BT-Drucksache 17/14047

Zur Rolle des in Deutschland stationierten United States Africa Command bei gezielten Tötungen durch US-Streitkräfte in Afrika

Vom 14. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14047
17. Wahlperiode 14. 06. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Jan van Aken, Paul Schäfer (Köln),
Christine Buchholz, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko,
Harald Koch, Ulla Jelpke, Stefan Liebich, Niema Movassat, Jens Petermann,
Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Zur Rolle des in Deutschland stationierten United States Africa Command bei
gezielten Tötungen durch US-Streitkräfte in Afrika

Medienberichten zufolge soll das in Deutschland stationierte United States
Africa Command (AFRICOM) eine maßgebliche Rolle bei der Zielauswahl,
Planung und Durchführung gezielter Tötungen durch US-Drohnen in Afrika ha-
ben. Am 30. Mai 2013 berichteten das ZDF-Magazin „Panorama“ und die „Süd-
deutsche Zeitung“, dass die Verantwortung für alle Militäroperationen der USA
in Afrika generell bei AFRICOM in Stuttgart läge (www.sueddeutsche.de,
www.daserste.de). Seit 2011 steuert denselben Berichten zufolge eine Flugleit-
zentrale in Ramstein Angriffe der US-Luftwaffe in Afrika. Ohne die in Ramstein
unterhaltene spezielle Relais-Station für unbemannte Flugobjekte könnten nach
Aussage der US-Luftwaffe keine Drohnenangriffe in Afrika durchgeführt wer-
den.

Wenn von deutschem Staatsgebiet aus gezielte Tötungen im Ausland vorberei-
tet und durchgeführt oder unterstützt werden, ist auch die Bundesregierung be-
troffen. Neben dem Verstoß gegen das Völkerrecht würde auch das Grund-
gesetz missachtet, das nicht nur das Recht auf Leben schützt, sondern auch
Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das
friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, verbietet.

Die Bundesregierung hat bislang auf Nachfragen lediglich mitgeteilt, sie habe
weder Kenntnisse darüber, dass Drohnenangriffe von US-Streitkräften in
Deutschland geplant oder durchgeführt würden, noch habe sie Anhaltspunkte
für Verstöße der US-Streitkräfte in Deutschland gegen den Grundsatz, dass von
deutschem Staatsgebiet aus keine völkerrechtswidrigen militärischen Einsätze
ausgehen dürfen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Seit wann sind wie viele deutsche Verbindungsoffiziere bei welchen US-
Einheiten in Ramstein und Stuttgart eingesetzt, und welche Aufgaben bzw.

Funktionen haben sie dort?

2. Wie viele deutsche Soldaten sind in anderen Verwendungen bei welchen
US-Einheiten in Ramstein und Stuttgart eingesetzt, und welche Aufgaben
bzw. Funktionen haben sie dort?

Drucksache 17/14047 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Sind Verbindungsoffiziere und/oder andere deutsche Soldaten im
AFRICOM-Hauptquartier in Stuttgart eingesetzt, und wenn ja, wie viele,
seit wann und mit welchen Aufgaben?

4. Haben sich die deutschen Verbindungsoffiziere oder Soldaten in anderer
Verwendung im Rahmen ihres Auftrages mit dem Einsatz bewaffneter
Drohnen durch US-Streitkräfte, insbesondere bei AFRICOM, befasst, und
wenn ja, was haben sie dazu berichtet?

5. Waren oder sind die deutschen Verbindungsoffiziere oder Soldaten in ande-
rer Verwendung anderweitig an dem Einsatz bewaffneter Drohnen in Afrika
beteiligt, oder hatten bzw. haben sie Kenntnisse darüber?

6. Welche Beschränkungen für den Zugang zu Informationen für Operationen
von AFRICOM bestehen für die deutschen Verbindungsoffiziere oder Sol-
daten in anderer Verwendung bei AFRICOM, und welche für die Bundes-
regierung?

7. In welcher Form und mit welchen personellen und finanziellen Mitteln war
die Bundesregierung an der Einrichtung von AFRICOM beteiligt?

Inwiefern ist die Bundesregierung an den Kosten von AFRICOM beteiligt,
inklusive in den Bereichen anfallender Baumaßnahmen und militärischer
Übungen?

8. Auf welcher vertraglichen Grundlage wurde AFRICOM eingerichtet, und
was sieht diese im Einzelnen vor?

9. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Auftrag und die kon-
krete Tätigkeit von AFRICOM im Einklang mit dem Völkerrecht und deut-
schem Recht stehen müssen?

10. Gilt dies auch für deren mögliche Beteiligung am Einsatz bewaffneter
Drohnen für gezielte Tötungen?

11. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die rechtlichen und vertrag-
lichen Regelungen ausländischer Streitkräfte in Deutschland betreffend
ausreichen, um verfassungs- und völkerrechtswidrige Handlungen von in
Deutschland stationierten ausländischen Streitkräften auszuschließen, und
wenn ja, wodurch wird dies konkret sichergestellt?

12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über das Aufgabenspektrum
von AFRICOM, und in welcher Form unterrichtet sie sich fortlaufend über
die Tätigkeit von AFRICOM?

13. Wie erfasst und kontrolliert die Bundesregierung die Aktivitäten der US-
Streitkräfte bei AFRICOM?

14. Wie werden die Bundesregierung bzw. ihre nachgeordneten Behörden über
militärische Operationen von AFRICOM, die von US-Stützpunkten in
Deutschland aus erfolgen oder koordiniert werden, informiert?

15. Welche Kooperation zwischen AFRICOM (bzw. bis Oktober 2008
EUCOM) und der Bundeswehr gab es seit 2001 in den Bereichen Lage-
analyse in Afrika, direkte militärische Zusammenarbeit im Rahmen von
Operation Enduring Freedom in Afrika, im Bereich Ausbildung und Aus-
stattung für Militäreinsätze oder in anderen Bereichen?

