BT-Drucksache 17/13891

Videoübertragung von Gerichtsverhandlungen ermöglichen

Vom 11. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13891
17. Wahlperiode 11. 06. 2013

Antrag
der Abgeordneten Burkhard Lischka, Christine Lambrecht, Petra Ernstberger,
Iris Gleicke, Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der
Fraktion der SPD

Videoübertragung von Gerichtsverhandlungen ermöglichen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Bei politisch oder gesellschaftlich bedeutsamen Gerichtsverfahren besteht so-
wohl auf Seiten der Medien als auch bei einer Vielzahl von Privatpersonen das
Interesse, den Prozess im Gerichtssaal zu verfolgen. Im sog. NSU-Verfahren
(NSU = Nationalsozialistischer Untergrund) vor dem Oberlandesgericht
München war das mediale Interesse so groß, dass die Zahl der Anmeldungen die
räumlichen Kapazitäten des Gerichts um ein Vielfaches überstieg.

Der im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) statuierte Grundsatz der Öffentlich-
keit gewährt Prozessunbeteiligten die Teilnahme an der mündlichen Verhand-
lung. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber die Kontrolle des Prozessge-
schehens durch die Allgemeinheit gewährleisten. Der Öffentlichkeitsgrundsatz
findet seine Grenzen in den räumlichen Kapazitäten der Gerichte. Hier kann das
Gericht eine Auswahl treffen, welche Personen Zugang zu dem Verfahren er-
halten. Der Zutritt ist grundsätzlich nach der Reihenfolge des Erscheinens zu
gewähren („Windhundprinzip“). Bei einer erwarteten Überfüllung des Zuhörer-
raums kann das Gericht ein Akkreditierungsverfahren durchführen. In bedeuten-
den Prozessen sollte dem gesteigerten Interesse der Allgemeinheit jedoch durch
die Möglichkeit einer Videoübertragung in einen anderen Raum oder Gerichts-
saal Rechnung getragen werden.

Das GVG verbietet Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vor-
führung. Diese Einschränkung ist sinnvoll, da einer Fernseh- oder Rundfunk-
übertragung gewichtige Interessen von Verfahrensbeteiligten entgegenstehen
können. Zudem sollen Prozesse nicht zu Medienereignissen werden, weil an-
sonsten die Gefahr besteht, dass das Verhalten der Prozessbeteiligten beein-
flusst, die Wahrheitsfindung erschwert und damit das Recht auf ein faires Ver-
fahren verletzt wird.

In Abgrenzung dazu ist die Videoübertragung in einen weiteren Gerichtssaal zu
beurteilen. Es handelt sich dabei nicht um eine Filmaufnahme zum Zwecke der

öffentlichen Vorführung, sondern vielmehr um eine virtuelle Erweiterung des
Gerichtssaals. Mittels technischer Übertragung wird lediglich die Tür des Ge-
richtssaals geöffnet, um Personen in einem weiteren Saal die Teilnahme am Pro-
zess zu ermöglichen.

Die öffentliche Aufmerksamkeit zielt jedoch nicht nur auf Strafverfahren. Die
im Rahmen der Finanzkrise erfolgten Schadensersatzklagen von Kleinanlegern

Drucksache 17/13891 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
gegen Banken wegen Verletzung der Beratungspflichten waren von hohem me-
dialen Interesse. Das Problem der Raumnot stellt sich derzeit auch dem Bundes-
verfassungsgericht. An der für Juni 2013 anberaumten Verhandlung über die
Euro-Rettung kann wiederum nur ein Bruchteil der interessierten Journalisten
und Bürger teilnehmen.

Das GVG trifft keine Aussage zu der Zulässigkeit einer Videoübertragung. Da
die Zulässigkeit im Zusammenhang mit dem Streit um die Platzvergabe im
NSU-Prozess in Frage gestellt wurde, ist eine gesetzliche Klarstellung erforder-
lich.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, der in allen Gerichtsbarkeiten Videoüber-
tragungen von öffentlichen Gerichtsverhandlungen in einen weiteren Raum er-
möglicht.

Berlin, den 11. Juni 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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