BT-Drucksache 17/13292

Mit Regulierung von Schattenbanken Gefahren bannen

Vom 24. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13292
17. Wahlperiode 24. 04. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Carsten Sieling, Joachim Poß, Ingrid Arndt-Brauer, Sabine
Bätzing-Lichtenthäler, Lothar Binding (Heidelberg), Petra Ernstberger, Martin
Gerster, Iris Gleicke, Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Petra Hinz (Essen), Bernd
Scheelen, Manfred Zöllmer, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Mit Regulierung von Schattenbanken Gefahren bannen

Vor dem Hintergrund der weltweiten Finanzkrise verkündeten im November
2008 auf dem G20-Gipfel in Washington die Regierungschefs ihr zentrales Ver-
sprechen: kein Akteur, kein Produkt und keine Region sollten unnreguliert blei-
ben. Bis heute ist das zentrale Versprechen der Politik nicht eingelöst worden.
Fest steht, dass sich neben den herkömmlichen Finanz- und Bankgeschäften ein
Bereich etabliert und vergrößert hat, der gemeinhin als Schattenbanken(system)
bezeichnet wird.

Der Finanzstabilitätsrat – Financial Stability Board (FSB) – definiert Schatten-
banken als ein System von Instituten für Kreditvergabe und Aktivitäten außer-
halb des Bankensektors. Hieran anknüpfend bezeichnet die Europäische Kom-
mission als Schattenbanken

– Finanzinstitute, die auf Liquiditätsmanagement und Fristentransformation
spezialisiert sind,

– Emissionsgesellschaften für besicherte Geldmarktpapiere (ACP-Conduits),

– Zweckgesellschaften und Investmentvehikel (Special Investment Vehicle –
SIV)

– Geldmarktfonds und weitere Investitionsfonds einschließlich der Exchange
Traded Funds (u. a. Hedgefonds),

– Finanzunternehmen und Wertpapierhäuser, die Kredite bzw. Kreditgarantien
verleihen

– sowie Versicherungs- bzw. Rückversicherungsunternehmen, die Kredit-
produkte verkaufen bzw. absichern.

Schattenbanken lassen sich darüber hinaus auch anhand ihrer Aktivitäten ein-
grenzen, wenn sie beispielsweise Verbriefungen- und Wertpapierverleih-
geschäfte sowie Rückkaufvereinbarungen bei kurzfristigen Finanzierungs-
instrumenten (Repo – englische Kurzform für Sale and Repurchase Agreement)

durchführen.

Das Schattenbankensystem ist weltweit betrachtet unterschiedlich ausgeprägt.
Global betrachtet liegt der Beitrag der Schattenbanken an den weltweiten
Finanzaktivitäten bei ca. 46 Bil. Euro im Jahr 2010 (gegenüber 21 Bil. Euro im
Jahr 2002), wie der FSB im Oktober 2011 in einem Bericht veröffentlichte.
Dieses Volumen stellt ca. 25 bis 30 Prozent des gesamten weltweiten Finanz-

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systems und die Hälfte der gesamten Bankaktiva dar. Zwar war Europa und ins-
besondere Deutschland im Vergleich zu den USA in diesem Finanzbereich
nicht so stark repräsentiert, aber die Zahlen haben sich in den vergangenen
Jahren verändert. Laut FSB ist der Anteil von in der EU ansässigen Finanz-
intermediären zwischen 2005 und 2010 stark angestiegen, während hingegen in
den USA diese Zahl abgenommen hat. Dies betrifft überwiegend Institute in
Großbritannien mit einem Anteil von 13 Prozent. In Deutschland muss man
laut FSB die Quote bei 3 bis 4 Prozent ansiedeln.

Trotz des scheinbar nicht so hohen Anteils an Schattenbanken entsteht eine Ge-
fahr auch für Deutschland insbesondere aus der Vernetzung und Verquickung
des normalen Bankensektors mit dem Schattenbankensektor und über die
Ländergrenzen hinweg. Der Bereich der Schattenbanken wächst zudem, weil
regulierte Banken Aktivitäten auslagern können. Schattenbanken können zu
einem Risiko für die Finanzmärkte werden, weil sie die Stabilität bedrohen,
wenn sie mit ihren kurzfristigen Darlehensgeschäften im Falle einer Krise
einen „Bankenrun“ – d. h. den (vorschnellen) Abzug der Einlagen – provozie-
ren. Mit ihrem Instrument der Rehypothekisierung, bei der gestellte Sicher-
heiten zur eigenen Finanzierung der Banken wiederverwendet werden, können
sie ebenfalls den Bankensektor gefährden. Dies war in der Finanzkrise von
2007 bis 2008 bedeutend. All dies könnte ein systemisches Risiko auslösen.

