BT-Drucksache 17/13758

Erfolgreicher Klimaschutz braucht neue Maßnahmen

Vom 5. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13758
17. Wahlperiode 05. 06. 2013

Antrag
der Abgeordneten Frank Schwabe, Ulrich Kelber, Dirk Becker, Gerd Bollmann,
Marco Bülow, Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Dr. Bärbel Kofler, Ute Kumpf,
Dr. Matthias Miersch, Thomas Oppermann, Ute Vogt, Waltraut Wolff (Wolmirstedt),
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Bärbel Höhn, Dr. Hermann E. Ott, Oliver Krischer,
Hans-Josef Fell, Sylvia Kotting-Uhl, Daniela Wagner, Kerstin Andreae,
Sven-Christian Kindler, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Dorothea
Steiner, Cornelia Behm, Harald Ebner, Bettina Herlitzius, Dr. Anton Hofreiter,
Stephan Kühn, Friedrich Ostendorff, Markus Tressel, Dr. Valerie Wilms,
Renate Künast, Jürgen Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Erfolgreicher Klimaschutz braucht neue Maßnahmen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase hat nach Berechnungen des Um-
weltbundesamtes 2012 in Deutschland um 1,6 Prozent zugenommen. Damit
entfernt sich die Bundesrepublik Deutschland von dem Ziel, die Treibhausgas-
emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren.
Bis Ende 2012 wurde nur eine Minderung um circa 25 Prozent erzielt, ein maß-
geblicher Teil davon durch den Zusammenbruch der ostdeutschen Industrie
nach 1990. Es wird erheblicher zusätzlicher Anstrengungen bedürfen, das 40-
Prozent-Klimaschutzziel bis 2020 noch zu erreichen.

Doch die Bundesregierung hat dafür kein Konzept. Sie hat das Klimaschutzziel
nicht mit den notwendigen Maßnahmen unterfüttert. Unabhängige Studien las-
sen bei Umsetzung der bisher geplanten Maßnahmen allenfalls eine Treibhaus-
gasminderung von 30 bis 35 Prozent bis zum Jahr 2020 erwarten. Und nicht
einmal diese bescheidenen Fortschritte sind gesichert angesichts der massiven
Unterfinanzierung des Energie- und Klimafonds, der Blockade der überfälligen
Reparaturen am Emissionshandel, der Aufweichung der nationalen und europä-
ischen Energieeffizienzziele und der vom Bundesminister für Wirtschaft und
Technologie Dr. Philipp Rösler und vom Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit Peter Altmaier geplanten Ausbaubremse für
erneuerbare Energien. Die Weigerung der Bundesregierung, sich im Rahmen

der zweiten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls jetzt klar zum erklär-
ten 40-Prozent-Klimaziel zu bekennen und zu verpflichten, ist das Eingeständ-
nis des eigenen Scheiterns.

Deshalb braucht Deutschland eine neue Entschlossenheit in der Klimapolitik.
Die Klimaschutzziele müssen in einem Klimaschutzgesetz verbindlich festge-
schrieben und die Zielerreichung von einer unabhängigen Klimaschutzkom-
mission jährlich überprüft werden. Auf Grundlage des Klimaschutzgesetzes

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müssen verbindliche Sektorziele für die Bereiche Energieerzeugung, Gebäude,
Haushalte, Industrie und Verkehr festgelegt werden. So wird aus bloßen Ab-
sichten ein national verbindlicher Politikansatz. Mehr Verbindlichkeit und klare
Ziele bieten der Wirtschaft langfristig verlässliche Rahmenbedingungen.

Das 40-Prozent-Klimaziel muss durch eine aktive Klimaschutzpolitik unterlegt
werden, die weitergehende Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz so-
wie zusätzliche Emissionsminderungen im Strom-, Gebäude- sowie im Ver-
kehrssektor anpackt und zur Bewusstseinsbildung für die notwendige sozial-
ökologische Transformation beiträgt.

