BT-Drucksache 17/14613

Bilanz der Bundesregierung auf dem Gebiet der Geldwäschebekämpfung und -prävention

Vom 22. August 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14613
17. Wahlperiode 22. 08. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Richard Pitterle, Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Harald Koch
und der Fraktion DIE LINKE.

Bilanz der Bundesregierung auf dem Gebiet der Geldwäschebekämpfung
und -prävention

Im Rahmen der Geldwäsche wird Schwarzgeld aus illegalen Geschäften in den
legalen Wirtschaftskreislauf eingeschleust. Hauptsächlich wird dabei schwarzes
Geld innerhalb des Sektors der Organisierten Kriminalität produziert, z. B. über
Drogen-, Menschenhandel, Prostitution, Autoschieberei oder Anlagebetrug.
Daneben sind auch Steuerdelikte Vortaten für Geldwäsche, wenn beispielsweise
hinterzogenes Einkommen in den offiziellen Geldkreislauf zurückgebracht und
gereinigt wird, um es gefahrlos einsetzen zu können. Geldwäsche bedroht die
Wirtschaft, Gesellschaften, Staaten und fördert die Organisierte Kriminalität.

Bei einer vergleichenden Bewertung der 17-Euro-Länder hinsichtlich der Ein-
haltung der Empfehlungen der Financial Action Task Force (FATF) zur Be-
kämpfung der Geldwäsche schnitt Deutschland, wie Anfang des Jahres 2013
bekannt wurde, mit Platz 14 ausgesprochen schlecht ab (vgl. EurActiv vom
14. Februar 2013, „Geldwäsche: Das Dilemma mit der EU-Kommission“). Der
Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, sagte dem „Handelsblatt“
schon im April 2012, dass Geldwäsche in Deutschland zu einfach sei (Handels-
blatt, 12. April 2012, S. 14). Problematisch ist die weiterhin zersplitterte Zustän-
digkeit für die Beaufsichtigung des Nichtfinanzsektors, die von der Ebene der
Stadtverwaltung, in einigen Ländern und einzelnen Branchen, über Bezirks-
regierungen bzw. Regierungspräsidien, mit je nach Gewerbe ebenfalls unter-
schiedlicher Zuständigkeit, bis hin zu entweder Innen-, Wirtschafts-, Finanz-
und Arbeitsministerien in verschiedenen Bundesländern reicht. Es stellt sich die
Frage, wie die Bundesregierung angesichts dieser Bedingungen auch mit Blick
auf die bevorstehenden Harmonisierungsprozesse im Zuge der vierten EU-Geld-
wäscherichtlinie eine wirksame Geldwäscheprävention und -bekämpfung, die
ihren Namen verdient, gewährleisten will.

Nicht zuletzt ist die Prioritätensetzung der Bundesregierung bei der Bekämp-
fung der internationalen Kriminalität und der Ausrichtung von Geheimdienst-
aktivitäten von Interesse. Im Zusammenhang der gegenwärtigen Debatte um die
Verstrickungen mit dem US-amerikanischen Geheimdienst NSA und der Nut-
zung des Spähprogramms PRISM ist diese Auseinandersetzung gegenwärtig

Gegenstand von Zeitungsberichten (stern Online, 24. Juli 2013, URL www.
stern.de/politik/deutschland/rolle-der-deutschen-in-der-nsa-affaere-schaeubles-
musterschueler-beschnueffeln-die-buerger-2042159.html). Dabei stellt sich
grundlegend die Frage, ob für eine zielführende Bekämpfung der Geldwäsche
geheimdienstliche Kollaborationen überhaupt notwendig sind oder zur Schaf-
fung eines breiten Bewusstseins und Compliance im Sinne einer zielführenden

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Geldwäschebekämpfung in Bereichen der Wirtschaft, des Finanz- und Nicht-
finanzsektors mit kontraproduktiven Wirkungen verbunden sind.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Fälle von Organisierter Kriminalität und Geldwäsche konnten durch
PRISM aufgedeckt werden (vgl. Bundesminister des Innern Dr. Hans-Peter
Friedrich im ZDF-Interview am 12. Juli 2013, www.heute.de/Friedrich-US-
Sp%C3%A4hprogramm-hat-edlen-Zweck-28807084.html)?

