BT-Drucksache 17/13518

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/12294, 17/13395 - Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Umsetzungsgesetz - AIFM-UmsG)

Vom 15. Mai 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13518
17. Wahlperiode 15. 05. 2013

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Carsten Sieling, Lothar Binding (Heidelberg), Ingrid
Arndt-Brauer, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Petra Ernstberger, Martin Gerster,
Iris Gleicke, Petra Hinz (Essen), Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Joachim Poß,
Annette Sawade, Bernd Scheelen, Manfred Zöllmer, Dr. Frank-Walter Steinmeier
und der Fraktion der SPD

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/12294, 17/13395 –

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/61/EU
über die Verwalter alternativer Investmentfonds
(AIFM-Umsetzungsgesetz – AIFM-UmsG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Zu lange hat die Bundesregierung die Geschäftsmodelle vieler Fondsanbieter
im sogenannten Grauen Kapitalmarkt und die damit einhergehenden Risiken
für die Finanzstabilität sowie die Anlegerinnen und Anleger weitgehend igno-
riert. Mit einem neuen Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) wird die europäische
Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Richtlinie)
in deutsches Recht umgesetzt. Dabei werden zusätzliche Vorgaben für Verwal-
ter von Publikums-AIF (AIF: alternative Investmentfonds) und Produktregeln
für Publikums-AIF getroffen. Dem erklärten Ziel der Bundesregierung, das
Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität und Funktionsfähigkeit der Finanz-
märkte wieder zu erhöhen, werden die insgesamt unzureichenden Bestimmun-
gen aber nicht gerecht.

Dies gilt insbesondere für die Regulierung geschlossener alternativer Invest-
mentfonds, mit denen Privatkunden in der Vergangenheit häufig erhebliche
finanzielle Verluste erlitten:

a) Durch die Anwendung der Schwellenwertregelung der AIFM-Richtlinie auf
Kapitalverwaltungsgesellschaften, deren geschlossene Publikums-AIF den

Wert von 100 Mio. Euro nicht überschreiten, werden diese nur einer verein-
fachten Regulierung unterworfen. Statt einer Erlaubnis der Bundesanstalt
für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bedürfen sie lediglich der Regis-
trierung. Damit entfallen beispielsweise die Notwendigkeit eines Risiko- und
Liquiditätsmanagements sowie Regelungen zum Schutz von Kommanditis-
ten vor Nachschusspflichten. Trotz gleicher Risikosituation wird damit für
derartige Kapitalanlagen ein Anlegerschutzniveau „zweiter Klasse“ etabliert.

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b) Nicht zielführend ist die zulässige Fremdfinanzierungsquote geschlossener
Publikums-AIF von 60 Prozent des Fondswertes. Gerade die hohe Kredit-
aufnahme der Fonds war bisher häufig für Einbußen der Anleger ursächlich:
Wenn Kreditgeber bei Sachwertverlusten des Fonds ihre Forderungen fällig
stellen, führt dies – anders als bei Finanzierungen aus Anlegerkapital –
schnell zur Insolvenz des Fonds. Eine hohe Kreditaufnahme geschlossener
Publikums-AIF garantiert keinen beständigen Vermögensaufbau und ist
daher weder mit individuellen noch gesamtgesellschaftlichen Interessen zu
rechtfertigen. Für Immobilien-Sondervermögen begrenzt die Bundesregie-
rung selbst die Fremdfinanzierung auf 30 Prozent des Verkehrswertes der
Immobilien (§ 254 KAGB). Dass die Verbraucherinnen und Verbraucher bei
Anlagen in geschlossene Publikums-AIF künftig weniger effektiv geschützt
werden, ist nicht hinnehmbar.

c) Aus Verbraucherschutzsicht äußerst kritisch ist schließlich die Möglichkeit,
dass Privatkunden ab einer Mindestanlagesumme von 20 000 Euro in nicht-
risikogemischte Fonds investieren können. Gerade für Privatanleger ist eine
sorgfältige Risikoabwägung bei der Vermögensanlage wichtig. Folgerichtig
konstituiert § 262 KAGB den Grundsatz der Risikomischung für Investi-
tionen einer Kapitalverwaltungsgesellschaft in einen geschlossenen Publi-
kums-AIF. Doch die Ausnahme für Vermögensanlagen von Privatkunden
über 20 000 Euro, die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auf nach-
drücklichen Wunsch der Anbieter geschaffen wurde, konterkariert dieses
Ziel. Sie erlaubt auf Fonds- wie Anlegerebene eine Investition in nur einen
Sachwert und erhöht damit das Ausfallrisiko noch. Überdies können die
Verbraucherinnen und Verbraucher, die bei der Investition ausdrücklich be-
stätigen müssen, sich dieses besonderen Risikos bewusst zu sein, nachträg-
lich kaum noch eine Falschberatung beweisen.

