BT-Drucksache 17/13339

Importe von Produkten aus israelischen Siedlungen in der Westbank in die Europäische Union und nach Deutschland Israel

Vom 29. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13339
17. Wahlperiode 29. 04. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Agnes
Brugger, Viola von Cramon-Taubadel, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul,
Ute Koczy, Tom Koenigs, Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Importe von Produkten aus israelischen Siedlungen in der Westbank in die
Europäische Union und nach Deutschland

Israel exportiert im beträchtlichen Umfang Produkte in die Europäische Union
(EU) und nach Deutschland. Daneben werden Produkte, die aus von Israel
besetzten Gebieten stammen (Westbank) und die sowohl in israelischen Siedlun-
gen auf diesem Gebiet als auch in palästinensischen Produktionsstätten stam-
men, in die EU und nach Deutschland importiert. Von israelischer Seite wird als
Herkunftsland pauschal Israel angegeben und nicht zwischen Produktionsstätten
in Israel in den Grenzen von 1967 und in israelischen Siedlungen aus besetzten
Gebieten (Westbank) unterschieden. Ferner wird die tatsächliche Herkunft ver-
schleiert, wenn Produkte zwar in Siedlungen hergestellt, die sie produzierenden
Firmen jedoch lediglich ihren juristischen Firmensitz im israelischen Kernland
haben.

Für die europäischen und deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher ist es
wichtig zu wissen, wo genau und von wem Produkte, die sie erwerben wollen,
produziert wurden. Es geht hierbei nicht um Boykott israelischer oder gar
jüdischer Produkte, sondern um die Ermöglichung informierter Kaufentschei-
dungen. Gleichzeitig geht es um die Umsetzung internationalen Rechts und der
Politik der Europäischen Union gegenüber Israel.

Im Oktober 2012 veröffentlichten 22 humanitäre, Entwicklungs-, Menschen-
rechts-, Friedens- und Glaubensorganisationen aus neun EU-Mitgliedstaaten so-
wie aus Norwegen und der Schweiz, die in der Westbank arbeiten, gemeinsam
einen Bericht unter dem Titel „Handel gegen den Frieden: Wie Europa zur Er-
haltung illegaler israelischer Siedlungen beiträgt“.

Im Vorwort zu diesem Bericht weist der ehemalige EU-Kommissar für Außen-
beziehungen, Hans van den Broek, darauf hin, dass die EU in den letzten Jahr-
zehnten die israelische Siedlungspolitik beständig kritisiert und verurteilt und
sie als erhebliches Hindernis für den Frieden zwischen Israel und den Palästi-
nensern betrachtet hat. Sie habe immer wieder betont, dass sie keinerlei unilate-

rale Änderungen der Grenzen von 1967 anerkennen werde.

In dem Bericht heißt es: „Der jüngsten Schätzung der israelischen Regierung ge-
genüber der Weltbank zufolge liegt die Höhe der EU-Importe aus Siedlungen bei
$ 300 Mio. (€ 230 Mio.) pro Jahr ungefähr fünfzehnmal so hoch wie die der
jährlichen EU-Importe von Palästinensern. Während Siedlungsexporte einen re-
lativ geringen Anteil am israelischen Gesamtexportvolumen ausmachen mögen,

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belaufen sie sich jedoch in absoluten Zahlen auf eine beträchtliche Höhe, und
sind von überlebenswichtiger Bedeutung für die wirtschaftliche Existenzfähig-
keit vieler Siedlungen.“

Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass die EU einerseits eine eindeutige
Position vertritt und die israelischen Siedlungen als nach internationalem Recht
illegal und als ein Faktor bewertet, der die Zwei-Staaten-Lösung unmöglich
macht. Andererseits trägt die EU mit der Politik des Imports von Gütern aus den
israelischen Siedlungen in der Westbank zum Fortbestand der Siedlungen bei
und konterkariert damit nicht nur ihre politische Bewertung der Lage, sondern
auch die Unterstützung des Aufbaus eines palästinensischen Staates mit erheb-
lichen finanziellen Mitteln.

