BT-Drucksache 17/14028

Möglicher Zusammenhang von Übergriffen auf Einrichtungen mit dem NSU-Prozess

Vom 13. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14028
17. Wahlperiode 13. 06. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Nicole Gohlke, Ulla Jelpke, Agnes Alpers, Steffen Bockhahn,
Eva Bulling-Schröter, Dr. Dagmar Enkelmann, Petra Pau, Jens Petermann,
Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Möglicher Zusammenhang von Übergriffen auf Einrichtungen mit dem
NSU-Prozess

In den letzten Wochen ist es zu einer Reihe von Anschlägen auf Einrichtungen
gekommen, die möglicherweise im Zusammenhang mit dem NSU-Prozess
(NSU: Nationalsozialistischer Untergrund) in München stehen und von Neo-
nazis verübt wurden.

Am 9. April 2013 kam es in Fürth zu einem Farbbeutelangriff auf den „Infoladen
Benario“. Eine Gedenktafel für Rudolf Benario, der im Konzentrationslager
Dachau ermordet wurde, wurde entfernt und die Botschaft „Hans Steinbrenner
hier“ hinterlassen. Hans Steinbrenner war Chef der zweiten Kompanie im
Konzentrationslager Dachau. In München wurden am 6. April 2013 die Schau-
fenster des Bayerischen Flüchtlingsrates mit neonazistischen Propagandaaufkle-
bern des „Freien Netzes Süd“ überklebt. In der Nacht vom 13. auf den 14. April
2013, nach der großen Demonstration gegen den Naziterror und anlässlich des
NSU-Prozesses, wurde das Schaufenster des Bayerischen Flüchtlingsrates in
München eingeschlagen, in dem das Demoplakat hing. In Lengerich bei Osna-
brück wurden die Scheiben der Moschee der islamischen Gemeinschaft Milli
Görüs e. V. am 9. Mai 2013 eingeschlagen. Am 9./10. Mai 2013 wurden in Mün-
chen die Schaufensterscheiben des Bayerischen Flüchtlingsrates mit neonazis-
tischen Parolen wie „NS JETZT“ und „ANTI-ANTIFA“ beschmiert. Zwischen
dem 8. und 15. Mai 2013 wurde das Wohnprojekt Ligsalz8 in München mehr-
fach angegriffen, in dessen Schaufenster für die Demo zum NSU-Prozessauftakt
geworben wurde. Am 14./15. Mai 2013 wurde in Nürnberg das Denkmal für die
Opfer des NSU in Nürnberg mit rassistischen und nazistischen Aufklebern des
„Freien Netzes Süd“ verunstaltet. Die Eingangstür der Anwaltskanzlei einer
Nebenklagevertreterin, die Hinterbliebene eines NSU-Mordopfers vertritt,
wurde mit Fäkalien verunreinigt. In Mainz wurden am 18. Mai 2013 die Schei-
ben des Arab Nil-Rhein Vereins mit islamfeindlichen Plakaten verunstaltet. Die
Täter hinterließen Flugblätter mit rechtsextremem Inhalt sowie eine Blutlache.
Die Eingangstür der Islamischen Gemeinde in Düren wurde am 18. Mai 2013
mit den Worten beschmiert: „NSU lebt weiter und ihr werdet die nächsten Opfer

sein!!!“. In der Geschäftsstelle des Kurt-Eisner-Vereins Bayern in der Westend-
straße wurden in der Nacht vom 23. auf den 24. Mai 2013 vier Fensterschei-
ben eingeschlagen (vgl. zusammenfassend afp-Meldung vom 24. Mai 2013:
www.ticker.btg/dynamik/hi.php?schri=&high=\'rechtsextremismus\'&file=24-
05-13/34786381.xml und Süddeutsche Zeitung www.sueddeutsche.de/
muenchen/nsu-prozess-in-muenchen-rechte-attackieren-nazi-gegner-mit-faekalien-
1.1674474).

Drucksache 17/14028 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Zahlreiche dieser Anschläge richten sich gegen Vereine und Initiativen, die sich
gegen die extreme Rechte engagieren, bzw. die zu den erklärten Feindbildern
der Neonaziszene gehören. Die zeitliche Nähe zum NSU-Prozessauftakt und
der Schwerpunkt in München bzw. Bayern legen die Vermutung nahe, dass es
einen Zusammenhang mit dem Prozess geben könnte. Zudem wurden mehrere
der genannten Anschläge auf den Seiten des „Freien Netzes Süd“, einer rechts-
extremistischen Web-Seite, hämisch kommentiert (vgl. www.freies-netz-sued.
net/index.php/2013/05/19/kot-und-urin-in-munchner-anwaltskanzlei/).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Bewertet die Bundesregierung diese Anschläge als Serie, und wie bewertet
sie diese, welche Erkenntnisse hat sie zu möglichen Tätern, und sieht sie ei-
nen Zusammenhang mit dem in München stattfindenden NSU-Prozess?

2. Sind der Bundesregierung Kommentierungen einzelner Anschläge auf
rechtsextremistischen Web-Seiten im Internet bekannt, welchen Inhalts sind
diese Kommentierungen, und auf den Seiten welcher Gruppen finden sie
sich?

3. War der Beginn des Prozesses in München für die Koordinierte Internetaus-
wertung Rechtsextremismus (KIAR) im oder am Gemeinsamen Abwehrzen-
trum Rechtsextremismus (GAR) ein Anlass, der dort „anlassbezogene Re-
cherchen“ auslöste?

4. War die angeführte Serie von Anschlägen bzw. sind Aktivitäten der Neona-
ziszene im Zusammenhang mit dem NSU-Prozess Thema im GAR?

Wenn ja, wann waren sie Thema, und welche Maßnahmen sind beschlossen
worden?

5. Hat die Bundesregierung generell Kenntnisse zu verstärkten Aktivitäten der
Naziszene im Zusammenhang mit dem NSU-Prozess, und wenn ja, welcher
Art sind diese Aktivitäten?

6. Welche Anschläge auf Gedenk- bzw. Erinnerungsorte an Opfer des NSU
sind der Bundesregierung bekannt (bitte einzeln aufführen), und welche Er-
kenntnisse liegen der Bundesregierung zu möglichen Tätern vor?

7. Welche Kenntnis über Kommentierungen, Berichte usw. auf rechtsextremis-
tischen Web-Seiten zum NSU-Prozess hat die Bundesregierung, welche in-
haltliche Stoßrichtung haben diese Berichte, und auf Seiten welcher Grup-
pierungen finden sie sich?

Berlin, den 19. Juni 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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