BT-Drucksache 17/14515

Neuere Formen der Überwachung der Telekommunikation durch Polizei und Geheimdienste

Vom 2. August 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14515
17. Wahlperiode 02. 08. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan Korte, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Herbert Behrens, Christine Buchholz, Inge Höger, Ulla Jelpke, Niema Movassat,
Thomas Nord, Frank Tempel, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak und der
Fraktion DIE LINKE.

Neuere Formen der Überwachung der Telekommunikation durch Polizei und
Geheimdienste

Berichte über die zunehmende Überwachung und Analyse digitaler Verkehre
untergraben das Vertrauen in die Freiheit des Internets und der Telekommunika-
tion. Aus den Antworten aus früheren Anfragen geht hervor, dass dies vor allem
den polizeilichen Bereich betrifft: Der Einsatz „stiller SMS“, so genannter
WLAN-Catcher und IMSI-Catcher nimmt stetig zu, die Ausgaben für Analyse-
software steigen ebenfalls. Auch die Fähigkeiten zur Bildersuche in Polizeida-
tenbanken werden weiterentwickelt, beispielsweise nutzt das Bundeskriminal-
amt immer häufiger die Möglichkeit der Abfrage seiner Datenbestände mittels
Aufnahmen aus Überwachungskameras. Neuere Meldungen über Fähigkeiten
in- und ausländischer Geheimdienste sind weiterer Anlass zu großer Besorgnis:
Britische, US-amerikanische, aber auch deutsche Behörden filtern den Tele-
kommunikationsverkehr und durchsuchen diesen nach Schlüsselbegriffen. Der
Bundesminister des Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, rechtfertigt diese Praxis
damit, dass es ein „Supergrundrecht“ auf Sicherheit gebe (DIE WELT, 16. Juli
2013). Die Fragesteller sind demgegenüber der Ansicht, dass Grundrechte nicht
hierarchisiert werden können. Die Aussage des Bundesministers ist eine nicht
zu rechtfertigende Diskreditierung der Freiheit.

Um das gestörte Vertrauen in das Fernmeldegeheimnis wieder herzustellen for-
dern die Fragesteller die regelmäßige Veröffentlichung aller Stichworte, die von
Behörden wie dem Bundesnachrichtendienst zur Durchsuchung digitaler Kom-
munikation genutzt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Nach welchen, mehreren Tausend Suchbegriffen durchforstet der Bundes-
nachrichtendienst die digitale Telekommunikation im Rahmen seiner „Stra-
tegischen Fernmeldeaufklärung“ (Bundestagsdrucksache 17/9640)?

2. Welche Bundesbehörden (außer Zoll) sind derzeit technisch und rechtlich
in der Lage, an Mobiltelefone so genannte stille SMS zum Ausforschen

des Standortes ihrer Besitzer oder dem Erstellen von Bewegungsprofilen zu
verschicken, und wie oft wurden die Maßnahmen im Vergleich zur Antwort
auf die Schriftliche Frage 14 des Abgeordneten Andrej Hunko auf Bundes-
tagsdrucksache 17/8102 im Jahr 2012 sowie dem ersten Halbjahr 2013 von
den jeweiligen Behörden jeweils vorgenommen (bitte auch die jährliche
Gesamtzahl der verschickten „Ortungsimpulse“ nennen)?

Drucksache 17/14515 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Sofern für den Militärischen Abschirmdienst (MAD) weiterhin keine An-
gaben gemacht werden, inwiefern wird die Technik von diesem überhaupt
genutzt, in welcher Größenordnung liegt deren Anwendung und in welchen
Bereichen wird diese eingesetzt?

4. Welche Zollbehörden sind derzeit technisch und rechtlich in der Lage, an
Mobiltelefone so genannte stille SMS zum Ausforschen des Standortes
ihrer Besitzer oder dem Erstellen von Bewegungsprofilen zu verschicken,
und wie oft wurden die Maßnahmen im Vergleich zur Antwort auf die
Schriftliche Frage 14 des Abgeordneten Andrej Hunko auf Bundestags-
drucksache 17/8102 im Jahr 2012 sowie dem ersten Halbjahr 2013 von den
jeweiligen Behörden jeweils vorgenommen (bitte auch die jährliche
Gesamtzahl der verschickten „Ortungsimpulse“ nennen und nach Zoll-
kriminalamt und einzelnen Zollfahndungsämtern aufschlüsseln)?