Die Neuregelungen zur Bewertung von Immobilien-Sondervermögen und ge-
schlossenen Publikums-AIF überzeugen ebenfalls nicht. Neben einem reellen
Bewertungsverfahren sind insbesondere die Unabhängigkeit und Kompetenz
der bewertenden Personen Garanten für die Wahrung der Interessen der Anle-
ger. Doch das KAGB lässt zu, dass Kapitalverwaltungsgesellschaften Bewer-
tungen künftig selbst durchführen. Der bisher gewährleistete Anlegerschutz
kann so sukzessive aufgeweicht und durch betrügerische Finanzkonstruktionen
umgangen werden.

Bei der Regulierung der Immobilien-Sondervermögen setzen die Bundesregie-
rung und die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP ihren „Schlinger-
kurs“ aus dem Gesetzgebungsverfahren zum Anlegerschutz- und Funktions-
verbesserungsgesetz fort (vgl. Bundestagsdrucksache 17/4721). Für viele
Privatanleger sind offene Immobilienfonds die einzige Möglichkeit, in den
Immobilienmarkt zu investieren und an den dortigen Wertsteigerungen zu parti-
zipieren. Trotzdem erwog die Bundesregierung bei der Umsetzung der AIFM-
Richtlinie anfänglich sogar, diese Anlageoption künftig abzuschaffen. Zwar
wurde der Vorschlag nach heftigem Protest der Anbieter fallengelassen, doch
schränkt die nochmalige Verschärfung der Bedingungen für die Vermögens-
anlage in offene Immobilienfonds deren Attraktivität deutlich ein. Gerade für
Kleinanleger ist es wichtig, trotz der Langfristigkeit des Investments kleinere
Teilbeträge flexibel entnehmen zu können.

Insgesamt bleibt der sehr weit gefasste Anwendungsbereich des KAGB eine
große Schwachstelle des vorliegenden Gesetzentwurfs. Die von der Bundes-
regierung vorgeschlagene Definition von Investmentfonds ist so weitgehend,
dass auch zahlreiche Unternehmen außerhalb des Finanzsektors unter die
Regulierung fallen könnten. Abzuwarten bleibt, inwieweit die im Gesetz-

gebungsverfahren stark umstrittene Bestimmung zu Schwierigkeiten im Geset-
zesvollzug führen wird. Ein gravierender Nachteil ist, dass letztlich die BaFin

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in vielen Einzelfällen über die Qualifizierung der Unternehmen entscheiden
wird. Die Bundesregierung soll daher die momentan nicht abzusehenden Aus-
wirkungen des AIFM-Umsetzungsgesetzes zeitnah evaluieren. Bei Bedarf
muss eine kurzfristige gesetzliche Klarstellung im KAGB – unter Beachtung
zwischenzeitlicher europarechtlicher Vorgaben – erfolgen.

Einzig für die sogenannten Bürgerenergieprojekte, die maßgeblich die Beteili-
gung der Bürgerinnen und Bürger an der Energiewende ermöglichen, entwi-
ckelten die Koalitionsfraktionen nach großem Druck der betroffenen Verbände
eine Lösung. So werden diesen Projekten keine unerfüllbaren Pflichten aufer-
legt und durch die Rechtsform der Genossenschaft erfolgt die Bürgerbeteili-
gung künftig in einem bewährten Regulierungsrahmen. Dennoch bleibt zu prü-
fen, inwieweit diese Regelungen ausreichend sind, um das Bürgerengagement
in der Energiewende weiterhin zu sichern.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf zur Änderung des KAGB vorzulegen, in dem

a) der Schwellenwert nach § 2 Absatz 5 KAGB für eine vereinfachte
Regulierung von Kapitalverwaltungsgesellschaften von 100 Mio. Euro
auf 20 Mio. Euro gesenkt wird,

b) die zulässige Kreditfinanzierung geschlossener Publikums-AIF nach § 263
Absatz 1 KAGB – wie vom Bundesrat gefordert – von 60 auf 30 Prozent
gesenkt wird,

c) die Ausnahmeregelung vom Grundsatz der Risikomischung nach § 262
Absatz 2 KAGB gestrichen wird,

d) § 216 KAGB neu gefasst wird, um zur Abwehr betrügerischer Finanz-
konstruktionen sicherzustellen, dass die Bewertung von Immobilien-Son-
dervermögen und geschlossenen Publikums-AIF künftig verpflichtend
extern und durch Sachverständigenausschüsse vorgenommen wird,

e) § 255 KAGB neu gefasst wird, um Kleinanlegern zu ermöglichen, bei
Investition in Immobilien-Sondervermögen halbjährlich einen Betrag
von höchstens 5 000 Euro jederzeit und ohne Kündigungsfristen entneh-
men zu können;

2. dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages zum 1. April 2014 einen
Bericht über den Stand der Umsetzung des KAGB, die Antragssituation bei
der BaFin und insbesondere die Auswirkungen des AIFM-Umsetzungsge-
setzes auf die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Energiewende
vorzulegen.

Berlin, den 15. Mai 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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