Zur Unterstützung dieser Maßnahmen muss sich Deutschland auch in der EU
für konsequenten Klimaschutz einsetzen. Das beinhaltet die Anhebung des eu-
ropäischen Klimaschutzziels auf 30 Prozent und grundlegende Reparaturen am
europäischen Emissionshandel, auch wenn das Europäische Parlament aktuell
noch keine Einigung über den konkreten Weg finden konnte. Denn ohne einen
funktionierenden Emissionshandel mit anspruchsvollen Emissionsobergrenzen
würden die nicht dem Emissionshandel unterliegenden Sektoren Verkehr,
Haushalte und Gebäude überproportional belastet.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– die deutschen Klimaschutzziele in einem Klimaschutzgesetz verbindlich zu
verankern. Auf Grundlage nationaler Ziele (40 Prozent Emissionsminderung
bis 2020 und 95 Prozent bis 2050) muss ein berechenbarer abnehmender Re-
duktionspfad des Emissionsbudgets bis 2050 erfolgen, welcher Sektorziele,
insbesondere für den Verkehrs-, Wärme- und Strombereich, festlegt. Die
Fortschritte müssen durch ein jährliches Monitoring überprüft und die Kli-
maschutzmaßnahmen bei Abweichungen vom Zielpfad verstärkt werden;

– umgehend ein Maßnahmenpaket zu verabschieden, um die Verfehlung des
Klimaschutzziels für 2020 noch abzuwenden, insbesondere durch

• die Steigerung der Energieeffizienz durch eine ehrgeizige Umsetzung der
Energieeffizienzrichtlinie und der darin vorgesehenen Energiesparver-
pflichtungen, durch einen ausreichend ausgestatteten Energiespar- bzw.
Energieeffizienzfonds und durch dynamische Effizienzstandards nach
dem Toprunner-Prinzip;

• einen gerecht und kosteneffizient finanzierten Ausbau der erneuerbaren
Energien auf einen Anteil von über 45 Prozent an der Stromversorgung
und mindestens 20 Prozent der Wärmeversorgung bis zum Jahr 2020;

• eine deutliche Beschleunigung der energetischen Gebäudesanierung mit
dem Ziel einer Sanierungsrate von mindestens 2 Prozent im Jahr. Dazu
muss das CO2-Gebäudesanierungsprogramm umgehend wieder auf 2 Mrd.
Euro aufgestockt und verstetigt werden. Zudem ist die Förderung der
energetischen Quartierssanierung analog den Regelungen der Städte-
bauförderung zu verstärken;

• den verstärkten Ausbau der Schiene, ambitionierte CO2-Grenzwerte für
Pkw und Nutzfahrzeuge für 2020 und 2025, die Umstellung des Strom-
verbrauchs der Bahn auf 100 Prozent erneuerbare Energien bis 2030 und
eine Förderstrategie zur Ausweitung des Radverkehrs;

• den schrittweisen Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen,
um bestehende Fehlanreize zu beseitigen und einen Beitrag zur Unter-
stützung und Finanzierung der Energiewende zu leisten;

• eine solide und verlässliche Finanzierung von Energiewende und Klima-

schutz im regulären Haushalt, statt der Fehlkonstruktion des massiv un-
terfinanzierten Energie- und Klimafonds;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13758

• die Energieforschung in den Bereichen erneuerbare Energien, Speicher-
technologien und Effizienz auszuweiten und verschiedene Forschungsak-
tivitäten besser zu vernetzen. Insbesondere Forschungsprogramme in den
Bereichen Energiespeicherung und der energetischen Stadt-, Quartiers-
und Gebäudesanierung müssen deutlich ausgebaut werden;

– sich aktiv dafür einzusetzen, dass die EU ihr Klimaziel für 2020 ohne Vorbe-
dingungen auf minus 30 Prozent anhebt, und die EU-Kommission bei ihren
Bemühungen zur Verknappung des Überangebots an Emissionszertifikaten
und zur Stabilisierung des CO2-Preises nachdrücklich zu unterstützen. Ohne
wirksame Preissignale durch den Emissionshandelsmarkt wäre die Errei-
chung der Klimaschutzziele zunehmend auf ordnungsrechtliche Maßnah-
men angewiesen.

Berlin, den 5. Juni 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion
Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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