BT-Drucksache 17/14371

Stand und Probleme des Katastrophenschutzes nach der Hochwasserkatastrophe 2013

Vom 11. Juli 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14371
17. Wahlperiode 11. 07. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Tempel, Jan Korte, Dr. Rosemarie Hein, Ulla Jelpke,
Ralph Lenkert, Jens Petermann, Dr. Petra Sitte, Dr. Axel Troost und der Fraktion
DIE LINKE.

Stand und Probleme des Katastrophenschutzes nach der
Hochwasserkatastrophe 2013

Mit dem zweiten sogenannten „Jahrhunderthochwasser“ innerhalb weniger
Jahre wurde der Katastrophenschutz in Deutschland einer harten Prüfung unter-
zogen. Diese Prüfung wurde, was den Einsatz der Katastrophenhelferinnen und
-helfer betrifft, mit Bravour bestanden. Trotzdem stellen sich zahlreiche Fragen,
was die prinzipielle Aufstellung des ehrenamtlichen Katastrophenschutzes als
auch den aktuellen Ausrüstungsstand von diesem betrifft.

In vielen Regionen geht der Anteil von aktiven Helfenden gerade bei den frei-
willigen Feuerwehren als auch bei der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk
(THW) jährlich kontinuierlich zurück. Gründe liegen vornehmlich im demo-
graphischen Wandel und in der Zunahme der beruflichen Mobilität. Bereits
heute werden einzelne Ortsteilfeuerwehren geschlossen. Expertinnen und Ex-
perten warnen, dass bereits in zehn bis fünfzehn Jahren in strukturschwachen
Regionen weiße Flecken im Netz der ehrenamtlichen Strukturen entstehen
können. Diese Entwicklung ist allgemein bekannt, aber die Gegenmaßnahmen
dagegen erscheinen mehr als unzureichend.

Aus der aktuellen Hochwasserkatastrophe ergeben sich zudem Fragen der aktu-
ellen Einsatzfähigkeit des THW. Die Aussage der Bundesregierung, dass Län-
der und Kommunen die Kosten des Hochwassereinsatzes von THW und Bun-
deswehr nicht tragen müssen, ist zu begrüßen. Trotzdem sind insbesondere
beim THW erhebliche Kosten entstanden. Durch den Hochwassereinsatz 2013
verzeichnete das THW einen hohen Materialverbrauch und es ist ein erheb-
licher Verschleiß an der eingesetzten Technik zu konstatieren. Aufgrund der
hohen Zahl an geleisteten Einsatzstunden müssen in großem Maße Verdienst-
ausfälle gezahlt werden.

Außerdem wurden trotz eines mustergültigen Einsatzes Schwächen bei der per-
sönlichen Ausrüstung, der Verfügbarkeit von Spezialtechnik und der Über-
alterung des Fahrzeugparks offenbar. Ein Grund dafür sind reduzierte Haus-
haltsansätze der letzten Jahre, durch welche die Übernahme von Technik in den

Bestand der Feuerwehren und des THW unterblieb oder verzögert wurde.

Ein Beispiel hierfür ist die persönliche Einsatzausrüstung. Den Einsatzkräften
des THW stehen in ihrer Ausrüstung nur ein einziger Einsatzanzug zur Verfü-
gung. Das bedeutet, dass Einsatzkräfte in einer einwöchigen Hochwasserlage
nicht die Möglichkeit haben, verschmutzte oder kontaminierte Einsatzanzüge zu
wechseln.

Drucksache 17/14371 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Sowohl beim präventiven Hochwasserschutz, als auch im Katastrophenschutz-
einsatz wurde deutlich, dass es an einer ausreichenden bundesweiten einheit-
lichen Koordinierung fehlt.

Im jüngsten Einsatz sind erneut Defizite in der Kommunikation gegenüber der
Bevölkerung sichtbar geworden. Hochwasserstände sind nicht zentral und voll-
ständig abrufbar, ein einheitliches Informationssystem zur Warnung der Bevöl-
kerung existiert trotz intensiver Bemühungen des Bundesamtes für Bevölke-
rungsschutz und Katastrophenhilfe noch immer nicht.

Die Bundeswehr ist in einer Phase massiver Umstrukturierung begriffen. Die
Bundesregierung sieht die Bundeswehr als eine – wenn auch nachgeordnete –
Säule beim Katastrophenschutz. Der Rückgang der Mannschaftszahlen sowie
Standortschließungen werden künftig diese ohnehin zweifelhafte Annahme ad
absurdum führen. Der zielführendere Weg ist die Ausrüstung der Hilfsorganisa-
tionen mit den nötigen Mitteln zur Katastrophenhilfe.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung den Anteil ehrenamtlicher Helfenden in
den Bereichen des Katastrophenschutzes mit Blick auf die Hochwasserka-
tastrophe 2013 bezüglich

a) der Erstmaßnahmen beim Schadensereignis in den ersten sechs Stunden,

b) der Synergieeffekte durch Nutzung von Ressourcen der lokalen Wirt-
schaft und Bevölkerung,

c) der Weitergabe von Kenntnissen und Fähigkeiten im Katastrophenfall
durch das THW an freiwillige Helfende?

2. Sieht die Bundesregierung das gegenwärtige Konzept eines flächendecken-
den, ehrenamtlichen Katastrophenschutzes als dauerhaft gesichert an (bitte
Begründung anfügen)?