Die Außenminister der EU haben ihrerseits bei einem Treffen vom 10. Dezem-
ber 2012 unter Bezugnahme auf die Erklärung des Rates für Außenbeziehungen
vom Mai 2012 „ihre Verpflichtung eine dauerhafte, vollständige und effektive
Umsetzung der bestehenden Gesetzgebung der EU und bilateraler Regelungen
Siedlungsprodukte betreffend umzusetzen“ wiederholt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Stellen die bestehenden steuerlichen Anreize für israelische Siedler in der
Westbank einen Verstoß gegen das Pariser Protokoll von 1994 und mög-
licherweise gegen Abkommen zwischen Israel und der EU dar?

Verletzt Israel das Pariser Protokoll, indem es palästinensische Exporte nach
Israel und in Drittstaaten mit Sicherheitsargumenten drastisch einschränkt?

2. Wie hoch sind die jährlichen Importe von Produkten aus israelischen Sied-
lungen nach Deutschland und in die EU?

Wie hoch sind die jährlichen Importe aus Israel insgesamt nach Deutschland
und in die EU?

Wie hoch sind die jährlichen Importe aus den palästinensischen Autonomie-
gebieten nach Deutschland und in die EU?

3. Sieht die Bundesregierung ihre erklärte Unterstützung der palästinensischen
Bestrebungen, einen eigenen Staat aufzubauen, dadurch konterkariert, dass
Produkte aus israelischen Siedlungen nach Deutschland importiert werden,
was zum Fortbestand der israelischen Siedlungen beiträgt?

4. Ist die Bundesregierung auf der Grundlage ihrer Unterscheidung zwischen
Israel in den Grenzen von 1967 und den von Israel besetzten Gebieten der
Auffassung, dass Produkte aus israelischen Siedlungen in der Westbank nicht
als „Made in Israel“ deklariert werden dürfen?

5. Wie bewertet die Bundesregierung die folgende Problembeschreibung des
Berichtes der 22 Nichtregierungsorganisationen: „Indem sie Handel mit
Siedlungen treiben und so zu ihrem Fortbestehen beitragen, unterminiert die
EU zudem ihre eigenen jahrelangen politischen und finanziellen Investitio-
nen in die Bemühungen zum Aufbau eines palästinensischen Staates“?

6. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, eine korrekte Kennzeich-
nung sowohl landwirtschaftlicher wie industrieller Güter aus israelischen
Siedlungen so sicherzustellen, dass für die Konsumenten erkennbar wird, ob
das Produkt aus einer israelischen Siedlung oder von einem palästinensischen
Produzenten in der Westbank stammt?

Könnte sie etwa Richtlinien erlassen, wonach Produkte aus israelischen Sied-
lungen beispielsweise als „Westjordanland (israelische Siedlungen)“ gekenn-

zeichnet werden müssten?

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7. Warum erwartet die Bundesregierung nach Angaben des „DER SPIEGEL“
von der Europäischen Kommission „Orientierungshilfe bei der Auslegung
des EU-Rechts in Bezug auf eine rechtskonforme und korrekte Kennzeich-
nung während Großbritannien, Irland, Finnland, Schweden, Estland, die
Niederlande, Österreich, Spanien und Zypern die Frage, ob Produkte aus
Siedlungen im Westjordanland oder den Golanhöhen „aus Israel kommen“
klar mit „Nein“ beantworten (Christoph Schult: „Ende der Geduld“, in:
DER SPIEGEL, 9. Februar 2013)?

8. In welcher Art und Weise ist die Bundesregierung der „Verpflichtung eine
dauerhafte, vollständige und effektive Umsetzung der bestehenden Gesetz-
gebung der EU und bilateraler Regelungen Siedlungsprodukte betreffend
umzusetzen“ nachgekommen, wie sie die EU-Außenminister bei ihrem
Treffen vom 10. Dezember 2012 unter Bezugnahme auf die Erklärung des
Rates für Außenbeziehungen vom Mai 2012 wiederholt haben?