Mit dem aktuellen Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der
Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen sollen
Risikosphären innerhalb von Kreditinstituten besser als bislang voneinander
abgeschirmt werden. So werden Vorkehrungen zur Abschirmung von Eigen-
geschäftsaktivitäten und anderen riskanten Geschäften der Kreditinstitute vom
Kundengeschäft getroffen. Fraglich ist, ob mit der Abtrennung riskanter
Geschäfte die Institute vielleicht einerseits stabilisiert werden; andererseits
droht u. U. eine Verlagerung bestimmter Geschäfte in den unregulierten Schat-
tenbankensektor.

Insoweit bleibt die Regulierung des Finanzmarktes unvollständig, solange es
Bereiche gibt, die sich der Aufsicht, Kontrolle und Regulierung entziehen.
Bankenregulierung alleine reicht nicht aus. Der unregulierte Schattenbanken-
sektor muss mit Nachdruck einer Regulierung unterzogen werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

Allgemein

1. Wie definiert die Bundesregierung den Bereich der Schattenbanken, und
welche Aktivitäten gehören für die Bundesregierung dazu?

2. Inwiefern hält die Bundesregierung die bestehende nationale Regulierung
von Schattenbanken für ausreichend?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung den Regulierungsprozess auf euro-
päischer Ebene nach Vorlage des Grünbuch im vergangenen Jahr und auf
internationaler Ebene, nachdem der Fincial Stability Board (FSB) erste
konkrete Regelungsempfehlungen im November 2012 veröffentlicht hat?

4. In welchen Geschäftsbereichen sieht die Bundesregierung eine besondere
Gefahr einer Umgehung (bank-)aufsichtsrechtlicher Vorgaben durch die
Auslagerung in Schattenbanken?

5. In welchen Geschäftsbereichen sieht die Bundesregierung einen potenziel-
len, volkswirtschaftlichen Nutzen der Tätigkeit von Schattenbanken, der
nicht durch Banken erbracht werden kann?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13292

6. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, innerhalb des Schatten-
bankensektors würde Liquidität erzeugt und zur Verfügung gestellt, auf die
Unternehmen Rückgriff nehmen könnten und müssten?

7. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es dieser angesprochenen
Liquidität bedarf, und wenn ja, für welche konkreten Fälle, und in welchem
Umfang?

8. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass Kreditinstitute verpflichtet
werden sollten, sicherzustellen, dass alle ihre Geschäftspartner – insbeson-
dere Geschäftspartner aus dem Schattenbankenbereich – einer aufsicht-
lichen Überwachung unterliegen sollten?

9. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Forderungen und
die Verbindlichkeiten zwischen den folgenden Gruppen (getrennt nach In-
und Ausland): Geldmarktfonds, Kreditinstitute (mit Aufschlüsselung nach
Bankengruppe), Wertpapierfonds, Hedgefonds und Zweckgesellschaften/
Investmentvehikel?

Geldmarktfonds

10. Wie hoch sind nach Erkenntnissen der Bundesregierung das absolute und
relative Geschäftsvolumen von Geldmarktfonds mit Sitz in Deutschland
und wie hoch für Geldmarktfonds mit Sitz in der Europäischen Union?

Zweckgesellschaften

11. Berücksichtigen die bestehenden und im Rahmen von CRD IV geplanten
Anforderungen an Eigenkapitalunterlegung und Liquiditätssteuerung bei
Kreditbeziehungen zu Zweckgesellschaften/Investmentvehikeln nach An-
sicht der Bundesregierung die aus den Geschäften resultierenden Risiken
ausreichend?