3. Wie bewertet die Bundesregierung den Rückgang der Zahl aktiver ehren-
amtlicher Helfenden im Katastrophenschutz?

4. In welchen Regionen besteht aus Sicht der Bundesregierung die größte
Gefahr, dass das flächendeckende, ehrenamtliche Netz des Katastrophen-
schutzes reißt?

5. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung zur Aufrechterhaltung
eines flächendeckenden, ehrenamtliche Katastrophenschutzes?

6. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um bisher unterrepräsen-
tierte Gruppen der Gesellschaft, wie Frauen und Migrantinnen und Migran-
ten, zur Mitarbeit im THW zu gewinnen?

7. Welche Maßnahmen sind aus Sicht der Bundesregierung in Regionen not-
wendig, in denen der ehrenamtliche Katastrophenschutz nicht mehr voll-
ständig gewährleistet wird?

8. Welche Investitionsmaßnahmen im Bereich der Ausrüstung des THW
waren in den letzten Jahren geplant, und welche wurden davon umgesetzt?

9. Welche Investitionsmaßnahmen wurden aus welchem Grund verschoben?

10. Welche Kosten hat der Hochwassereinsatz 2013 beim THW verursacht?

11. In welcher Höhe ist das finanzielle Budget des THW für das Jahr 2013
durch den Hochwassereinsatz zusätzlich belastet?

12. Welche Kosten sind beim THW entstanden, was den Verschleiß von Ein-

satzmitteln und der Technik betrifft?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14371

13. Wie bewertet die Bundesregierung das Vorhandensein von nur einer
persönlichen Einsatzbekleidung pro THW-Helfenden mit Blick auf den
Arbeits- und Gesundheitsschutz?

14. Wird die Bundesregierung Mittel zu einer Zweitausstattung bei der persön-
lichen Einsatzbekleidung zur Verfügung stellen (bitte Begründung anfü-
gen)?

15. Wie hoch wären die Kosten für eine komplette Ausstattung ehrenamtlicher
THW-Helfender mit einem zweiten Einsatzanzug?

16. Wie wird gewährleistet, dass die erheblichen Verdienstausfallzahlungen im
Zuge von THW-Einsätzen schnell und unkompliziert erfolgen?

17. Stellt die Bundesregierung dem THW für die im Rahmen des Hochwasser-
einsatzes entstandenen Kosten einen finanziellen Ausgleich zu Verfügung,
und wenn ja, in welcher Höhe, und für welchen konkreten Zweck?

18. Sind bei der Bewältigung der Hochwasserkatastrophe Lücken in der tech-
nischen Ausstattung des THW sichtbar geworden

a) bei Schmutzwasserpumpen,

b) bei Bereitstellungsräumen (BR),

c) bei LKW mit leistungsfähigen Ladekränen,

d) bei der Ausstattung der Fachgruppen Führung und Kommunikation,

e) bei Baggern und Bergungsräumgeräten,

f) bei der Ausstattung mit Gerätewagen (GWK 1),

g) bei der Ausstattung mit Mehrzweckkraftwagen (MzKW)?

19. Sind bei der Bewältigung der Hochwasserkatastrophe Probleme mit der
Einsatzbereitschaft von überalterter Technik oder überalterten Fahrzeugen
aufgetreten, und wenn ja, in welchem Umfang?

20. Wann sieht die Bundesregierung das THW, welches durch den hohen Ein-
satz von Verbrauchsmaterialien, technischen Verschleiß und der Überarbei-
tung der Mitarbeitenden gelitten hat, wieder als voll einsatzfähig an?

21. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag der hauptamtlichen Unter-
stützung des Ehrenamtes über die Einstellung von je einer Gerätehandwer-
kerin oder einem Gerätehandwerker in den Geschäftsstellen des THW
(bitte begründen)?

22. Welche Verbesserungsmöglichkeiten sieht die Bundesregierung in eigener
Verantwortung im Bereich des länderübergreifenden präventiven Hoch-
wasserschutzes als auch bei der Bewältigung von länderübergreifenden
Hochwasserlagen?

23. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die im jüngsten Einsatz
aus Sicht der Fragesteller erneut sichtbar gewordenen Defizite in der Kom-
munikation gegenüber der Bevölkerung bei großflächigen Schadensereig-
nissen zu minimieren?

24. Wie hoch war die Anzahl der angeforderten Soldatinnen und Soldaten
gegenüber der Bundeswehr, und wie viele Soldatinnen und Soldaten kamen
letztlich zum Einsatz?

25. Wie viele Soldatinnen und Soldaten kamen bei manuellen Aufgaben, zum
Beispiel beim Sandsackbefüllen und -verteilen, zum Einsatz?

26. Wie viele Soldatinnen und Soldaten kamen zum Bedienen von schwerer

Technik zum Einsatz?

Drucksache 17/14371 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
27. Welche Technik kam durch die Bundeswehr zum Einsatz?

28. Welche Technik kam von Seiten der Bundeswehr zum Einsatz, die von die-
ser Art dem THW nicht zur Verfügung steht?

29. Wie hoch sind die bei der Bundeswehr im Rahmen des Hochwassereinsat-
zes entstandenen Kosten?

30. Wie werden die entstandenen Kosten ausgeglichen?

Berlin, den 11. Juli 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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