten Ergebnisse mitge-
teilt werden?

34. Welche Positionen wurden von den Teilnehmenden dazu vertreten?

35. Was ist damit (in administrativer, organisatorischer und operativer Hin-
sicht) gemeint, wenn die Bundesregierung berichtet, der Informationsaus-
tausch in „Fusion Centres“ beruhe „u. a. auf Initiativen der Europäischen
Kommission sowie Europols mit dem Department of Homeland Security“
(Bundestagsdrucksache 17/11949)?

36. Welche Themen wurden unter dem Tagesordnungspunkt „Sonstiges“ (oder
ähnlich) thematisiert, und wer nahm daran teil?

37. Wie, wann und von wem wurden die übrigen 21 EU-Mitgliedstaaten über
die Ergebnisse des G6-Treffens in Rom bzw. des dort vorgenommenen „in-
formellen Gedankenaustauschs“ in Kenntnis gesetzt, und wie reagierten
diese nach Kenntnis der Bundesregierung im Einzelnen darauf?

38. Sofern sich dies der Kenntnis der Bundesregierung entzieht, welche Mög-
lichkeiten kann sie einsetzen, um den Fragestellerinnen und Fragestellern
hierzu eine Antwort zu geben?

39. Inwiefern kann die Bundesregierung für das jetzige Treffen in Rom kon-
kretisieren, in welchen „zahlreichen bi- und multilateralen Foren formeller
und informeller Art“ die dort erörterten Themen, Absprachen bzw. der „in-
formelle Gedankenaustausch“ vertieft werden sollen (Bundestagsdrucksa-
che 17/9904)?

40. Sofern sich die Bundesregierung hierzu nicht für alle Teilnehmenden oder
Themen äußern möchte, in welchen informellen oder sogar formellen Gre-
mien wird sie die Weiterbehandlung welcher behandelter Themen einbrin-
gen oder forcieren?

41. Was kann die Bundesregierung über Inhalte, Zielsetzung und Teilneh-
mende der „Working group on modern technology“ innerhalb der Euro-
pean Police Chiefs Taskforce mitteilen?

42. Wann und auf wessen Veranlassung wurde die Gruppe gegründet, und mit
welchen Technologien befasst sie sich?

43. Mit welchen konkreten Inhalten und mit welchen Abteilungen ist das Bun-
deskriminalamt (BKA) involviert?

44. Worüber hat der Direktor beim BKA, Michael Niemeier, bei der European

Police Chiefs Convention 2013 konkret referiert?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/14799

45. Auf welche Weise könnten Polizeibehörden demnach gegenüber vermeint-
lichen Straftäterinnen/Straftätern „einen Schritt“ voraus sein?

46. Mit welchem Inhalt haben Polizeichefs aus Griechenland, Dänemark, Frank-
reich und Spanien die Ausführung von Michael Niemeier kommentiert?

Berlin, den 23. September 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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