Bitte aufschlüsseln

a) zu welchen Beträgen,

b) in welchen Ländern,

c) Vortat – Geldwäsche mit welchem dahinterstehenden Verbrechen?

2. Hat die Bundesregierung Kenntnis von Berichten, wonach Online-Glück-
spiel-Internetseiten in Deutschland (bzw. in Deutschland registrierte Seiten)
gezielt zur Gelwäsche von mafiösen Organisationsstrukturen genutzt wer-
den, Onlinespielbörsen (etwa von der italienischen Mafia) zu diesem Zweck
teilweise gezielt aufgekauft oder genutzt werden?

3. Mit welchen Konsequenzen ist die Bundesregierung dahingehenden Hinwei-
sen beispielsweise seitens des Bundeskriminalamtes (Deutsche Welle vom
27. Januar 2013, „Wie die Mafia Geld wäscht“) oder anderweitigen Hin-
weisgebern nachgegangen (vgl. Testimony of Chuck Canterbury, National
President, Fraternal Order of Police on „The Expansion of Internet Gam-
bling: Assessing Consumer Protection Concerns“ before the Subcommittee
on Consumer Protection, Product Safety and Insurance, Committee on
Commerce, Science and Transportation, United States Senate, 17 July 2013,
S. 6 f.)?

4. Inwieweit und auf welche Art und Weise wird das Risiko- und Gefahren-
potential des Onlineglückspiels innerhalb der internationalen Prävention und
Bekämpfung der Geldwäsche thematisiert und operationalisiert, und sieht die
Bundesregierung hier Nachholbedarf?

5. Welche Vorschläge werden auf Ebene der EU-Ratsarbeitsgruppe in Konkre-
tisierung der vierten Anti-Geldwäscherichtlinie zur Beseitigung von Schlupf-
löchern und Unzulänglichkeiten in den derzeitigen EU-Vorschriften ins-
besondere in Hinblick auf den Bereich des Onlineglückspiels gegenwärtig
diskutiert, und welche Position nimmt die Bundesregierung ein?

6. Welche Bilanz zieht die Bundesregierung angesichts dem für die jüngere
Vergangenheit, bis einschließlich 2009 durch die FATF dokumentierten
mangelhaften Abschneiden Deutschlands bei der Umsetzung der EU-Geld-
wäscherichtlinie (FATF-Bericht vom 19. Februar 2010) aus dem bisherigen
Wirken des Leiters der im Bundesministerium des Innern bis 2011 (u. a. für
Geldwäschebekämpfung und -prävention bis 2011) zuständigen Abteilung
Öffentliche Sicherheit, Gerhard Schindler, nunmehr Präsident des Bundes-
nachrichtendienstes (BND), und welche Erwartungen und Ziele werden an
seine künftige Tätigkeit im BND geknüpft?

7. Hat sich unter der Präsidentschaft von Gerhard Schindler die Einschätzung
des BND zu der Gefährdungslage durch Organisierte Kriminalität und Geld-
wäsche für Deutschland, Europa und die Welt seit 2012 geändert?

8. Aus welchen Gründen stehen vor allem die Gefahren eines islamistisch ge-
prägten internationalen Terrorismus, wie es auf der Internetseite des BND

heißt, im Fokus des Bundesnachrichtendienstes?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14613

9. Haben sich seit 2013 die Gefahren eines islamistisch geprägten interna-
tionalen Terrorismus absolut und in Relation zur Organisierten Kriminalität
und Geldwäsche verändert?

10. Wie ist die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und Geldwäsche im
Verhältnis zu Bekämpfung und Abwehr von internationalem Terrorismus
innerhalb des BND aufgestellt (bitte unter Angabe der zur Verfügung
stehenden Sach- und Personalmittel, Anzahl der Mitarbeitenden)?

