BT-Drucksache 17/14380

Erneute Zunahme der Anwendung von automatisierten Kontenabfragen im Jahr 2012

Vom 11. Juli 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14380
17. Wahlperiode 11. 07. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Dr. Martina Bunge, Heidrun Dittrich, Klaus Ernst,
Ulla Jelpke, Katja Kipping, Petra Pau, Jens Petermann, Frank Tempel,
Harald Weinberg, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Erneute Zunahme der Anwendung von automatisierten Kontenabfragen
im Jahr 2012

Seit dem 1. April 2005 ist es Behörden sowie den Sozial- und Finanzämtern
oder auch den Arbeitsagenturen möglich, Kontostammdaten von Bürgerinnen
und Bürgern über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) oder die Bundes-
anstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) abzurufen. Zu den Konto-
stammdaten zählen zum einen die Kontonummer, das Eröffnungs- bzw. Auf-
lösungsdatum eines Kontos, zum anderen aber auch Name, Anschrift, Geburts-
daten, vorhandene Bausparverträge und Wertpapierdepots der Kontoinhaber.
Alle deutschen Banken und Sparkassen sind verpflichtet, diese Informationen
in einer Datenbank abzulegen und unter niedrigen datenschutzrechtlichen Stan-
dards den benannten Behörden bereitzustellen.

Ziel ist dabei die Aufdeckung bisher verschwiegener Kapitaleinkünfte, wobei
der automatisierte Kontenabruf einerseits zur Förderung von Steuerehrlichkeit
beitragen und andererseits Sozialleistungsmissbrauch, Wirtschaftskriminalität
und Schwarzarbeit eindämmen soll. Daher geraten nicht nur sogenannte Bes-
serverdiener, sondern auch Empfängerinnen und Empfänger von Sozialhilfe,
Wohngeld, Elterngeld, Unterhaltssicherung oder BAföG in das Kontrollraster
der Behörden.

Bereits im Jahr 2012 wurde bekannt (Bundestagdrucksache 17/8715), dass
Behörden den automatisierten Kontenabruf – welcher ursprünglich einmal als
Instrument zur Bekämpfung von schweren Verbrechen und Terrorismus ge-
dacht war und dessen Anwendung vom Bundesverfassungsgericht auf Ausnah-
mefälle beschränkt wurde – immer häufiger durchführen. So wurden im Jahr
2011 die Kontostammdaten von rund 63 000 Bürgerinnen und Bürgern abge-
fragt, was einen Anstieg von rund 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr 2010
bedeutet. Im Vergleich zum Einführungsjahr 2005 ließ sich damit sogar eine
Steigerung der Abfragen um circa 700 Prozent ausmachen.

Im Jahr 2012 kam es abermals zu einem Anstieg auf über 70 000 Abfragen
durch die Behörden, das ist im Vergleich zu 2010 eine Steigerung von über

25 Prozent (Neue Osnabrücker Zeitung vom 14. Mai 2013 „Behörden fragen
immer häufiger Kontodaten ab“).

Doch nicht nur die Zahl der Abfragen steigt kontinuierlich, auch der Kreis der
zur Abfrage berechtigten Behörden wird kontinuierlich ausgeweitet. Gemeinden
sind dazu gekommen und die Behörden, die für die Grundsicherung für Arbeit-
suchende und Sozialhilfe (Zweites und Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch –
SGB II und SGB XII), für Ausbildungsförderung, Wohngeld und anderes zu-

Drucksache 17/14380 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ständig sind. Ab dem 1. Januar 2013 können auch Gerichtsvollzieher dieses
Instrument nutzen.

Ganz offensichtlich ist aus einer ursprünglich zur Aufdeckung und Austrock-
nung der Geld- und Finanzströme im Zusammenhang mit dem internationalen
Terrorismus eingeführten Befugnis, wie von Kritikerinnen und Kritikern be-
fürchtet, ein alltäglich und standardmäßig angewandtes Instrument geworden.
Behörden klären inzwischen auf für sie einfachste Weise Anspruchsvoraus-
setzungen aller Art. Darüber hinaus weist der Bundesbeauftragte für den Daten-
schutz und die Informationsfreiheit (BfDI) in seinem jüngsten Tätigkeitsbericht
(24. Tätigkeitsbericht zum Datenschutz für die Jahre 2011 und 2012, S. 129)
darauf hin, dass der Stammdatensatz bereits bei einer Kontoeröffnung auto-
matisch gespeichert wird und damit einer Kontoabfrage zugänglich sei. Dies, so
die Schlussfolgerung des BfDI, komme einer anlasslosen Speicherung aller
Kontoinhaber in Deutschland gleich.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Konten wurden im Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 31. De-
zember 2012 durch die BaFin abgerufen?

2. Liegt bereits eine statistische Erfassung der von der BaFin durchgeführten
Kontenabfragen für das Jahr 2013 vor?

Wenn ja, wie viele Abfragen wurden durchgeführt?

3. Wie viele Kontenabrufe wurden durch das BZSt im Zeitraum vom 1. Januar
2012 bis zum 31. Dezember 2012 abgerufen?

4. Liegt bereits eine statistische Erfassung der vom BZSt durchgeführten Kon-
tenabfragen für das Jahr 2013 vor?

Wenn ja, wie viele Abfragen wurden durchgeführt?

5. Wie oft haben folgende Behörden oder Institutionen über die BaFin im Zeit-
raum vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2012 Kontenabfragen vor-
genommen (bitte jeweils die Gesamtzahl und aufgeschlüsselt nach den Bun-
desländern angeben)

a) die Bundespolizei und die Polizeien der einzelnen Bundesländer,

b) die Finanzbehörden,

c) die Staatsanwaltschaften,

d) die Zollbehörden,

e) sonstige (hier bitte aufschlüsseln nach den jeweiligen Behörden bzw. In-
stitutionen)?

6. Wie oft haben die folgenden Behörden oder Institutionen über das BZSt im
Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2012 Kontenabfragen
vorgenommen (bitte jeweils die Gesamtzahl und aufgeschlüsselt nach den
Bundesländern angeben)

a) die Finanzämter,

b) die Zollbehörden,

c) die Familienkassen,

d) die Arbeitsagenturen,

e) die Sozialbehörden,

f) die BAföG-Ämter,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14380

g) die Wohngeldstellen,

h) die Aufstiegsförderung,

i) das Bundesamt für Justiz,

j) sonstige (hier bitte aufschlüsseln nach den jeweiligen Behörden bzw. In-
stitutionen)?

7. Wie oft haben, nach Kenntnis der Bundesregierung, Gerichtsvollzieher seit
dem 1. Januar 2013 von der Möglichkeit des Kontoabrufs Gebrauch ge-
macht?

8. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass weitere öffentliche Stellen,
gestützt auf die Öffnungsklausel in § 93 Absatz 8 Satz 2 der Abgabenord-
nung (AO) und mögliche bundesgesetzliche Regelungen, das Instrument
des Kontoabrufs für sich reklamieren werden?

Wenn nein, welche öffentlichen Stellen haben ihr Interesse daran bekundet,
und auf welche Weise ist dieser Sachverhalt der Bundesregierung bekannt
geworden?

9. Wie schätzt die Bundesregierung die erneute Zunahme von automatisierten
Kontenabfragen ein, und welche Faktoren betrachtet sie dafür als ursäch-
lich?

10. Hat die Bundesregierung vor, dieser Entwicklung entgegenzuwirken?

Wenn ja, wie?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 11. Juli 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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