Welche weiteren Schritte sind geplant?

Welche Regeln erachtet die Bundesregierung dabei als maßgeblich?

9. Teilt die Bundesregierung die Position des Verbraucherschutzdezernates in
Wiesbaden, dass bei der Herkunftsbezeichnung der israelischen Firma
Ahava, „Dead Sea Laboratories. Israel“ keine Irreführung erkennbar sei, da
die Firma ihren Hauptsitz im Kernland Israels hat, obgleich die Produk-
tionsstätten in der Westbank lokalisiert sind (Christoph Schult: „Ende der
Geduld“, in: DER SPIEGEL, 9. Februar 2013)?

10. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um sicherzustellen, dass
der tatsächliche Produktionsort der Waren als kennzeichnungspflichtig gilt
und nicht die Adresse des Hauptsitzes?

11. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass eine genaue Kennzeichnung der
Herkunft von Produkten aus der Westbank eine Unterstützung Israels ist,
weil so verhindert wird, dass Menschen pauschal gar keine Produkte aus
Israel mehr kaufen, solange sie nicht sicher sein können, dass es sich dabei
möglicherweise um Produkte aus israelischen Siedlungen handelt?

12. Was unternimmt die Bundesregierung, um dem in manchen israelischen
Medien erweckten Eindruck entgegenzutreten, bei der Debatte um eine kor-
rekte Kennzeichnung von Waren aus Siedlungen in der Westbank gehe es
um einen generellen Boykott von Produkten aus Israel?

13. Wieso hat sich die Bundesregierung nicht in der Lage gesehen, den Brief
von 13 Mitgliedstaaten der EU (Großbritannien, Frankreich, Spanien, die
Niederlande, Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Irland, Luxemburg,
Malta, Portugal und Slowenien) an die Hohe Vertreterin der Europäischen
Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, vom 12. April
2013 mit zu unterzeichnen, in dem sie den Aufruf von Catherine Ashton
vom 22. Februar 2013 zur vollständigen Umsetzung der EU-Gesetzgebung
hinsichtlich der Kennzeichnung von Produkten aus israelischen Siedlungen
begrüßen?

14. Was unternimmt die Bundesregierung, damit die EU und die Europäische
Freihandelsassoziation (EFTA) israelische Exporteure verpflichten, Pro-
dukte aus israelischen Siedlungen korrekt und nicht länger mit der Bezeich-
nung als aus „Israel“ stammend zu versehen?

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15. Beinhalten die bilateralen Vereinbarungen zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und Israel nach Ansicht der Bundesregierung ausreichend
klare Regelungen, die ihre Anwendung ausdrücklich auf den Staat Israel in
den Grenzen von 1967 beschränken, so dass der Beschluss der EU-Außen-
minister von ihrem Treffen am 10. Dezember 2012, dass alle Vereinbarun-
gen zwischen Israel und der Europäischen Union unmissverständlich und
eindeutig deren Unanwendbarkeit für die seit 1967 von Israel besetzten Ge-
biete sichergestellt werden muss, umgesetzt wird?

16. Ist die Bundesregierung bereit, das im Oktober 2012 vom Europäischen
Parlament ratifizierte ACCA-Abkommen, das den Handel mit gewerblichen
Produkten zwischen der EU und Israel erleichtert und das keine adäquate
Territorialklausel enthält, nur dann umzusetzen, wenn Israel selbst seine
Anwendung formal auf den Bereich der Grenzen von 1967 beschränkt?

17. Ist die Bundesrepublik Deutschland bereit, innerhalb der Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu verlangen, dass Israel
bei der Übermittlung statistischer Daten immer zwischen dem Staat Israel
innerhalb der Grenzen von 1967 und den Siedlungen in der Westbank un-
terscheiden muss?

Berlin, den 29. April 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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