11. Was sind die konkreten Deliktfelder der internationalen Organisierten
Kriminalität, welche der Bundesnachrichtendienst verfolgt?

12. Was beinhaltet der „geheimdienstliche“ Zuschnitt von Geldwäsche-
bekämpfung und -prävention, im Besonderen für sich genommen und im
Vergleich zur polizeilichen, kriminologischen Arbeit des Bundeskriminal-
amtes?

13. Wie viele Fälle von Organisierter Kriminalität und Geldwäsche konnten
durch den Beitrag des Bundesnachrichtendienstes aufgedeckt werden, in
welcher betraglichen Größenordnung und in welchen Ländern?

14. Wie haben sich die bei der Financial Intelligence Unit des Bundeskriminal-
amtes eingegangenen Verdachtsanzeigen auf Geldwäsche seit Neufassung
des Geldwäschegesetzes (GwG) (2008) mit Blick auf die jeweiligen Ver-
pflichteten nach § 2 Absatz 1 GwG nach aktuellsten Zahlen bis heute ent-
wickelt (bitte einzeln aufschlüsseln für die jeweiligen Verpflichteten unter
Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und
die weiteren Verpflichteten für den Nichtfinanzsektor, für Veranstalter und
Vermittler von Glücksspiel im Internet bitte die Zahlen ab Beginn der Er-
hebung)?

15. Wie erklärt die Bundesregierung den Umstand, im April 2013 und damit
rund zwei Monate nach Inkrafttreten der letzten GwG-Novellierung im
Rahmen einer Ausschreibung für ein Vergabeverfahren festzustellen, dass
die zur Erfüllung des Auftrages des Geldwäschegesetzes notwendigen In-
formationen nicht vorliegen?

(In einer am 11. April 2013 vom Bundesministerium der Finanzen (BMF)
veröffentlichten Ausschreibung stellt das Bundesministerium der Finanzen
fest, „dass das Geldwäschegesetz bereits nach jetziger Rechtslage vorsieht,
dass Verpflichtete bei der Erfüllung bestimmter Sorgfaltspflichten den kon-
kreten Umfang ihrer Maßnahmen entsprechend dem Risiko des Vertrags-
partners, der jeweiligen Geschäftsbeziehung oder der jeweiligen Trans-
aktion zu bestimmen haben (§ 3 Absatz 4 GwG). Dieser risikoorientierte
Ansatz wird mit den neuen europarechtlichen Vorgaben ausgebaut und auf
weitere Maßnahmen der Geldwäscheprävention übertragen. […] Bislang
lassen sich hinsichtlich des Umfangs der Geldwäsche in Deutschland und
der Nutzung einzelner Wirtschaftsbereiche im Nicht-Finanzsektor kaum be-
lastbaren Aussagen treffen. Solche Erkenntnisse sind jedoch erforderlich,
um die präventiven Maßnahmen zur Verhinderung der Geldwäsche nach
dem Geldwäschegesetz (GwG) risikoorientiert aussteuern zu lassen,“ Aus-
schreibung abrufbar unter http://ausschreibungen-deutschland.de/105264_
1_Forschungsauftrag_2013_Berlin).

16. Bis wann sind Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäsche-
gesetz für den Nichtfinanzsektor zu erwarten?

17. Wenn nach der Einschätzung des Bundeministeriums der Finanzen (gemäß
Ausschreibungstext) keine Aussagen getroffen werden können und keine
Erkenntnisse vorliegen, wie sollen die nach dem Geldwäschegesetz Ver-

pflichteten ihrer Aufgabe nachkommen?

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18. Obwohl die notwendigen Informationen für die nach dem Geldwäsche-
gesetz Verpflichteten nach der Einschätzung des Bundesministeriums der
Finanzen nicht vorliegen, werden nach Pressemitteilungen einiger Auf-
sichtsbehörden die Verpflichteten bereits geprüft (Stellungnahme des BMF
an den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages vom 20. März 2013,
„Vollzug des Geldwäschegesetzes in den Ländern“, Anlage 1, na pressepor-
tal, Meldung vom 25. Juli 2012, URL www.presseportal.de/pm/8327/2295
012/schaerfere-kontrollen-auf-geldwaesche-erste-kontrollen-in-hessen-und-
baden-wuerttemberg), was ist dann der Maßstab der Prüfung, und wie ist
dies mit Grundsätzen der Rechtssicherheit in Einklang zu bringen?