16. Wie kann die Bundesregierung ausschließen, dass im Rahmen der militä-
rischen Zusammenarbeit zwischen der Bundeswehr und den US-Streitkräf-
ten Informationen an die US-Streitkräfte weitergegeben wurden, die in die
Zielauswahl, Planung und Durchführung von gezielten Tötungen in Afrika
eingeflossen sind?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14047

17. Hat es seit 2007 Gespräche zwischen der Bundesregierung und der US-Re-
gierung bzw. zwischen den Streitkräften beider Länder über den Einsatz
von bewaffneten Drohnen aus Deutschland heraus gegeben, und wenn ja,
wann, zwischen wem, und mit welchem Inhalt und Ergebnis?

18. Wie viele Drohnen der US-Streitkräfte befinden sich nach Kenntnis der
Bundesregierung derzeit in Deutschland (bitte unter Angaben der jeweili-
gen Stützpunkte und Drohnentypen)?

19. Benötigen US-Drohnen für Start, Landung und Transit oder anderweitige
Nutzung in Deutschland eine Genehmigung, und

a) wenn ja, welche Genehmigungen sind für welche Drohnentypen erfor-
derlich, und welche speziellen Genehmigungen für bewaffnete Droh-
nen,

b) wenn ja, wie viele Einzelgenehmigungen wurden wann, von welcher
Stelle, aufgrund welcher Angaben und für welchen jeweiligen Drohnen-
typ erteilt (bitte auch aufschlüsseln, welche Genehmigungen für bewaff-
nete Drohnen erteilt wurden),

c) für den Fall, dass eine Dauergenehmigung erteilt wurde, wann wurde sie
erteilt, für wie lange, von welcher Stelle, aufgrund welcher Angaben,
mit welchen Auflagen und für welche Drohnentypen?

20. Haben die US-Streitkräfte der DFS Deutschen Flugsicherung GmbH in
Fällen der Nutzung des deutschen Luftraums für den Start, die Landung und
den Transit von US-Drohnen, Flugpläne übermittelt, und wenn ja, welche
Angaben enthielten sie?

21. Seit wann hat die Bundesregierung welche Kenntnisse über die Rolle von
AFRICOM beim Einsatz bewaffneter Drohnen in Afrika, insbesondere im
Hinblick auf die Auswertung von Drohnen- und Satellitenbilder, daraus
folgender Zielauswahl und Einsatzplanung sowie in Hinblick auf die
Steuerung der Drohnen über die Flugleitzentrale in Ramstein?

22. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass ohne eine spezielle
Satelliten-Relais-Station für unbemannte Flugobjekte in Ramstein US-
Drohnenangriffe in Afrika nicht durchgeführt werden könnten?

23. Wurde die Bundesregierung über die Aufstellung der Satelliten-Relais-Sta-
tion in Ramstein informiert, und wenn ja, wann wurde sie informiert, und
welche Informationen zu deren Nutzung hat die Bundesregierung von den
US-Streitkräften oder der US-Regierung erfragt und erhalten?

24. Seit wann war die Bundesregierung über die Pläne zur Installierung einer
neuen Satellitenanlage auf dem US-Stützpunkt in Ramstein informiert, in
welcher Weise ist oder war sie an dem Projekt beteiligt, und wann genau
wurde die Satellitenanlage nach Kenntnis der Bundesregierung installiert
und in Betrieb genommen (bitte unter Angabe des finanziellen Volumens,
personeller und logistischer Beteiligung)?

25. Dürfen in Deutschland stationierte US-Truppen militärische Operationen
koordinieren oder durchführen, die nicht auf Grundlage eines UN-Mandats
erfolgen?

a) Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage und unter welchen Bedingun-
gen?

b) Wenn nein, wie stellt die Bundesregierung sicher, dass solche Opera-
tionen nicht erfolgen?

Drucksache 17/14047 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
26. Was unternimmt die Bundesregierung, um eigene gesicherte Erkenntnisse
zu von US-Streitkräften bei AFRICOM geplanten, durchgeführten oder
unterstützten gezielten Tötungen in Afrika zu erlangen, und hat es in die-
sem Zusammenhang Gespräche zwischen der Bundesregierung und der
US-Regierung bzw. zwischen den Streitkräften beider Länder gegeben?

a) Wenn ja, wann fanden diese Gespräche statt, wer hat sie geführt, und
was waren Inhalt und Ergebnis der Gespräche?

b) Wenn nein, warum wurden keine Gespräche geführt?

27. Was hat die Bundesregierung seit Erscheinen der in der Vorbemerkung der
Fragesteller genannten Medienberichte über die Rolle von AFRICOM bei
den US-Drohneneinsätzen in Afrika unternommen, um

a) völkerrechtliche und strafrechtliche Verstöße der US-Streitkräfte zu prü-
fen und gegebenenfalls Konsequenzen daraus zu ziehen,

b) anderweitige Verstöße gegen vertragliche Vereinbarungen zwischen der
Bundesregierung und den US-Streitkräften aufzuklären, und

c) um die eigene Einbindung in völkerrechtliche und strafrechtliche Ver-
stöße festzustellen und gegebenenfalls Konsequenzen daraus zu ziehen?

28. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über Ermittlungsverfah-
ren vor, die deutsche Staatsanwaltschaften aufgrund des Anfangsverdachts
durch die Medienberichterstattung über die möglicherweise strafbaren Vor-
gänge auf dem US-Stützpunkt in Ramstein sowie bei AFRICOM in Stutt-
gart eingeleitet haben?

Berlin, den 14. Juni 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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