5. Mit welchen Anwendungen (Hard- und Software) welcher Hersteller
werden die „stillen SMS“ gegenwärtig versandt, und welche Änderungen
haben sich hierzu in den letzten Jahren ergeben?

6. Welche Bundesbehörden haben seit 2007 wie oft „IMSI-Catcher“ ein-
gesetzt (bitte nach einzelnen Jahren aufschlüsseln und auch für das erste
Halbjahr 2013 angeben)?

7. Für welche deutschen Firmen bzw. Lizenznehmer ausländischer Produkte
wurden seitens der Bundesregierung seit 2011 Ausfuhrgenehmigungen für
so genannte IMSI-Catcher in welche Bestimmungsländer erteilt (Antwort
auf die Schriftliche Frage 60 des Abgeordneten Andrej Hunko auf Bundes-
tagsdrucksache 17/8102)?

8. Wie viele TKÜ-Maßnahmen nach richterlicher Anordnung hat das Bundes-
kriminalamt seit 2007 durchgeführt (bitte anders als auf Bundestagsdruck-
sache 17/8544 nach einzelnen Jahren aufschlüsseln und auch das erste
Halbjahr 2013 aufführen)?

9. Welche Bundesbehörden betreiben an welchen Standorten und in welchen
Abteilungen eigene Server zum Ausleiten bzw. Empfangen von Daten aus
der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) durch Betreiber von Tele-
kommunikationsanlagen?

10. Welche „technische[n] Einrichtungen (Computersysteme)“ sind in der Bun-
destagsdrucksache 17/8544, Antwort der Bundesregierung zu Frage 4d,
konkret gemeint, welche Produkte welcher Firmen werden hierfür genutzt,
und welche Kosten sind für Beschaffung und Betrieb seit 2007 entstanden?

11. Inwiefern sind die Gesamtkosten von Auskunftsersuchen für TKÜ seit
2012 weiter gestiegen, und worin liegt der Grund für den Anstieg seit 2007
(Bundestagsdrucksache 17/8544)?

12. Hält die Bundesregierung weiterhin an ihrer Aussage fest, dass Bundesbe-
hörden keine einzelnen Metadaten in großen Internetknoten wie DE-CIX
filtern, obwohl dies vom Abhördienstleister und Zulieferer deutscher Be-
hörden Utimaco berichtet wird (Utimaco LIMS Whitepaper „Elemente
einer modernen Lösung zur gesetzeskonformen Überwachung von Tele-
kommunikationsdiensten“)?

13. Falls die Bundesregierung nicht an ihrer Aussage festhält, inwiefern und
auf welche Weise wird der Internetknoten DE-CIX bzw. andere entspre-
chende Schnittstellen von Glasfaserkabeln durch welche Bundesbehörden
überwacht?

14. Wie oft haben welche Bundesbehörden seit 2012 von „WLAN-Catchern“

Gebrauch gemacht, und inwiefern ist ihr Einsatz seit 2007 angestiegen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14515

15. Kann die Bundesregierung, obwohl sie keine Statistiken über die Anwen-
dung der Funkzellenauswertung führen will, für ihre einzelnen Behörden
zumindest Angaben über die ungefähre Größenordnung ihrer Anwendung
seit 2012 (analog zu Bundestagsdrucksache 17/8544: etwa 1 bis 10 pro Jahr,
50 bis 100 pro Jahr, über 100 pro Jahr), um nachzuvollziehen, ob diese
gegenüber den Angaben in der besagten Bundestagsdrucksache zu- oder ab-
nehmen?

16. Welche Funkzellenabfragen wurden dem Generalbundesanwalt beim
Bundesgerichtshof seit 2012 vom Ermittlungsrichter gestattet, und im Zu-
sammenhang mit welchen Ermittlungen fanden diese statt?

17. Welche weiteren Hersteller haben seit 2011 (Antwort auf die Schriftliche
Frage 15 des Abgeordneten Andrej Hunko auf Bundestagsdrucksache
17/8102) an polizeiliche oder geheimdienstliche Bundesbehörden Software
zur computergestützten Bildersuche bzw. zu Bildervergleichen (auch test-
weise) geliefert, nach welchem Verfahren funktioniert diese, wo wird diese
jeweils genutzt, bzw. welche Nutzung ist anvisiert, welche konkreten
Behörden bzw. deren Abteilungen sind bzw. wären darüber zugriffsberech-
tigt, und in welchen Ermittlungen kommen bzw. kämen diese im Einzel-
oder Regelfall zur Anwendung (bitte mit Beispielen erläutern)?

