BT-Drucksache 17/14781

Fortbestehende Eingriffsmöglichkeiten anderer NATO-Mitgliedstaaten in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis in der Bundesrepublik Deutschland

Vom 20. September 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14781
17. Wahlperiode 20. 09. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Herbert Behrens, Christine Buchholz,
Dr. Diether Dehm, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Harald Koch, Niema Movassat,
Jens Petermann, Paul Schäfer (Köln), Dr. Petra Sitte, Frank Tempel, Katrin Werner
und der Fraktion DIE LINKE.

Fortbestehende Eingriffsmöglichkeiten anderer NATO-Mitgliedstaaten in das
Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis in der Bundesrepublik Deutschland

Die Offenlegung der Praxis des US-amerikanischen Geheimdienstes NSA
durch dessen ehemaligen Mitarbeiter Edward Snowden, eine zunehmend
kritische Diskussion in der demokratischen Öffentlichkeit und auch die große
Aufmerksamkeit in Bezug auf das Buch des Freiburger Hochschullehrers Josef
Foschepoth mit dem Titel „Überwachtes Deutschland“ haben aus Sicht der
Fragesteller nach langer Untätigkeit der Bundesregierung nunmehr kurzfristig
zu hektischen Reaktionen geführt, die allerdings ganz offensichtlich ohne reale
praktische Auswirkungen geblieben sind.

Auf Ersuchen erklärte das Auswärtige Amt in einer Verbalnote (ein Begriff mit
dem die Bundesregierung laut des Sprechers des Bundesministeriums des In-
nern nichts anfangen kann, es komme „so ein bisschen aus der Diplomatenspra-
che“, wie auf der Regierungspressekonferenz vom 8. Juli 2013 erklärt wurde)
vom 27. Mai 1968 im Zusammenhang mit der Verabschiedung der Notstands-
gesetze, deren Bestandteil auch das G 10-Gesetz war, dass sich die Bundesre-
gierung zu wirksamen gesetzlichen Maßnahmen zum Schutz der Stationie-
rungsstreitkräfte auf dem Gebiet der Post- und Fernmeldeüberwachung ver-
pflichte.

In einer Pressemitteilung des Auswärtigen Amts vom 2. August 2013 weist die
Bundesregierung jetzt nach heftiger öffentlicher Kritik darauf hin, dass sie ein-
vernehmlich mit anderen NATO-Staaten eine Verwaltungsvereinbarung aus
dem Jahr 1968 aufgehoben habe, durch die für jene das „Prozedere“ von Ein-
griffen in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis „via Ersuchen an das Bun-
desamt für Verfassungsschutz oder den Bundesnachrichtendienst“ geregelt war,
wie es die Bundesministerien des Innern sowie für Wirtschaft und Technologie
und am 14. August 2013 dann in ihrem „Fortschrittsbericht – Maßnahmen für
einen besseren Schutz der Privatsphäre“ wörtlich formulierten.

Da eine Verwaltungsvereinbarung zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung

von Grundrechtseingriffen nicht geeignet ist, muss bezweifelt werden, dass sich
durch ihre Aufhebung praktisch erhebliche Veränderungen ergeben haben. Wei-
tere Aufklärung ist daher geboten.

Drucksache 17/14781 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie lautete die aufgehobene Verwaltungsvereinbarung betreffend das Arti-
kel 10-Gesetz, hinsichtlich derer nach ihrer Außerkraftsetzung Gründe des
Staatswohls einer Veröffentlichung nicht mehr entgegenstehen?

2. Auf welcher rechtlichen Grundlage bzw. Ermächtigung beruhten nach Auf-
fassung der Bundesregierung die Verwaltungsvereinbarung mit den USA
und die Vereinbarungen mit anderen Mitgliedstaaten der NATO?

3. Trifft es zu, dass die Vereinbarung und die bisherige Praxis von Eingriffen in
das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis durch andere NATO-Staaten auf
§ 3 Absatz 2 und Absatz 4 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut
vom 3. August 1959 gestützt wird, das im Jahr 1963 in Kraft getreten ist und
auch nach 1993 unverändert fort gilt?

Falls nicht, welches ist sonst die Rechtsgrundlage?

4. Aus welchen Gründen wurden die Verwaltungsvereinbarungen, die nach
Angaben der Bundesregierung seit der Vereinigung der beiden deutschen
Staaten nicht mehr angewendet worden sind, bis Anfang August 2013, also
fast 23 Jahre lang, weder aufgehoben noch geändert?

5. Trifft es zu, dass die Bundesregierung auf der Grundlage des fortbestehen-
den Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut erneut eine Verwaltungs-
vereinbarung über Eingriffe in das Post- und Fernmeldegeheimnis auf Ver-
anlassung der Vertragspartner des Zusatzabkommens abschließen könnte,
ohne das dem Deutschen Bundestag und der Öffentlichkeit bekannt zu
machen?

Welche Gründe sprechen für, welche gegen eine erneute Verwaltungsverein-
barung zu diesem Zweck?

6. Welche Gründe haben die Bundesregierung daran gehindert, wirksame Än-
derungen der Rechtslage dadurch vorzunehmen, dass nicht nur die Verwal-
tungsvereinbarung selbst aufgehoben, sondern auch das Zusatzabkommen
zum NATO-Truppenstatut so geändert wird, dass Eingriffe in das Post- und
Fernmeldegeheimnis auf seiner Grundlage ausgeschlossen sind?

a) Besteht bei der Bundesregierung ein durch belastbare Informationen
gesicherter Eindruck, dass Vertragspartnerstaaten einer solchen Ände-
rung nicht zugestimmt hätten?

b) Welches sind gegebenenfalls die belastbaren Informationen?

7. Zwischen welchen Vertragsparteien gilt das Zusatzabkommen zum NATO-
Truppenstatut?

a) Sind alle Vertragsparteien in gleicher Weise verpflichtet, Informationen,
die das Post- und Fernmeldegeheimnis betreffen, aus dem Bereich ihres
eigenen Staatsgebiets an die jeweils anderen Staaten zu übermitteln oder
ist insoweit die Bundesrepublik Deutschland allein dazu verpflichtet?

b) Sollte das der Fall sein, welche Vorschläge zu Änderungen beabsichtigt
die Bundesregierung diesbezüglich zu ergreifen und durchzusetzen?

Berlin, den 20. September 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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