BT-Drucksache 17/14115

Kulturgüterschutz stärken - Neuausrichtung des Kulturgüterschutzes in Deutschland jetzt beginnen

Vom 25. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14115
17. Wahlperiode 25. 06. 2013

Antrag
der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dorothee Bär, Dr. Reinhard
Brandl, Gitta Connemann, Michael Frieser, Reinhard Grindel, Michael Grosse-
Brömer, Monika Grütters, Ansgar Heveling, Michael Kretschmer, Dr. Günter
Krings, Maria Michalk, Stefan Müller (Erlangen), Beatrix Philipp, Christoph
Poland, Johannes Selle, Erika Steinbach, Thomas Strobl (Heilbronn), Marco
Wanderwitz, Dagmar G. Wöhrl, Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und der Fraktion
der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Reiner Deutschmann, Burkhardt Müller-Sönksen,
Sebastian Blumenthal, Patrick Kurth (Kyffhäuser), Dr. Claudia Winterstein,
Helga Daub, Lars Lindemann, Jimmy Schulz, Rainer Brüderle
und der Fraktion der FDP

Kulturgüterschutz stärken – Neuausrichtung des Kulturgüterschutzes in
Deutschland jetzt beginnen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Seit Beginn der Sammlung und Bewahrung von Kulturgütern in Bibliotheken,
Museen und Archiven bestand und besteht die Gefahr, dass die oft über Jahr-
hunderte gesammelten und bewahrten Kunst- und Kulturschätze durch Natur-
katastrophen oder durch menschengemachte Unglücke beschädigt oder kom-
plett vernichtet werden. Diese Gefahr droht auch bis in die heutige Zeit hinein.
Zu trauriger Berühmtheit gelangte hier unter anderem der Brand der Anna-
Amalia-Bibliothek in Weimar im Jahr 2004, dem allein 50 000 wertvolle Bü-
cher zum Opfer fielen und deren Wiederbeschaffungs- oder Renovierungskos-
ten 50 bis 60 Mio. Euro betragen. Ein weiteres Beispiel ist der Einsturz des
Kölner Stadtarchivs im Jahr 2009, der zwei Menschen das Leben kostete und
30 Regalkilometer mit in die Tiefe riss. Zwar konnten hier 90 Prozent der Ar-
chivalien geborgen werden. Die Restaurierung des Kulturgutes wird jedoch 30
bis 50 Jahre dauern und circa 1 Mrd. Euro kosten. Auch Hochwasser bedrohen
immer wieder Kulturgüter, so wie das Elbehochwasser 2002, dass in Dresden
und anderen Kulturstandorten neben der menschlichen Katastrophe auch Kul-
turgüter in weitem Ausmaß betroffen hat. Die Pläne zur Neuausrichtung des
Kulturgüterschutzes werden schon seit längerer Zeit diskutiert. Die neuerliche
Hochwasserkatastrophe rund um Elbe und Donau in diesem Jahr führt zu einer

neuen traurigen Aktualität dieses Antrags. Wieder einmal wird uns vor Augen
führt, wie wichtig es ist, neben der vorrangigen Not der Menschen in den be-
troffenen Flutgebieten in einem weiteren Schritt auch an die Bewahrung unse-
res Kulturgutes zu denken. Die nächsten Monate werden die Schadensbilanz
offenbaren, uns aber auch positiv erkennen lassen, in welchen Bereichen seit
2002 effektive Notfallmaßnahmen ergriffen werden konnten.

Drucksache 17/14115 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Nach den durch nationale Katastrophen der Tragweite von Weimar, Köln oder
Dresden gemachten Erfahrungen muss sich die öffentliche Hand der Frage stel-
len, wie man Katastrophen bereits im Vorfeld besser verhindern und im Scha-
densfall bestmöglich begegnen kann. Dazu sind präventive und reaktive Maß-
nahmen in Not- und Katastrophenfällen geeignet, das Ausmaß der Schäden ge-
ringer ausfallen zu lassen und den Schaden bestmöglich zu beheben. In
Deutschland existieren aus diesem Grunde bereits eine ganze Reihe von einzel-
nen Empfehlungen für die Sicherung von Kulturgut so wie den Sicherheitsleit-
faden Kulturgut, der von der Konferenz nationaler Kultureinrichtungen heraus-
gegeben wurde oder der Rahmenplan für Notfallmaßnahmen der bayerischen
Bibliotheken. Die Schweiz ist Deutschland im Bereich Kulturgüterschutz in
Not- und Katastrophenfällen bereits mehrere Schritte voraus. Dort besteht ein
umfangreicher staatlicher Katastrophenplan für Kulturgüter, der vom dortigen
Bundesamt für Bevölkerungsschutz erstellt wurde.