18. Welche Kosten sind für Tests oder Beschaffung entsprechender Software
zur computergestützten Bildersuche bzw. zu Bildervergleichen seit 2007
entstanden (bitte für die einzelnen Jahre aufschlüsseln)?

19. Auf welche Datensätze kann die Software „Cognitec“ zugreifen, nach wel-
chem Verfahren funktioniert diese, wo wird diese jeweils genutzt, welche
konkreten Behörden bzw. deren Abteilungen sind darüber zugriffsberech-
tigt, und inwiefern kann die Bundesregierung mitteilen, ob ihre Anwendung
in den letzten Jahren zu- oder abnimmt?

20. Auf welche Datensätze kann die Software „DotNetFabrik“ zugreifen, nach
welchem Verfahren funktioniert diese, wo wird diese jeweils genutzt,
welche konkreten Behörden bzw. deren Abteilungen sind darüber zugriffs-
berechtigt, und inwiefern kann die Bundesregierung mitteilen, ob ihre An-
wendung in den letzten Jahren zu- oder abnimmt?

21. Worum handelt es sich bei der „von Interpol zur Verfügung gestellte Soft-
ware im Zusammenhang mit der von Interpol eingerichteten Bilddatenbank
Kinderpornografie“ (Bundestagsdrucksache 17/8102), auf welche Daten-
sätze kann diese Software zugreifen, nach welchem Verfahren funktioniert
diese, wo wird diese jeweils genutzt, welche konkreten Behörden bzw.
deren Abteilungen sind darüber zugriffsberechtigt, und inwiefern kann die
Bundesregierung mitteilen, ob ihre Anwendung in den letzten Jahren zu-
oder abnimmt?

22. Auf welche Datensätze kann die Software „L1 Identity Solutions“ zu-
greifen, nach welchem Verfahren funktioniert diese, wo wird diese jeweils
genutzt, welche konkreten Behörden bzw. deren Abteilungen sind darüber
zugriffsberechtigt, und inwiefern kann die Bundesregierung mitteilen, ob
ihre Anwendung in den letzten Jahren zu- oder abnimmt?

23. Welche Software welcher Hersteller kommt bei Bundesbehörden zur krimi-
nalpolizeilichen Vorgangsverwaltung und Fallbearbeitung zur Anwendung
(bitte nach Vorgangsbearbeitung und kriminalistischer Fallbearbeitung auf-
schlüsseln), bzw. inwiefern haben sich gegenüber der Bundestagsdruck-
sache 17/8544 hierzu Änderungen, insbesondere zu genutzten „Zusatz-
modulen“ ergeben?

Drucksache 17/14515 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

24. Welche Kosten sind den Bundesbehörden im Einzelfall und unter Berück-
sichtigung der Arbeitszeit innerhalb der Behörde für die Beschaffung, An-
passung, den Service und die Pflege der Software gegenüber der Aufstel-
lung auf Bundestagsdrucksache 17/8544 seit 2012 entstanden?

25. Welche weiteren Produkte der Firma rola Security Solutions (auch Zusatz-
module) wurden seit 2012 für welche Behörden und welche Einsatz-
zwecke beschafft, und welche neueren Errichtungsanordnungen existieren
für deren Einsatz?

26. Inwiefern und wofür werden Anwendungen von rola Security Solutions
auch bei In- und Auslandsgeheimdiensten der Bundesregierung genutzt?

27. Welche neueren Details kann die Bundesregierung zur endgültigen Ein-
richtung des Kompetenzzentrums Informationstechnische Überwachung
(CC ITÜ) mitteilen?

28. In welcher Höhe ist das CC ITÜ im Jahr 2013 mit Finanzmitteln ausgestat-
tet worden, und wie ist der Haushaltansatz für das Jahr 2014?

29. Wie verteilen sich die Finanzmittel für die Beschaffung bzw. Program-
mierung von Computerspionageprogrammen (staatliche Trojaner) sowie
andere Soft- und Hardware zur „informationstechnischen Überwachung“,
und um welche Anwendungen handelt es sich dabei konkret?

30. Welche Akteure (Ämter, Behörden, Institute, Firmen, Stiftungen etc.) wer-
den in deren Entwicklung und Anwendung eingebunden?

31. Was ergab die Prüfung des Quellcodes beschaffter Trojaner-Programme,
und welche Schlüsse zieht die Bundesregierung daraus?

