BT-Drucksache 17/13331

Inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit

Vom 26. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13331
17. Wahlperiode 26. 04. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Agnes Alpers, Ulla Jelpke, Dr. Lukrezia Jochimsen,
Harald Koch, Jens Petermann, Raju Sharma, Frank Tempel, Kathrin Vogler und
der Fraktion DIE LINKE.

Inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit

Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der
ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik unterrichtet die Mitglieder
des Deutschen Bundestages alle zwei Jahre über seine Arbeit und gibt dabei
auch seinen Kenntnisstand zu den inoffiziellen Mitarbeitern des Ministeriums
für Staatssicherheit (MfS) bekannt.

Auf Bundestagsdrucksache 17/4700 erklärte der Bundesbeauftragte gegenüber
den Mitgliedern des Deutschen Bundestages, dass 1989 rund 280 000 Menschen
hauptamtlich oder inoffiziell im Dienst des MfS gestanden haben (S. 11), davon
entfallen 91 000 auf hauptamtliche Mitarbeiter und 189 000 auf inoffizielle Mit-
arbeiter. Auf Bundestagsdrucksache 14/7210 versteht der Bundesbeauftragte
unter „inoffiziellen Mitarbeitern“ des MfS IM (Inoffizielle Mitarbeiter) und
GMS (Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit) (S. 33). In diesem Sinne
äußert er sich auch auf den Bundestagsdrucksachen 13/8442 (S. 18), 16/13020
(S. 38) und auch auf der jüngsten Bundestagsdrucksache 17/12500 (S. 70). Auf
Bundestagsdrucksache 15/1530 geht er von zuletzt 3 000 bis 3 500 inoffiziellen
Mitarbeitern in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) aus, von
denen 1 550 von der Hauptverwaltung A und geschätzte 2 000 von Abwehrdienst-
einheiten geführt wurden (S. 66); ähnlich auf Bundestagsdrucksache 16/13020
(S. 71). Dabei stützt sich der Bundesbeauftragte auf Bundestagsdrucksache
16/13020 wesentlich auf die Untersuchung „Inoffizielle Mitarbeiter des Minis-
teriums für Staatssicherheit. Teil 3: Statistik“ (S. 71).

Der Bundesbeauftragte hat sich von den hier zitierten bisherigen Erklärungen
gegenüber den Mitgliedern des Deutschen Bundestages mit der Publikation
„Stasi konkret“, die im Februar 2013 erschienen ist und von seinem Wissen-
schaftler Dr. Ilko-Sascha Kowalczuk im Rahmen einer Nebentätigkeit erstellt
worden sein soll, faktisch distanziert. Hierüber unterrichtete er die Mitglieder
des Deutschen Bundestages in seinem 2013 vorgelegten Tätigkeitsbericht auf
Bundestagsdrucksache 17/12500 nicht. Die Publikation „Stasi konkret“ ließ er
vor Veröffentlichung in seiner Behörde daraufhin prüfen, ob die darin enthalte-
nen Feststellungen dem Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) gemäß sind. Dies ließ

er durch seinen Abteilungsleiter Forschung hoheitlich feststellen und bestäti-
gen. Somit sind die darin enthaltenen Ausführungen dem Bundesbeauftragten
zuzurechnen – er macht sich diese somit zu Eigen.

Nach der Publikation „Stasi konkret“ waren nicht 189 000 inoffizielle Mit-
arbeiter des MfS zuletzt aktiv, sondern 109 000. Die Zahl 189 000 sei vom
Bundesbeauftragten künstlich hochgerechnet worden, folglich wurden die Mit-

Drucksache 17/13331 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

glieder des Deutschen Bundestages falsch unterrichtet. Die IM-Kategorien
„Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit“ (GMS) – zuletzt 30 000 – und
„Inoffizielle Mitarbeiter zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungs-
wesens“ (IMK) – zuletzt 33 000 – sind demnach in der Gesamtsumme der
inoffiziellen Mitarbeiter des MfS nicht weiter zu berücksichtigen. Außerdem
waren nicht 3 000 bis 3 500 inoffizielle Mitarbeiter des MfS in der Bundes-
republik Deutschland zuletzt aktiv gewesen, sondern nach „Stasi konkret“ etwa
2 000.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele inoffizielle Mitarbeiter (IM und GMS) führte das MfS nach Er-
kenntnissen des Bundesbeauftragten in den Jahren 1988/1989?