Deutschland verfügt bereits über einige wissenschaftliche Einrichtungen, die
sich mit konservierungstechnologischen Belangen des Kulturgüterschutzes und
weiteren Fragestellungen mit Bezug auf Denkmalschutz und Denkmalpflege
befassen, wie zum Beispiel das Rathgen-Forschungslabor der Staatlichen Mu-
seen zu Berlin, das Fraunhofer-Institut oder der Zusammenschluss der deut-
schen Forschungsinstitute in der Leibniz-Gemeinschaft. Ohne die in diesen
Einrichtungen gebündelte Expertise wäre der Kulturgüterschutz auf hohem Ni-
veau undenkbar. Das Augenmerk muss darauf liegen, diese Forschungseinrich-
tungen als essentiellen Bestandteil des Kulturgüterschutzes zu begreifen und
deren Rolle im Gesamtgefüge der Erhaltung nationalen Kulturguts entspre-
chend einzuordnen.

Im Januar 2013 ergab ein Expertengespräch unter Beteiligung von Kultur- und
Forschungseinrichtungen wie Bibliotheken, Museen und Archiven aus ganz
Deutschland, dass der Kulturgüterschutz in Deutschland deutlich verbesse-
rungswürdig sei. Im Ergebnis stand fest, dass eine den Kulturgüterschutz koor-
dinierende Stelle dringend notwendig sei, um Notfälle und Katastrophen von
Kulturgütern fernzuhalten oder professionell zu begegnen. Die Bereitschaft, an
der weiteren Ausgestaltung des Kulturgüterschutzes in Deutschland mitzuwir-
ken, kam klar zu Ausdruck.

Auch wenn die Zuständigkeit für den Kulturgüterschutz allgemein bei den Län-
dern liegt, so muss die Initialzündung für die dringend benötigte Initiative zur
Stärkung des Kulturgüterschutzes von der Bundesebene ausgehen. Der Deut-
sche Bundestag unterstützt mit Nachdruck den Beginn dieser nationalen Initia-
tive und bekennt sich damit zur Verpflichtung des Bundes, diese Initiative zum
Schutz unseres nationalen Kulturguts zu initiieren, zu unterstützen und koordi-
nierend zu begleiten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung im Rahmen der zur
Verfügung stehenden Haushaltsmittel auf,

1. in der Gesellschaft ein Bewusstsein dafür zu schaffen und zu verstärken,
dass der Kulturgüterschutz einer höheren Priorität als bisher bedarf,

2. im Benehmen mit den Ländern und Kommunen zu überprüfen, wie der
rechtliche Rahmen angepasst werden kann, damit der Kulturgüterschutz ge-
stärkt und bessere Schutzmaßnahmen für Not- und Katastrophenfälle ergrif-
fen werden können,

3. in Abstimmung mit den Ländern die Notwendigkeit der Einsetzung eines
Verantwortlichen auf Bundesebene zu prüfen, der die zur Verbesserung des
Kulturgüterschutzes notwendigen Maßnahmen unter Einbeziehung relevan-

ter Einrichtungen und öffentlicher Stellen koordiniert und moderiert,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14115

4. ein professionelles interdisziplinäres Expertennetzwerk anzuregen, dass im
Not- und Katastrophenfall zum Schutz, zur Bergung und zur Restaurierung
von Kulturgütern schnellstmöglich herangezogen werden kann,

5. die Rolle der Forschungseinrichtungen für den Kulturgüterschutz in den je-
weiligen Zuständigkeiten zu evaluieren und gegebenenfalls Handlungs-
empfehlungen zur Verbesserung der Forschungsarbeit in diesem Bereich zu
erarbeiten,

6. zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein zentrales bun-
desdeutsches Institut für Konservierungs- oder Kulturschutzforschung ein-
gerichtet werden sollte,

7. Maßnahmen zu fördern, die Kultureinrichtungen und Katastrophenschutz
zum gemeinsamen Entwurf von Not- und Katastrophenfallszenarien veran-
lassen sowie dazu führen, dass gemeinsame Übungen z. B. von Feuer-
wehren, der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk und Kultureinrichtungen
zur besseren und effektiven Bergung sowie zum Schutz von bedrohten
Kulturgütern regelmäßig abgehalten werden,

8. geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die die Fragestellungen des Kultur-
güterschutzes stärker als bisher in der archivarischen, bibliothekarischen
sowie museologischen Lehre berücksichtigen,

9. bei Kultureinrichtungen in privater Trägerschaft sowie in Trägerschaft von
Bund, Ländern und Kommunen ein Problembewusstsein für die Notwen-
digkeit der Verbesserung des Kulturgüterschutzes durch sowohl präventive
wie reaktive Notfallpläne zu schaffen,

10. bei den großen Kultureinrichtungen Deutschlands dafür zu werben, dass
diese in größerem Umfang als bisher Verantwortung für den Schutz kultu-
reller Güter übernehmen und als Beispiel für mittlere und kleinere Einrich-
tungen in dem Prozess der Verbesserung des Kulturgüterschutzes in Bund,
Ländern und Kommunen vorangehen,

11. Kultureinrichtungen von nationaler Bedeutung dazu anzuregen, die von
ihnen verwahrten und ausgestellten Kulturgüter in Bergungskategorien ein-
zuteilen, um die Bergungsarbeiten zu erleichtern,

12. sich auf europäischer Ebene für einen besseren Not- und Katastrophenfall-
schutz auch über Ländergrenzen hinweg einzusetzen.

Berlin, den 25. Juni 2013

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Rainer Brüderle und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.