32. Wie ist eine Kontrolle des CC ITÜ inzwischen vorgesehen, und welche
Rolle spielt das auf Bundestagsdrucksache 17/8544 angegebene „Experten-
gremium“?

33. Welche Software zur Überwachung, Ausleitung, Analyse und Verarbeitung
ausgeforschter digitaler Kommunikation kommt bei den In- und Auslands-
geheimdiensten der Bundesregierung zur Anwendung, und welche Angaben
kann die Bundesregierung zu deren Funktionsweise machen?

34. Welche Bundesbehörden haben in der Vergangenheit welche Geschäfte mit
der Gesellschaft für technische Sonderlösungen KG (GTS) sowie der AIM
GmbH getätigt (bitte die Produkte und deren Funktionalität angeben)?

35. Welche Bundesbehörden haben in der Vergangenheit welche Geschäfte mit
welchen anderen Firmen des Geschäftsführers der Gesellschaft für techni-
sche Sonderlösungen (GTS) getätigt (bitte die Produkte und deren Funktio-
nalität angeben)?

36. Bei welchen Behörden wird die Software „Netwitness“ bzw. vergleichbare
Anwendungen der gleichen Firma, die unter anderem Namen vermarktet
werden, eingesetzt, auf welche Datensätze wird dabei zugegriffen, und
nach welchen Verfahren werden diese durchsucht (Bundestagsdrucksache
17/8544)?

37. Inwiefern treffen Berichte zu, dass Produkte der Firmen Narus und Polygon
sowie die Software „X-Keyscore“ eingesetzt werden (Magazin FAKT,
16. Juli 2013/Süddeutsche Zeitung, 21. Juli 2013)?

38. Inwiefern treffen Berichte zu, wonach der Bundesnachrichtendienst (BND)
von der US-amerikanischen NSA den Quellcode zum Abhörprogramm
„Thin Thread“ bzw. einer vergleichbaren Anwendung erhielt (http://netz-
politik.org/2013/nsa-whistleblower-william-binney-bnd-erhielt-von-nsa-

quellcode-des-abhor-und-analyseprogramms-thinthread/), und über welche
Besonderheiten verfügt die Software?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/14515

39. Welchen Zwecken dient nach Kenntnis der Bundesregierung der Einsatz
von Produkten der Firmen Narus und Polygon sowie der Software
„X-Keyscore“ und „Thin Thread“, und auf welche Datensätze wird über
welche Kanäle zugegriffen?

40. Welche Funktionsweise haben die Anwendungen?

41. Inwieweit befassen sich auch die Treffen der Gruppe der Sechs (G6), an
denen auf Betreiben des damaligen Bundesinnenministers Dr. Wolfgang
Schäuble seit dem Jahr 2006 auch die USA teilnehmen, mit der geheim-
dienstlichen Überwachung der Telekommunikation?

42. Welchen Inhalt hatte das „EU-US Law-enforcement Meeting“ vom
15./16. April 2013, und welche Personen der Bundesregierung oder anderer
deutscher Einrichtungen nahmen mit welchen Beiträgen daran teil?

43. Welche Themen wurden diskutiert, und wer hatte diese jeweils vorgeschla-
gen bzw. vorbereitet?

44. Welche Ergebnisse bzw. welcher Zwischenstand folgte aus den Beratungen
und Diskussionen?

45. Welche Treffen zwischen welchen Behörden der USA und der Bundes-
regierung haben 2012 und 2013 auf Ministerebene bzw. zwischen Staats-
sekretären stattgefunden, in denen die geheimdienstliche Überwachung der
Telekommunikation bzw. der Austausch daraus folgender Erkenntnisse
erörtert wurde, wann fanden die Treffen statt, und welches Ergebnis zeitig-
ten diese?

46. Welche ausländischen und deutschen Behörden sowie sonstige deutschen
Teilnehmerinnen/Teilnehmer haben nach Kenntnis der Bundesregierung
am Treffen der „Hochrangigen Expertengruppe“ (EU/US High level expert
group) am 22. und 23. Juli 2013 in Vilnius teilgenommen, und welche aus
Sicht der Bundesregierung besonderen Ergebnisse zeitigte die Veranstal-
tung?

Wann und wo finden welche Folgetreffen statt?

47. Inwiefern entspricht die Aussage des Bundesinnenministers, dass es ein
„Supergrundrecht“ auf Sicherheit gebe, auch der Haltung der Bundesregie-
rung (DIE WELT, 16. Juli 2013)?

Berlin, den 2. August 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.