BT-Drucksache 17/14502

Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an Veranstaltungen in Gebäuden des Bundes

Vom 2. August 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14502
17. Wahlperiode 02. 08. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Heidrun Dittrich, Katja Kipping, Kathrin Vogler,
Harald Weinberg, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an Veranstaltungen in Gebäuden
des Bundes

In Artikel 29 „Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben“ der UN-Behin-
dertenrechtskonvention heißt es: „Die Vertragsstaaten garantieren Menschen
mit Behinderungen die politischen Rechte sowie die Möglichkeit, diese gleich-
berechtigt mit anderen zu genießen, und verpflichten sich,

a) sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit
anderen wirksam und umfassend am politischen und öffentlichen Leben teil-
haben können …

b) aktiv ein Umfeld zu fördern, in dem Menschen mit Behinderungen ohne
Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderen wirksam und umfassend
an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten teilhaben können … “.

In den Bundesministerien und weiteren Gebäuden des Bundes finden eine Viel-
zahl von Aktivitäten mit Gästen statt. Dazu gehören Konferenzen, Events aller
Art („Staatsbesuche“, zum Beispiel am 24./25. August 2013 in Berlin/Tage der
offenen Tür), Anhörungen und Gespräche, Führungen von Besuchergruppen.
Notwendig ist das Wissen, wie viele Menschen (Beschäftigte und Gäste) sich
gleichzeitig in Gebäuden und Teilen von Gebäuden aufhalten können und was
in Brand- und anderen Gefahrensituationen zu tun ist, um alle Menschen, auch
die mit Mobilitätseinschränkungen, sicher zu evakuieren. Um Menschen mit
Behinderungen aufgrund ihrer Beeinträchtigung nicht die Teilhabe an Aktivitä-
ten in Bundesgebäuden zu versagen, besteht die Notwendigkeit für zusätzliche
Maßnahmen zur Sicherheit dieses Personenkreises.

Die Problematik, vor der voraussichtlich mehrere Bundesbehörden stehen, soll
an einem Beispiel aufgezeigt werden:

Am 2. und 3. Dezember 2011 sollte erstmals – initiiert von den behinderten-
politischen Sprechern der fünf Bundestagsfraktionen und dem Bundesbeauf-
tragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen – eine Ver-
anstaltung „Menschen mit Behinderungen im Deutschen Bundestag“, insbeson-
dere im Reichtstagsgebäude, stattfinden. Dazu erhielten 299 Menschen mit Be-
hinderungen eine Einladung im Auftrag des Bundestagspräsidenten. Nachdem
sich auf diese Einladung hin über 100 Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer
anmeldeten, erfolgte mit Schreiben vom 11. Oktober 2011 eine Ausladung mit

der Begründung: „Alle Expertinnen und Experten der Bundestagsverwaltung,
der Obersten Bauaufsicht der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
und die Berliner Feuerwehr haben uns nach intensiver Prüfung mitgeteilt, dass
die Konferenz aus veranstaltungstechnischen Sicherheits- und Brandschutz-
gründen in ihrer geplanten Form nicht stattfinden darf.“ Deswegen soll die Ver-
anstaltung aufs nächste Jahr verschoben werden. Nach der Absage gab die Bun-
destagsverwaltung ein Gutachten in Auftrag. Das Ergebnis der Brandschutz-

Drucksache 17/14502 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
technischen Stellungnahme von der Müller-BBM GmbH vom 8. November
2011 lautet: „Bei einer Veranstaltung im Plenarsaal des Reichstages wären bis zu
14 Behinderte im Rollstuhl mit betrieblichen Mitteln evakuierbar.“ Dies scheint,
auch mit Blick auf den Sitzungsalltag im Reichstagsgebäude sowie dortige
Großveranstaltungen bis hin zur Bundesversammlung, viel zu gering zu sein.

Nachdem der Vertreter der Fraktion DIE LINKE. in der Kommission des Ältes-
tenrates für Bau- und Raumangelegenheiten, der Abgeordnete Dr. Ilja Seifert,
auf mehrmals gestellte Fragen in der Kommission keine befriedigenden Ant-
worten erhielt, forderte er den Kommissionsvorsitzenden, Bundestagsvizeprä-
sident Dr. Wolfgang Thierse, am 23. November 2012 schriftlich auf, über die
Möglichkeiten und Grenzen der Teilnahme von Menschen mit Behinderungen
an Veranstaltungen in Bundestagsgebäuden zu informieren. Einen Zwischenbe-
richt gab es am 11. Februar 2013: Gutachten sollen von der Bundestagsverwal-
tung in Auftrag gegeben worden sein; eine sachgerechte Information steht bis
heute aus. Inzwischen wurde auch deutlich, dass der Deutsche Bundestag nur
über eine geringe Zahl von „Escape-Chairs“, also Evakuierungshilfsmittel über
Treppen für Rollstuhlnutzer verfügt und dass auch Menschen ohne Behinderun-
gen aus Sicherheits- und Brandschutzgründen nur noch in (im Vergleich zu der
bisherigen Praxis in den vergangenen Jahren) deutlich geringerer Zahl gleichzei-
tig die Reichstagskuppel besuchen können.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Kennt die Bundesregierung das Gutachten der Firma Müller-BBM GmbH
vom 8. November 2011 mit der Brandschutztechnischen Stellungnahme zu
Veranstaltungen mit Menschen mit Behinderungen im Deutschen Bundes-
tag, und wenn ja, inwieweit stimmt sie den inhaltlichen Bewertungen zu?

2. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung vergleichbare Gutachten zu
anderen Gebäuden des Bundes?

Wenn ja, für welche Gebäude, und von wem, und wann wurden diese Gut-
achten erstellt?

3. Wie viele Personen insgesamt, darunter wie viele Rollstuhlfahrerinnen und
Rollstuhlfahrer bzw. Personen mit Mobilitätseinschränkungen, dürfen sich
gleichzeitig in den öffentlich zugänglichen Gebäuden des Bundes (mit Besu-
cherverkehr) sowie in Sitzungsräumen und anderen Veranstaltungsbereichen
(ab einer Kapazität von 50 Personen) aufhalten

a) ohne zusätzliche Maßnahmen/betriebliche Mittel,

b) mit zusätzlichen Maßnahmen/betrieblichen Mitteln

(bitte nach obersten Bundesbehörden und mit Nennung der jeweiligen Ge-
bäude aufschlüsseln)?

4. Bei welchen Gebäuden und Gebäudeteilen sieht die Bundesregierung die
Notwendigkeit für bauliche und sonstige Maßnahmen, damit Menschen mit
Behinderungen gleichberechtigt mit anderen wirksam und umfassend am
politischen und öffentlichen Leben teilhaben können?

5. Inwieweit gibt es seitens der Bundesregierung Aktivitäten, um die Ausgren-
zung von Menschen mit Behinderungen aus Sicherheits- und Brandschutz-
gründen bei (öffentlichen) Veranstaltungen aller Art in Gebäuden des Bun-
des auszuschließen?

Berlin, den 2. August 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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