BT-Drucksache 17/13633

Zum Tod des KSK-Elite-Soldaten in Afghanistan

Vom 23. Mai 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13633
17. Wahlperiode 23. 05. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz,
Sevim Dag˘delen, Annette Groth, Inge Höger, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Harald
Koch, Niema Movassat, Kathrin Vogler, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Zum Tod des KSK-Elite-Soldaten in Afghanistan

Am Samstag, dem 4. Mai 2013, starb bei einem Spezialeinsatz der Bundeswehr
gegen die Taliban in Baghlan ein deutscher KSK-Elite-Kämpfer (KSK = Kom-
mando Spezialkräfte) und ein weiterer wurde verletzt. Angaben von afghani-
schen Offiziellen zufolge hatten sie bei den Deutschen um Hilfe für eine so-
genannte clearing operation gebeten, weil sich Taliban westlich von Baghlan
Checkpoints errichtet hatten und die lokale Bevölkerung terrorisierten. Bei einer
gemeinsamen Patrouille gerieten die deutschen Soldaten mit ihren afghanischen
Begleitern unter heftiges Feuer von Aufständischen. Der Beschuss war so heftig,
dass Luftunterstützung angefordert wurde, was danach passierte, ist noch unklar
(SPIEGEL ONLINE, 5. Mai 2013).

Im ZDF-„heutejournal“ vom 5. Mai 2013 berichtet der langjährige ZDF-Afgha-
nistan-Korrespondent, Uli Gack, zu dem Vorfall, dass mittlerweile afghanische
Sicherheitskräfte aus Armee und Polizei, die auch von der Bundeswehr und
deutschen Polizei ausgebildet wurden, gegeneinander kämpfen. Uli Gack ver-
mutete sogar, dass afghanische Sicherheitskräfte für den Tod des deutschen Sol-
daten mit verantwortlich sein könnten. Laut Angaben des Afghanistan-Experten
Thomas Ruttig, Ko-Direktor des „Afghan-Analysts-Network“ (AAA), kämpfen
in der Provinz Baghlan verschiedene aufständische Gruppen teilweise gegen-
einander, teilweise gemeinsam gegen Regierungstruppen. Um die Kontrolle zu
erlangen, würden afghanische Sicherheitskräfte auch inoffizielle Kooperationen
mit einzelnen aufständischen Gruppen eingehen, die aber nicht immer von lan-
ger Dauer seien. Teilweise würden auch ehemalige Aufständische in offizielle
Einheiten integriert. Ob diese allerdings loyal sind, ist fraglich, wie bei zahlrei-
chen Fällen von tödlichen Angriffen von infiltrierten afghanischen Kämpfern in-
nerhalb der amerikanischen Truppen offenbar wurde.

Neben der offiziellen afghanischen Armee (ANA) und der Polizei gibt es auch
Einheiten, die nicht unter der Kontrolle Kabuls, sondern zum Teil vom US-Ge-
heimdienst CIA geführt werden. Menschenrechtsorganisationen werfen diesen
Milizen schwere Vergehen vor. Auch die Bundeswehr soll am Aufbau solcher
Hilfstruppen beteiligt gewesen sein. Das Afghan-Analysts-Network berichtet,

dass die Bundeswehr im Norden, zumindest in der Vergangenheit, mit einer
Gruppe aus dem CIPP (Critical Infrastructure Protection Project) kooperiert hat,
die zeitweise über 1 800 Kämpfer verfügt haben soll. Sie wurden ausgebildet,
um wichtige Infrastrukturprojekte wie etwa Brücken zu schützen, und sind for-
mal den Polizeichefs unterstellt. Afghanistans Präsident Hamid Karzai hat aller-
dings die Auflösung dieser und anderer Milizen verlangt, was im Fall CIPP
offiziell offenbar auch geschah. „Laut deutschen Quellen endete das CIPP Ende

Drucksache 17/13633 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

September dieses Jahres“, hieß es 2012 in einem Blog von Afghanistan-Ana-
lysts-Network. Tatsächlich existieren viele Milizen aber wohl unter neuem
Namen weiter (s. DER TAGESSPIEGEL „Das tägliche Risiko der Soldaten in
Afghanistan“, vom 6. Mai 2013).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie kam es nach den vorläufigen Erkenntnissen der Bundesregierung zu
dem in der Vorbemerkung der Fragesteller beschriebenen Vorfall in
Baghlan?

2. Wie viele afghanische Soldaten und wie viele afghanische Zivilisten wur-
den dabei getötet oder verletzt?

3. Wie viele OMF (Aufständische) wurden bei dem Vorfall verletzt, getötet
oder gefangen genommen?

4. Wie viele Polizisten wurden bei dem Vorfall getötet oder verletzt, und
welcher Polizeiformation (AUP, ABP, ANCOP etc.) gehörten diese an?

5. Wer ist für den Tod des KSK-Soldaten verantwortlich?

6. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass sich infiltrierte Aufständi-
sche unter den afghanischen Streitkräften (Armee/Polizei), welche gemein-
sam mit den deutschen Soldaten auf Patrouille waren, befanden?

7. Kann die Bundesregierung mit Sicherheit ausschließen, dass von der Bun-
deswehr oder deutschen Polizei ausgebildete afghanische Sicherheitskräfte
direkt oder indirekt für den Tod des Soldaten verantwortlich sind?

8. Wie viele Angriffe auf ISAF-Soldaten (ISAF = International Security
Assistance Force) aus den Reihen der afghanischen Sicherheitskräfte (Ar-
mee/Polizei) hat die Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren ver-
zeichnet, wie viele davon auf Bundeswehrsoldaten (bitte auflisten)?

9. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, dass sich die an dem Vorfall
beteiligten afghanischen Sicherheitskräfte untereinander bekämpft haben?

10. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung generell über Macht-
kämpfe innerhalb des afghanischen Sicherheitsapparates (Armee/Polizei)
vor?

11. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass von der Bundeswehr oder
deutschen Polizei ausgebildete Sicherheitskräfte in gewalttätige Auseinan-
dersetzungen innerhalb des afghanischen Sicherheitsapparates involviert
sind?

Wenn nein, welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die An-
zahl der ausgebildeten Sicherheitskräfte sowie Häufigkeit und Art und
Weise von gewalttätigen Übergriffen vor (bitte auflisten)?

12. In welcher Form hat die Bundesregierung in der Vergangenheit mit einer
Gruppe aus dem CIPP kooperiert und diese ausgebildet?

13. In welcher Höhe flossen Gelder von der Bundesregierung an die Ausbil-
dung und Kooperation mit dem CIPP?

14. Was geschah nach Kenntnis der Bundesregierung mit den 1 800 Kämpfern
der CIPP und deren Waffen, nachdem diese Gruppe aufgelöst wurde?

15. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, dass viele Milizen,
die ehemals der CIPP angehörten, unter neuem Namen weiter existieren?

16. Wie geht die Bundesregierung mit Vorwürfen um, dass sowohl von der

CIPP als auch den sich nach deren Auflösung neu gebildeten Gruppen
schwere Menschenrechtsverletzungen begangen wurden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13633

17. Wie beurteilt die Bundesregierung die Ausbildung afghanischer Sicher-
heitskräfte vor dem Hintergrund der Infiltration, die auch nach dem Abzug
der ISAF-Truppen 2014 ein großes Risiko birgt, in einen neuen Bürgerkrieg
zu münden?

18. Plant die Bundesregierung KSK-Einheiten, auch nach dem Abzug 2014, im
Rahmen des Ausbildungskontingents der Bundeswehr, in Afghanistan zu
belassen?

Berlin, den 23. Mai 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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