Waren es 189 000 oder 109 000?

2. Wie viele inoffizielle Mitarbeiter führte das MfS nach Erkenntnissen des
Bundesbeauftragten in den Jahren 1988/1989 in der Bundesrepublik Deutsch-
land und Westberlin?

Waren es 3 000 bis 3 500 oder 2 000?

3. Sind Personen, die vom MfS als GMS erfasst waren, in der Regel als
inoffizielle Mitarbeiter des MfS nach dem StUG anzusehen?

4. Sind Personen, die vom MfS als IMK erfasst waren, in der Regel als
inoffizielle Mitarbeiter des MfS nach dem StUG anzusehen?

5. Hat die Behörde des Bundesbeauftragten Bescheide nach dem StUG
herausgegeben, wonach inoffizielle Mitarbeiter Personen sind, die sich zur
Lieferung von Informationen an den Staatssicherheitsdienst bereiterklärt
haben und vom MfS mit den IM-Kategorien GMS bzw. IMK erfasst waren?

6. Erfolgte diese Herausgabe auch, wenn lediglich eine Karteikarte auf eine
GMS- bzw. IMK-Erfassung hinwies, aber keine Akten vorhanden waren?

7. Wird die Behörde des Bundesbeauftragten nach dem StUG auch weiterhin
Bescheide herausgeben, wenn inoffizielle Mitarbeiter Personen sind, die
sich zur Lieferung von Informationen an den Staatssicherheitsdienst bereit-
erklärt haben und vom MfS mit den IM-Kategorien GMS bzw. IMK erfasst
waren?

8. Werden nun Bescheide zu Bürgern, zu denen die Behörde Mitteilungen
aufgrund ihrer Erfassung als GMS bzw. IMK gemacht hat, von der Be-
hörde zurückgerufen?

9. Seit wann lag dem Bundesbeauftragten das Manuskript „Stasi konkret“
vor?

Trifft es zu, dass ihm das Manuskript bereits im November 2012 vorlag?

10. Welche Maßnahmen leitete der Bundesbeauftragte zu diesem Manuskript
vor seiner Veröffentlichung hinsichtlich der neuen IM-Zahlen ein?

Hat er das Manuskript hinsichtlich der neuen IM-Zahlen vor seiner Ver-
öffentlichung in der Forschungsabteilung, im wissenschaftlichen Beirat
oder in der Publikationsredaktion erörtern und prüfen lassen, und wenn ja,
jeweils wann (Datum)?

11. Wann (Datum) wurde die Erstellung des Manuskripts „Stasi konkret“ als
Nebentätigkeit schriftlich beantragt?

Wer hat in der Personalabteilung wann (Datum) diese entgeltliche Neben-
tätigkeit genehmigt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13331

Hat der Verfasser die im Manuskript „Stasi konkret“ benutzten Stasi-Unter-
lagen selbst recherchiert?

Wurden ihm die Stasi-Unterlagen im Rahmen einer Nebentätigkeit pflicht-
gemäß von der zuständigen Abteilung Auskunft der Behörde ausgehändigt,
und wenn ja, unter welcher Tagebuchnummer?

Wann (Datum) wurden die im Manuskript verwendeten Stasi-Unterlagen
übergeben?

Wie viele Mitarbeiter der Forschungsabteilung recherchierten für dieses
Manuskript während ihrer Dienstzeit, und wenn ja, in welchem Zeitraum?

12. Beabsichtigt der Bundesbeauftragte, aufgrund des Buches „Stasi konkret“
oder aus anderen Gründen, die Begriffsbestimmung für den inoffiziellen
Mitarbeiter des MfS zu ändern?

Falls ja, wird er dann die bisherigen Bescheide abändern oder widerrufen?

Berlin, den 26. April 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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