BT-Drucksache 17/14524

Rechtsextremismus im ländlichen Raum

Vom 8. August 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14524
17. Wahlperiode 08. 08. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Willi Brase, Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Michael Hartmann
(Wackernheim), Daniela Kolbe (Leipzig), Christine Lambrecht, Caren Marks,
Thomas Oppermann, Sönke Rix, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion
der SPD

Rechtsextremismus im ländlichen Raum

Ländliche Räume können als Kristallisationspunkte für rechtsextreme Struk-
turen dienen. Wenn Rechtsextreme dort weniger Gegenwehr erfahren als in
Städten, wo es vielfach bereits gut etablierte zivilgesellschaftliche Strukturen
gibt, dann kann schnell die Bildung jugendkultureller Formationen wie Kame-
radschaften und lose Cliquen, die Etablierung einer rechten Musikszene, die
Schaffung logistischer Zentralpunkte sowie – im schlimmsten Fall – eine Ver-
netzung zwischen Jugendkultur und dem organisierten Rechtsextremismus er-
folgen.

Darüber hinaus ist eine zunehmende Durchdringung und Infiltrierung von
Sportvereinen und freiwilligen Feuerwehren durch Rechtsextreme im länd-
lichen Raum zu beobachten. Dadurch geschaffene Netzwerke und deren Aktivi-
täten haben zu einer verstärkten Präsenz der extremen Rechten im Alltag
geführt, die sich vor allem um die Rekrutierung von Kindern und Jugendlichen
bemüht.

Ziel staatlichen Handelns und der Zivilgesellschaft muss die Stärkung einer
demokratischen Kultur und des zivilgesellschaftlichen Engagements sowie die
Förderung von Toleranz und Empathie vor allem bei jungen Menschen in struk-
turschwachen Regionen sein.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Nutzung des länd-
lichen Raums als Aktivitätsgebiet von Rechtsextremisten und Neonazis?

2. Wie viele polizeilich bekannte Mitglieder und Anhänger der rechtsextremis-
tischen Szene haben nach Erkenntnis der Bundesregierung in den letzten
fünf Jahren ihren Wohnsitz von der Stadt in den ländlichen Raum verlegt
(bitte nach Jahren und Bundesländern aufschlüsseln)?

3. Wie haben sich nach Informationen der Bundesregierung die Zahlen von

politisch motivierten Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund im länd-
lichen Raum in den vergangenen fünf Jahren entwickelt (bitte nach Bundes-
ländern aufschlüsseln)?

Drucksache 17/14524 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. In welchen Städten und Gemeinden sind nach Erkenntnissen der Bundes-
regierung in den vergangenen fünf Jahren die meisten politisch motivierten
Straftaten je 1 000 Einwohnerinnen/Einwohner mit rechtsextremem Hinter-
grund verübt worden (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

5. Inwieweit sind der Bundesregierung spezifische Gemeinden im ländlichen
Raum bekannt, die als Ansiedlungsschwerpunkte für Neonazis und andere
Rechtsextremisten zu charakterisieren sind, und welche sind dies?

6. Welche Informationen hat die Bundesregierung über rechtsextreme Struk-
turen und entsprechende Aktivitäten in Jamel, Hoppenrade und Koblentz
(alle Mecklenburg-Vorpommern), und wie bewertet die Bundesregierung
diese Informationen?

7. Welche Informationen hat die Bundesregierung über die Organisation und
Durchführung von Dorf-, Familien- und Kinderfesten durch die Rechts-
extremen- und Neonaziszene?

a) Welche regionalen Schwerpunkte sind der Bundesregierung in diesem
Zusammenhang bekannt?

b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus diesen Infor-
mationen?

8. Welche Informationen hat die Bundesregierung über Immobilien, die zu
Veranstaltungszwecken der Rechtsextremen- und Neonaziszene genutzt
werden, und welche Immobilien betrifft dies im Detail (bitte nach Bundes-
ländern auflisten)?

9. Über welche Daten verfügt die Bundesregierung im Zusammenhang mit
hochfrequentierten Veranstaltungsorten der rechten Musikszene (bitte die
Veranstaltungsorte nach Bundesländern auflisten)?

10. Welche dieser Orte wurden nach Informationen der Bundesregierung in den
vergangenen fünf Jahren am häufigsten für rechtsextreme Musikveranstal-
tungen genutzt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

11. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Durchdringung und
Unterwanderung von Sportvereinen im ländlichen Raum durch Rechts-
extreme, und wie bewertet die Bundesregierung die aktuelle Situation in
diesem Zusammenhang?

12. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Durchdringung und
Unterwanderung von freiwilligen Feuerwehren im ländlichen Raum durch
Rechtsextreme, und wie bewertet die Bundesregierung die aktuelle Situa-
tion in diesem Zusammenhang?

13. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Rechtsextremisten, die
sich im ländlichen Raum zu agrarisch orientierten Siedlungsstrukturen zu-
sammenschließen?

a) Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über regionale Ballun-
gen dieser Siedlungsstrukturen vor (bitte nach Bundesland und Land-
kreis aufschlüsseln)?

b) Wie bewertet die Bundesregierung diese Siedlungsstrukturen?

14. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Rechtsextremisten in
Gemeindevertretungen und Stadtparlamenten (bitte nach Bundesländern,
Anzahl der Gemeinden und Mandaten aufschlüsseln)?

15. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, wonach Rechtsextremisten
verstärkt versuchen, in Gemeindevertretungen einzuziehen, und wenn ja,

wo?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14524

16. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Entwick-
lung der Anzahl rechtsextremer Mandatsträger im ländlichen Raum?

17. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, wonach Rechtsextremisten
verstärkt versuchen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit strate-
gisch zu nutzen, und wenn ja, wo?

18. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, dass organisierte Rechts-
extreme verstärkt im pädagogischen Bereich, zum Beispiel als Erziehe-
rinnen/Erzieher, tätig sind?

Verfolgt die rechtsextreme Szene nach Erkenntnissen der Bundesregierung
ein strategisches Ziel?

19. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, dass organisierte Rechts-
extreme in ihrer Funktion als Eltern verstärkt in Elternvertretungen von
Kindertagesstätten und Schulen aktiv sind?

Wenn ja, verbirgt sich dahinter nach Auffassung der Bundesregierung eine
politische Strategie?

20. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Zwischen-
ergebnissen des Bundesprogramms „Zusammenhalt durch Teilhabe“?

21. Welchen Stellenwert hat nach Auffassung der Bundesregierung die Rolle
der politischen Bildung im ländlichen Raum?

22. Welche Konzepte hat die Bundesregierung für die politische Bildung und
eine Stärkung demokratischer Strukturen auch und gerade im ländlichen
Raum?

23. Wie bewertet die Bundesregierung die Korrelation von wirtschaftlicher
Leistungsfähigkeit und der Ausprägung rechtsextremistischer Strukturen
im ländlichen Raum?

Berlin, den 7. August 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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