12. Inwieweit wurden bei den Anforderungen Reputationsrisiken, die z. B. aus
der Insolvenz einer finanziell unterstützten Zweckgesellschaft resultieren,
und die sich daraus ergebende Motivation, seitens der Bank, das Eintreten
eines Reputationsverlustes zu verhindern, ausreichend berücksichtigt?

Central Counterparty Clearing

13. Inwiefern erachtet die Bundesregierung die bestehenden Vorgaben als aus-
reichend, um systemische Risiken durch den Ausfall eines Central
Counterparty Clearing Hauses zu verhindern?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung bei Derivat- oder Wertpapierpensions-
geschäften eine bevorzugte Stellung der Gläubiger bei Restrukturierungs-,
Abwicklungs- oder Insolvenzverfahren von Gegenparteien?

Repos

15. In welchem Umfang betreiben deutsche Kreditinstitute und deutsche Ver-
sicherungen nach Kenntnis der Bundesregierung Wertpapierleihe- und
Wertpapierpensionsgeschäfte (insgesamt und aufgeschlüsselt nach Banken-
gruppen) mit welchen Gegenparteien?

16. In welchem Umfang betreiben deutsche Kreditinstitute nach Kenntnis der
Bundesregierung Rehypothekisierung, d. h. die Wiederverwendung gestell-
ter Sicherheiten (insgesamt und aufgeschlüsselt nach Bankengruppen)?

17. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Praxis der Rehypothekisierung, d. h. der Wiederverwendung ge-

stellter Sicherheiten?

Drucksache 17/13292 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Besicherte Geldaufnahme

18. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Volumina der
besicherten Geldaufnahme durch Kreditinstitute, aufgeschlüsselt nach
Bankengruppen und Art der Besicherung, mit Angaben zur absoluten
Höhe, zum relativen Anteil am Fremdkapital und an der Bilanzsumme?

19. Welche Gefahren sieht die Bundesregierung in einer Zunahme der be-
sicherten Geldaufnahme im Hinblick auf eine Belastung der Bilanzaktiva?

20. Wie beurteilt die Bundesregierung die Vorschläge der Europäischen Kom-
mission, dass Kreditinstitute jederzeit einen bestimmten Prozentsatz an
Verbindlichkeiten vorweisen müssen, die dem so genannten Bail-in dienen,
also die Aufsichtsbehörden ermächtigt, Verbindlichkeiten eines insolven-
ten Instituts einseitig abzuschreiben oder in Aktien umzuwandeln?

21. Inwieweit sieht die Bundesregierung durch einen Mindestsatz an „Bail-In“-
fähigen Verbindlichkeiten einen Reformbedarf, insbesondere für das Ge-
schäftsmodell von Pfandbriefbanken?

22. Sieht die Bundesregierung eine Gefahr prozyklischer Effekte durch die
Wertpapierbesicherung von Verbindlichkeiten und Derivategeschäften?

23. Wenn ja, welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen bzw.
geplant, um diese Gefahren einzudämmen, und inwieweit gelten die ent-
sprechenden Vorgaben nur für Kreditinstitute oder auch für Schattenbanken?

Finanzhandelsinstitute

24. Welchen bankaufsichtsrechtlichen Vorgaben werden die nach dem Entwurf
eines Gesetzes zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanie-
rung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen neu einzu-
richtenden Finanzhandelsinstitute unterliegen?

25. Welche der Anforderungen sollen für das Finanzhandelsinstitut isoliert gel-
ten und welche auf Ebene der Instituts- bzw. Finanzholdinggruppe?

26. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die im Gesetzentwurf ausge-
sprochenen Verbote zu einer Verlagerung von Geschäften in den Schatten-
bankensektor führen können?

27. Wenn ja, mit welchem Umfang rechnet die Bundesregierung, und welche
konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, um dieser Verlagerung
entgegenzuwirken?

Steueroasen

28. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung bei der Wahl des Sitzlandes
von Schattenbanken eine Tendenz zur Ansiedelung in Steueroasen, und
welche Länder sind dies nach Erkenntnis der Bundesregierung?

29. Inwiefern werden Geschäftsbeziehungen heimischer Kreditinstitute zu aus-
ländischen Schattenbanken bei bilateralen Verhandlung von Doppelbe-
steuerungsabkommen berücksichtigt?

Berlin, den 24. April 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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