19. Welche Risikoannahmen lagen den GwG-Novellierungen zugrunde, wenn
keine belastbaren Informationen vorlagen?

20. Welche Schritte werden von der Bundesregierung erwogen bzw. sind in-
zwischen in die Wege geleitet, um auf Ebene der Gesetzgebung, Aufsicht
und verpflichteten Unternehmen dem künftig weiter auszubauenden risiko-
orientierten Ansatz einer kommenden EU-Richtlinie zu genügen?

Wie ist dabei der Stand der in diesem Rahmen vorzunehmenden umfassen-
den Risikoanalysen für alle betroffenen Branchen, d. h. wie steht es um die
Auswertung verlässlicher statistischer Aussagen, um, wie angestrebt,
„maßgeschneiderte“ und fallgruppenorientierte Maßnahmen ergreifen zu
können?

21. Welche Position vertritt die Bundesregierung im Hinblick auf die neue Anti-
Geldwäscherichtlinie und dem Vorschlag, den Kreis der Verpflichteten auf
das Offlineglückspiel zu erweitern, d. h. Spielhallen in den Kreis der Ver-
pflichteten einzubeziehen?

22. Wie verhalten sich nach Kenntnis der Bundesregierung der Bundesrat und
die Länder in der Frage der Erweiterung des Kreises der Verpflichteten um
das Offlineglücksspiel, und welches sind die Fortschritte in Hinsicht der Be-
mühungen der Bundesregierung, einschließlich die Ergebnisse des hierzu
tagenden Bund-Länder-Arbeitskreises zu einer einheitlichen Position zu
gelangen (bitte auch einzelne Treffen des Bund-Länder-Arbeitskreises mit
jeweiligen Tagungsergebnissen aufführen)?

23. Wie ist der aktuelle Stand der Verhandlungen des Normtextes der Richt-
linie in punkto Einbezug der Spielhallen in den Kreis der Verpflichteten,
und welcher weitere Handlungs- und Regelungsbedarf ergibt sich hier-
durch für die Bundesregierung?

24. Welche Erkenntnisse hat die BaFin inzwischen aus der Prüfung von Fällen
bei der Deutschen Bank AG erlangt, wonach die Bank verdächtige Trans-
aktionen zu spät an die Polizei gemeldet habe („Waschtag bei der Deut-
schen Bank“, WELT am SONNTAG vom 18. August 2013)?

25. Wie ist für den sog. Finanzsektor bei grenzüberschreitenden Sachverhalten
die Praxis zur Meldung und weiteren Prüfung von Geldwäsche-Verdachts-
fällen gegenwärtig geregelt, bzw. an welche Meldestelle für Geldwäsche-
Verdachtsfälle (sog. FIUs – Financial Intelligence Units) ist eine Ver-
dachtsanzeige von grenzüberschreitenden Sachverhalten zu richten?

26. Welche Position vertritt die Bundesregierung im Zusammenhang der Ab-
stimmungen auf europäischer Ebene in der Frage, zur Meldung von Ver-
dachtsfällen bei Cross-border-Sachverhalten (im Finanzsektor), grenzüber-
schreitend Sanktionen zu ermöglichen, und wie ist der aktuelle Stand in
Anbetracht der Errichtung von dahingehenden Verfahren?

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27. Wird Geldwäscheprävention im Finanzsektor auf Ebene der ESAS (euro-
päischen Aufsichtsbehörden) im Zuge des europäischen Aufsichtsmecha-
nismus künftig auch bei den Aufgaben, die der Europäischen Zentralbank
übertragen werden, eine Rolle spielen?

Sofern ja, welche Überlegungen wurden hier getroffen, welche Position
vertritt die Bundesregierung, und wie ist der Stand der Umsetzung?

Berlin, den 22. August 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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