BT-Drucksache 17/14772

Maßnahmen der Bundesregierung zur Aufdeckung der Tätigkeiten von Gladio

Vom 17. September 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14772
17. Wahlperiode 17. 09. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dag˘delen, Heidrun Dittrich, Annette Groth,
Inge Höger, Andrej Hunko, Harald Koch, Niema Movassat, Thomas Nord,
Paul Schäfer (Köln), Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Maßnahmen der Bundesregierung zur Aufdeckung der Tätigkeiten von Gladio

Im sogenannten Luxemburger Bombenleger-Prozess hat ein Zeuge Aussagen
dahingehend gemacht, der Bundesnachrichtendienst (BND) habe sich an meh-
reren Bombenanschlägen in Europa beteiligt und sei auch für das Attentat auf
das Münchner Oktoberfest im Jahr 1980 verantwortlich. Er berief sich dabei auf
Aussagen seines mittlerweile verstorbenen Vaters, einem ehemaligen Haupt-
mann der Bundeswehr. Die Fragesteller hatten sich zu diesen Vorgängen in einer
Kleinen Anfrage erkundigt, die von der Bundesregierung im Mai dieses Jahres
beantwortet worden war (Bundestagsdrucksache 17/13615). Darin bestätigte die
Bundesregierung, dass der Vater des Zeugen tatsächlich als Hauptmann in der
Bundeswehr gedient hatte. Sie habe aber keine Hinweise auf eine Tätigkeit des
Hauptmanns für den BND finden können.

Die Aussagen der Bundesregierung standen damals insoweit unter Vorbehalt, als
sie selbst mehrfach darauf hinwies, dass die Altaktenbestände des BND „noch
nicht vollständig erschlossen“ seien und daher „in Zukunft weitere einschlägige
Unterlagen gefunden werden könnten“. Sie habe eine weitere Prüfung der Vor-
würfe veranlasst. Die Fragesteller begehren mit dieser Kleinen Anfrage unter
anderem Einblick in die konkreten Maßnahmen, die zur Prüfung der Vorwürfe
ergriffen worden sind, sowie zu einer Reihe weiterer Fragen.

Die bisherige Antwort der Bundesregierung zeigt aus Sicht der Fragesteller, dass
die Bundesregierung die Aufklärung dieses (möglichen) Gladio-Skandals
(Gladio: Stay-behind-Organisation) nicht besonders intensiv betreibt. Diese
Einschätzung resultiert unter anderem aus der Formulierung der Bundesregie-
rung, sie habe bislang „auch keine Notwendigkeit [gesehen], sich mit diesem
Problemkomplex weiter zu befassen“. Mehrfach verweist sie darauf, für die Klä-
rung der Fragen sei die „historische Forschung“ zuständig. Damit verkennt sie
aus Sicht der Fragesteller die politische Brisanz des Themas, bei dem es schließ-
lich um eine mögliche Form des auch von Deutschland unterstützten Staats-
terrorismus geht.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung bzw. hat nach ihrer
Kenntnis der BND seit Mai dieses Jahres unternommen, um den Vorwürfen
nach Beteiligung des BND an Terroranschlägen in Europa, darunter dem
Münchner Oktoberfest im Jahr 1980, nachzugehen (bitte die jeweiligen
Schritte ausführlich benennen)?

Drucksache 17/14772 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Wurden insbesondere der ehemalige Mitarbeiter des BND und mutmaßlich
an den Gladio-Aktivitäten beteiligte Norbert Juretzko (Autor von „Bedingt
dienstbereit“, Berlin 2004) oder die Kinder des in der Vorbemerkung der
Fragesteller genannten Hauptmanns A. K., R. v. D. und M. L. zu dessen
mutmaßlichen BND-Aktivitäten befragt?

Wenn ja, was waren zentrale Ergebnisse dieser Befragung?

Wenn nein, warum nicht?

3. Welche Erkenntnisse haben sich dabei ergeben, und welche Schlussfolge-
rungen zieht die Bundesregierung daraus?

4. Inwieweit sind die Altaktenbestände des BND mittlerweile aufgearbeitet,
wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Aufwand für eine voll-
ständige Aufarbeitung, und wie viel Arbeitszeit wird derzeit auf die Auf-
arbeitung verwendet?

5. Ist diese Aufarbeitung dem BND überlassen oder externem Personal, um
etwaige Vernichtung von Beweisstücken, die den BND belasten könnten, zu
erschweren?

6. Wie erklärt es die Bundesregierung, dass trotz des Beschlusses, die Stay-be-
hind-Organisation bis 1972 aufzulösen, noch Ende der 1990er-Jahre Depots
der Alliierten gefunden worden sind?

a) Um wie viele Depots welcher Alliierten handelt es sich dabei?

b) Was war der Inhalt dieser Depots?

c) Wo haben sie sich befunden?

d) Wer hat diese Depots gefunden?

e) Hat die Bundesregierung von den Alliierten eine Erklärung verlangt,
warum sie ihre Depots nicht bis 1972 aufgelöst hatten?

Wenn ja, welche Erklärung wurde jeweils von welchen Alliierten ge-
geben?

Wenn nein, warum nicht?

f) Wie kann die Bundesregierung ausschließen, dass nicht auch heute noch
unentdeckte Depots existieren?

7. War der BND neben dem Allied Coordinating Committee (ACC) auch im
Allied Clandestine Committee (ACC) vertreten (vorausgesetzt, es handelt
sich hierbei um verschiedene Gremien)?

8. Hat die Bundesregierung versucht, von der NATO oder ihren NATO-Part-
nern Aufklärung darüber zu erhalten, ob die beiden als ACC bezeichneten
Gremien identisch waren?

Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Wenn nein, warum nicht?

9. Dauert der Prüfvorgang des Generalbundesanwalts gegenwärtig noch an
oder ist er beendet, und wenn er beendet ist, mit welchem Ergebnis?

10. Hält die Bundesregierung ihren Verweis auf die Zuständigkeit der histo-
rischen Forschung und ihre Aussage, sie habe keine Notwendigkeit dafür
gesehen, sich mit dem Themenkomplex weiter zu befassen, für einen an-
gemessenen Umgang mit dem Problem allfälligen Staatsterrorismus und
einer allfälligen deutschen Beteiligung daran?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14772

11. An welchen Übungen hat sich die Stay-behind-Organisation des BND be-
teiligt (bitte, soweit nach gegenwärtigem Stand der Aktenaufbereitung
möglich, unter Angabe des Ortes, der Übungspartner und des Themas bzw.
Zwecks der Übung vollständig auflisten)?

Berlin, den 17. September 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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